OGH 11Os27/95

OGH11Os27/954.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred S***** und einen anderen wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 14.November 1994, GZ 1 U 8/94-5, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten Manfred S***** und Robert G***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 14.November 1994, GZ 1 U 8/94-5, verletzt das Gesetz

1. infolge Nichtanwendung des § 5 JGG hinsichtlich des jugendlichen Beschuldigten Manfred S***** in dieser Bestimmung;

2. durch die kumulative Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe über Manfred S***** in den Bestimmungen der §§ 136 Abs 1 sowie 43 a Abs 2 StGB;

3. im Adhäsionserkenntnis in der Bestimmung des § 366 Abs 1 StPO.

Das bezeichnete Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird hinsichtlich Manfred S***** im Strafausspruch sowie außerdem im Adhäsionserkenntnis aufgehoben. Gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Der Privatbeteiligte Bernd S***** wird mit seinen Entschädigungsansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Dem Bezirksgericht Enns wird die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die Strafe hinsichtlich Manfred S***** aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 14.November 1994, GZ 1 U 8/94-5, wurden der am 30.September 1976 geborene Manfred S***** und der am 14.September 1972 geborene Robert G***** des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, und zwar Manfred S***** allein in Enns am 20. September 1994 ein Moped eines namentlich nicht bekannten Geschädigten und am 12.November 1994 ein Moped des N.N***** sowie beide Beschuldigten in der Nacht zum 28.September 1994 in Tillysburg das Moped des Wolfgang K*****. Manfred S***** wurde hiefür zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 100 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt, wobei letztere gemäß § 43 a StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde; weiters wurde ihm ein Bewährungshelfer bestellt. Über Robert G***** wurde eine Geldstrafe verhängt.

Vom weiteren Anklagevorwurf, sie hätten im bewußten Zusammenwirken am 27. September 1994 in Kronstorf den PKW des Bernd S***** (des Bruders des Manfred S*****) unbefugt in Gebrauch genommen, wurden Manfred S***** und Robert G***** zwar gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, dennoch aber gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Bezahlung von 11.000 S samt 4 % Zinsen seit 1.Oktober 1994 an den Privatbeteiligten Bernd S***** verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Das vorgenannte Urteil des Bezirksgerichtes Enns steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz in mehrfacher Beziehung nicht im Einklang.

1. Manfred S***** war zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlungen Jugendlicher im Sinne des § 1 Z 2 JGG, sodaß die Bestimmung des § 5 JGG über Besonderheiten der Ahndung von Jugendstraftaten anzuwenden gewesen wäre. Nach der - gemäß § 458 Abs 3 StPO in gekürzter Form erfolgten - Ausfertigung des Urteils wurde jedoch § 5 JGG nicht angewendet. Im übrigen indiziert auch das Verhältnis der über die beiden Beschuldigten jeweils verhängten Strafen die Außerachtlassung der Regelungen des § 5 Z 4 und 5 JGG betreffend die Herabsetzung des Höchstmaßes von Freiheits- und Geldstrafen bei der Strafbemessung hinsichtlich Manfred S*****.

2. Die Strafdrohung des § 136 Abs 1 StGB lautet auf Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen; damit sind die beiden Strafarten wahlweise angedroht. Die Bestimmung des § 43 a Abs 2 StGB, welche die Verhängung einer Geldstrafe neben einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe unter den dort genannten Voraussetzungen ermöglicht, hätte mit Rücksicht auf den gesetzlichen Strafsatz des § 136 Abs 1 StGB nur dann angewendet werden dürfen, wenn das Bezirksgericht gemäß § 39 StGB eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten ins Auge gefaßt hätte (EvBl 1989/43, 14 Os 148/92). Durch die für jugendliche Rechtsbrecher geltende Sonderbestimmung des § 5 Z 9 JGG wurde die Anwendbarkeit des § 43 a StGB nur in der Weise erweitert, daß die Obergrenzen des zu verhängenden oder verhängten Strafmaßes ausgeschaltet werden, wogegen die im § 43 a Abs 2 (und Abs 3) StGB festgesetzte Mindestfreiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, welche der Beschuldigte verwirkt haben muß, unvermindert beibehalten wird (13 Os 115/89). Das Bezirksgericht Enns hat daher durch die Verhängung sowohl einer - wenn auch bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe als auch einer Geldstrafe über Manfred S***** seine Strafbefugnis überschritten.

3. Eine Entscheidung des Strafgerichtes über die privatrechtlichen Ansprüche des Geschädigten ist nach § 366 Abs 2 erster Satz StPO nur dann möglich, wenn der Beschuldigte wegen der Tat schuldig gesprochen wird, aus welcher die Ansprüche abgeleitet werden. Wird der Beschuldigte hingegen nicht verurteilt, so ist der Privatbeteiligte nach § 366 Abs 1 StPO mit seinen Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Da die Beschuldigten im vorliegenden Fall vom Anklagevorwurf des unbefugten Gebrauches des PKW des Bernd S***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurden, war keine gesetzliche Grundlage für den Privatbeteiligtenzuspruch gegeben.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren somit die unterlaufenen Gesetzesverletzungen festzustellen und spruchgemäß zu erkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte