OGH 15Os29/95(15Os30/95, 15Os31/95)

OGH15Os29/95(15Os30/95, 15Os31/95)30.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hayati B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gökmen G***** sowie über die Berufung des Angeklagten Hayati B***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 12. September 1994, GZ 1 a Vr 419/94-143, sowie über die Beschwerden der genannten Angeklagten gegen den zugleich mit dem Urteil gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen sowie über die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten G***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch mehrere in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurden (neben Volkan A*****, dessen Urteil unbekämpft geblieben ist) der am 18.Jänner 1976 geborene Hayati B***** und der am 20.Dezember 1976 geborene Gökmen G***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (C) sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Zugleich mit diesem Urteil widerrief das Erstgericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO drei bedingte Strafnachsichten, die den Angeklagten jeweils vom Jugendgerichtshof Wien gewährt worden waren.

Rechtliche Beurteilung

Während der Angeklagte B***** die zunächst angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde (315 f/II) in der Folge ausdrücklich zurückzog (343 f/II) und nur mehr eine Berufung und Beschwerde ausführte (ON 156), bekämpft der Angeklagte G***** den ihn betreffenden Schuldspruch mit einer auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung und den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.

Die Rechtsmittelanträge des Beschwerdeführers G***** (vgl 371/II) gehen zwar dahin, seiner "Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 281 Abs 1 Z 5 a StPO Folge zu geben, nach § 288 Abs 2 Z 1 StPO die Hauptverhandlung zu vernichten und die Sache zur nochmaligen Verhandlung vor das zuständige Gericht I.Instanz zu verweisen" (Punkt 1.), "in eventu ... das erstinstanzliche Urteil ... abzuändern ..."

(Punkt 2.), beziehen sich somit uneingeschränkt auf alle Schuldspruchsfakten. In der Beschwerdeschrift finden sich sachbezogene Ausführungen indes nur zum Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Raubes (Punkt A des Urteilssatzes), nicht aber zu den anderen Schuldspruchsfakten wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung (B) und des Verbrechens der Verleumdung (C). Insoweit gebricht es daher der Beschwerde an der gebotenen deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände, die den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund bilden sollen, zumal solche auch bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 144) nicht ausgeführt wurden (§ 285 a Z 2 StPO).

Anzumerken ist, daß eine "Vernichtung der Hauptverhandlung" nur dann in Frage kommt, wenn der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 a StPO gegründet findet; der (der Sache nach damit relevierte) Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288 a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren, in welchem ein Oberlandesgericht im genannten Zusammenhang gar nicht angerufen worden ist, schon von vorneherein nicht verwirklicht werden.

Das Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a, der Sache nach teilweise auch Z 5) leitet der Nichtigkeitswerber mit der Behauptung ein, die erstgerichtlichen Feststellungen, er sei während des vom Angeklagten B***** verübten Raubes einen halben Meter von diesem entfernt gestanden, wobei er (G*****) zumindest zeitweise ein geöffnetes Springmesser in der Hand gehabt habe und mit den Handlungen des B***** einverstanden gewesen sei (US 399 unten), "begründen im Vergleich mit den in den Akten niedergelegten Verfahrensergebnissen schwerwiegende Bedenken gegen deren Richtigkeit". Diese These trachtet er in Ausführung des Beschwerdepunktes dadurch zu untermauern, daß er bloß einzelne, ihm günstig erscheinende Sätze teilweise unvollständig zitiert und isoliert aus den vor den Sicherheitsbehörden und in der Hauptverhandlung abgelegten Zeugenaussagen der Raubopfer Dragoljub M***** und Dragan S***** sowie aus den Bekundungen des Zeugen Fatih B***** und aus der eigenen leugnenden Verantwortung herausgreift.

Indes hat das Schöffengericht in einer kritischen Gesamtschau der vorhandenen Beweisergebnisse und unter Verwertung des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks mit zureichender (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), denkmöglicher und plausibler Begründung einerseits das Tatgeschehen im wesentlichen aus den für glaubwürdig beurteilten Depositionen der genannten Zeugen erschlossen, denen es lebensnah zubilligte, wegen der bedrohlichen Situation verständlicherweise nicht auf alle Einzelheiten geachtet zu haben; andererseits hat es die Mittäterschaft des Beschwerdeführers an der inkriminierten Raubtat - wie die Beschwerde selbst zugesteht (361 5. Absatz/II) - hauptsächlich auf die als glaubhaft angesehenen Einlassungen des Mitangeklagten B***** (vgl insbesonders 105 f/I, 252 ff/II) gestützt, denen zufolge der Raub von ihm und G***** geplant war, G***** daran aktiv mitgewirkt, dabei auch ein Messer verwendet und während des Raubes nie geäußert hat, er (B*****) solle die Jugendlichen in Ruhe lassen (US 303 f/II).

Inwiefern daher "diese Begründung aktenwidrig" sein soll, bleibt unerfindlich. Eine (Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO begründende) Aktenwidrigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig wiedergegeben wird, nicht aber wenn - wie vorliegend - bloß behauptet wird, daß zwischen den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und dem diesen zugrunde gelegten Beweismaterial ein Widerspruch bestehe. Die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) beruhenden Schlüsse der Tatrichter kann nämlich unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 185, 191).

Daß S***** und M***** wiederholt angegeben haben, bei G***** kein Messer "gesehen" zu haben, widerspricht keineswegs den gerügten Urteilskonstatierungen und wurde vom Schöffengericht plausibel mit der Aufregung auf Grund der vorgehaltenen Pistole erklärt. Im übrigen hat der Nichtigkeitswerber selbst eingestanden, nicht nur gemeinsam mit B***** zum Tatort in den Park gegangen und ca einen halben Meter neben ihm gestanden zu sein, während dieser den wehrlosen Opfern eine Gaspistole an die Schläfe ansetzte und die Herausgabe von Geld forderte, sondern auch während dieses Tatverlaufs "das Messer vor den Burschen angeschaut, es aufschnappen lassen bzw aufgemacht" (254/II) und das (geraubte) "Parfum eingesteckt" zu haben (249/II). Allein diese Verantwortung vermag die konstatierte Mittäterschaft des Beschwerdeführers zu tragen.

Im Kern stellt somit das Beschwerdevorbringen weitgehend lediglich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung den an sich unanfechtbaren kritisch-psychologischen Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 E 23 ff; § 285 Z 5 E 1 ff; § 281 5 a E 3

f) in den Mittelpunkt seiner Kritik, ohne einen formellen Begründungsmangel aufzuzeigen (Z 5) oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (Z 5 a).

Angemerkt sei, daß der Beschwerdeführer schon unter Zugrundelegung bloß jener Urteilsfeststellung, wonach er mit B***** unmittelbar vor der Tat die Beraubung der beiden Opfer beschlossen hatte (297/II) - gegen diese Feststellung wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht remonstriert -, mit seiner unterstützenden Anwesenheit am Tatort und dem noch dort erfolgten Ansichbringen eines Teils der Beute selbst dann das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB zu verantworten hätte, wenn er kein Messer vorgehalten, sondern (nur) der Komplize mit einer Waffe (Gaspistole) gedroht hätte.

Aus den angeführten Gründen war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten sowie über deren Beschwerden das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285 i StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte