OGH Okt12/94

OGHOkt12/9414.3.1995

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seinen Vorsitzenden Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser sowie durch die Kommerzialräte Dr.Bauer, Dkfm.Dr.Grünwald, Dkfm.Lamel und Dr.Lettner als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Einschreiterin M*****, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anzeige eines Zusammenschlusses infolge Rekurses der Einschreiterin gegen den Beschluß des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien vom 22.Juni 1994, GZ 2 Kt 823/93-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 29.10.1993 machte eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Notariatsaktsform einer bestimmten Person (in der Folge kurz Treuhänder) das Angebot, ihr Geschäftsanteile entsprechend einer Stammeinlage im Nennwert von S 275.000 an einer anderen Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegen Zahlung von S 137.500 abzutreten. Punkt VI. dieses Angebots zufolge sollten die mit dem zur Abtretung angebotenen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten mit dem Tag der Annahme dieses Anbots auf den Treuhänder übergehen. Gemäß Punkt VIII. des Anbots blieb die Offerentin dem Treuhänder über 14 Tage vom Tag der Unterfertigung des Anbots an im Wort: "Bis zu diesem Tag hat somit die notarielle Annahmeerklärung durch....(den Treuhänder)...zu erfolgen, widrigenfalls die....(Offerentin) ....an das Anbot nicht mehr gebunden ist."

Noch am selben Tag erklärte der Treuhänder den beiden Geschäftsführern der Offerentin gegenüber, er werde das Anbot am nächsten Tag in Wien notariell annehmen. Am 30.10.1993 nahm ein öffentlicher Notar in Wien die notarielle Bekräftigung der Annahmeerklärung des Treuhänders in Notariatsaktsform vor.

Der Treuhänder erwarb den Geschäftsanteil nicht für eigene Rechnung, sondern als Treuhänder der Anzeigerin.

Die Einschreiterin zeigte dem Kartellgericht an, sie habe mit Verträgen vom 30.10.1993 einen Geschäftsanteil entsprechend einer zur Hälfte bar eingezahlten Stammeinlage im Nennwert von S 275.000, somit eine Beteiligung von 55 % am Stammkapital einer näher genannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in der Folge kurz Gesellschaft), erworben. Der Erwerb sei über den Treuhänder erfolgt, der die Anteile für die Anzeigerin als solcher halte. Unternehmensgegenstand der Gesellschaft sei der Verlag und Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften sowie Verlagsobjekten aller Art, die Herstellung und Gestaltung von Verlagsobjekten, die Organisation, Gestaltung und Durchführung von Werbung in und außerhalb von Zeitungen und Zeitschriften sowie die Durchführung von Unternehmensberatung. Der restliche Anteil am Stammkapital dieser Gesellschaft (45 %) werde von einer Kommanditgesellschaft gehalten, die Verlegerin einer Tageszeitung sei. Die Anzeigerin sei zu 100 % Tochtergesellschaft einer Kommanditgesellschaft, die ihrerseits Verlegerin zweier anderer Tageszeitungen sei. Obwohl die Feststellung von Anteilen am hier maßgeblichen Markt schwierig sei, liege die Vermutung nahe, daß die erheblichen Grenzen des § 41 KartG 1988 angesichts der Position der Muttergesellschaft der Anzeigerin im österreichischen Medienbereich sowie jener der nunmehrigen Mitgesellschafterin am Tageszeitungsmarkt schlechthin überschritten sein dürften.

Die Bundesarbeitskammer beantragte mit Eingabe vom 22.12.1993 unter Berufung auf § 8a KartG 1988 die Feststellung, ob der angezeigte Sachverhalt dem Kartellgesetz 1988 idF der Kartellgesetznovelle 1993 unterliege, "weil die neue Rechtslage anzuwenden sei und weil ein anmeldebedürftiger Sachverhalt vorliege". Die Anzeige sei nicht schlüssig, weil nicht dargelegt worden sei, ab welchem Zeitpunkt die wirtschaftliche Einflußnahme gegeben gewesen sei, so daß es fraglich bleibe, ob die alte oder die neue Rechtslage anzuwenden sei.

Die Anzeigerin replizierte, die auf Annahme des Anbots der Offerentin gerichtete Erklärung sei am 30.10.1993 abgegeben worden und damit der Übergang der mit dem abgetretenen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten an diesem Tag eingetreten, womit die wirtschaftliche Einflußmöglichkeit der Anzeigerin verbunden sei.

Die Bundesarbeitskammer beantragte daraufhin die Feststellung, "ob ein anmeldepflichtiger Sachverhalt, allenfalls zu welchem Zeitpunkt", vorliege. Die Annahmeerklärung werde als empfangsbedürftige Willenserklärung erst wirksam, wenn sie dem Offerenten zugehe; dazu sei kein Nachweis erbracht worden. Einem Zeitungsbericht zufolge solle die Gesellschaft ein "vorsorglich geschaffener" leerer Mantel sein. Der Tatbestand des § 41 Abs 1 Z 3 KartG 1988 stelle aber auf den Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft ab, die Unternehmer sei, also über einen Geschäftsbetrieb verfüge. Die Anzeigerin ergänzte ihr Vorbringen noch dahin, der Treuhänder habe die Geschäftsführer der Offerentin am 30.10.1993 davon informiert, daß er die Annahme ihres Anbots erklären und in Wien notariell bekräftigen lassen werde und ihm noch am selben Tag mitgeteilt, daß er das Anbot nunmehr angenommen habe. § 41 KartG 1988 idF vor und nach der Kartellgesetznovelle 1993 mache das Vorliegen eines Zusammenschlußtatbestands keineswegs davon abhängig, daß die Gesellschaft eine Geschäftstätigkeit ausübe.

Das Kartellgericht sprach 1. aus, daß der durch die Einschreiterin angezeigte Erwerb von Anteilen an der Gesellschaft (noch) keinen Zusammenschluß nach dem V.Abschnitt des Kartellgesetzes 1988 begründe und 2. die "Zusammenschlußanzeige daher nicht in das Kartellregister einzutragen" sei. Es führte aus, gemäß Art.V der Kartellgestznovelle 1993 sei dieses Gesetz auf Zusammenschlüsse, die vor dessen Inkrafttreten - gemäß Art.III Abs 3 dieser Novelle am 1.11.1993 - zustande gekommen sind, nicht anzuwenden. Ein Zusammenschluß gelte gemäß § 42 Abs 1 KartG 1988 (bzw nach § 42 Abs 1a KartG 1988 idF der Kartellgesetznovelle 1993) dann als zustande gekommen, wenn die wirtschaftliche Einflußmöglichkeit gegeben sei. Gemäß § 41 Abs 1 Z 3 KartG 1988 (nF) setze der Tatbestand des Zusammenschlusses durch Anteilserwerb unter anderem das Vorliegen eines unmittelbaren oder mittelbaren Erwerbs von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer voraus. An diesem Tatbestandsmerkmal sei durch die Kartellgesetznovelle 1993 nichts geändert worden. Die Einschreiterin habe zugestanden, daß die Gesellschaft bei Erwerb der Anteile und auch seither keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet habe und damit die bildhafte Annahme eines "leeren Mantels" zutreffe. Die Anzeigerin habe somit Anteile an einer Gesellschaft erworben, die nicht Unternehmerin sei. Allein durch die Tatsache, daß ihre Anteile im Eigentum von Unternehmen stehe, werde eine Gesellschaft nicht zum Unternehmer. Die Ausnahmebestimmung des § 2 Z 2 KartG 1988, daß Unternehmen, die in der in § 41 KartG 1988 beschriebenen Form miteinander verbunden sind, als ein einziges Unternehmen gälten, gelte nur für die Berechnung von Marktanteilen, nicht indessen für die Qualifikation eines Rechtsträgers, der nicht einmal mittelbar ein Unternehmen betreibe, als Unternehmer.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Anzeigerin ist nicht berechtigt.

Im vorliegenden Fall beruft sich die Einschreiterin zur Dartuung des angezeigten Zusammenschlußtatbestandes auf den - mittelbaren - Erwerb an einer (bereits registrierten) Gesellschaft mit beschränkter Haftung und damit - was auch im Rechtsmittel keineswegs in Abrede gestellt wird - auf § 41 (Abs 1) Z 3 KartG 1988 (idF vor und nach der Kartellgesetznovelle 1993).

Nach ihrem Art.V ist die Kartellgesetznovelle 1993 auf Zusammenschlüsse nicht anzuwenden, die vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zustande gekommen sind. Der Zusammenschluß gilt - gleichermaßen nach der alten (§ 42 Abs 1 zweiter Satz KartG 1988) wie nach der neuen Rechtslage (§ 42 Abs 1a KartG 1988 idF der Kartellgesetznovelle 1993) - dann als zustande gekommen, wenn die wirtschaftliche Einflußmöglichkeit gegeben ist. Das ist für die einzelnen Zusammenschlußtatbestände zwar gesondert festzustellen, maßgeblich ist aber stets die jeweilige privatrechtliche Wirksamkeit (Gugerbauer, Kartellgesetz2 § 42 Rz 2 mwN). Bei Zusammenschlüssen nach § 41 (Abs 1) Z 3 KartG 1988 (idF vor und nach der Kartellgesetznovelle1993) genügt das Verpflichtungsgeschäft - etwa die Kaufabrede über den Erwerb der Anteile - nicht (Gugerbauer aaO); im vorliegenden Fall lag allerdings eine Vollzession vor, bei der das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft zusammenfallen. Der Aktenlage kann aber nicht entnommen werden, wann die Annahme des Abtretungsanbots - der Vertrag wurde als Distanzgeschäft abgewickelt - der Offerentin zuging und die Abtretung damit überhaupt erst wirksam wurde (§ 862a ABGB; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 1 und 2 hiezu). Da der über die Annahmeerklärung des Treuhänders aufgenommene Notariatsakt am 30.10.1993 errichtet wurde, kann deren Zugang durchaus auch erst nach Inkrafttreten der Kartellgesetznovelle 1993 erfolgt sein.

Ergänzender Erhebungen bedarf es dessenungeachtet nicht, weil der angezeigte Sachverhalt auch nach altem Recht nicht anders zu beurteilen wäre als nach dem Novellenrecht: Die Änderung des § 41 (Abs 1) Z 3 KartG 1988 beschränkt sich nämlich darauf, daß nun nicht nur die Beteiligung von zumindest 25 %, sondern auch der Beteiligungsgrad von wenigstens 50 % einen selbständigen Zusammenschlußtatbestand darstellt (Gugerbauer aaO Rz 9), so daß bei dem angezeigten erstmaligen Erwerb von 55 % aller Anteile das tatbestandsmäßige Mindestausmaß der Beteiligung nach altem wie nach neuem Recht ohnedies außer Frage steht.

Schon der Wortlaut des in Rede stehenden Zusammenschlußtatbestands - nur der (unmittelbare oder mittelbare) Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen gilt als (kartellgesetzlicher) Zusammenschluß - läßt keinen Zweifel offen, daß die Gesellschaft, deren Anteile von einem anderen Unternehmer erworben werden, selbst Unternehmer sein muß. Der Wortlaut bedarf auch keiner - vom Zweck der Bestimmung gebotenen - Berichtigung oder gar teleologischen Reduktion, besteht doch das Wesen der Unternehmenskonzentration - und gleichzeitig deren entscheidender Unterschied zu Kartellen - gerade darin, daß zwei oder mehrere Unternehmen unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit in auf Dauer berechneter Weise unter einheitlicher wirtschaftlicher Leitung zusammengefaßt werden: Bewirkt das Kartell eine Verhaltensbindung, wird durch den Zusammenschluß die interne Unternehmensstruktur geändert (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht I2 103, 273).

Aber selbst wenn man den Anteilserwerb durch die Anzeigerin dem Auffangtatbestand des § 41 (Abs 1) Z 5 KartG 1988 unterstellte (vgl dazu Koppensteiner aaO 283), lägen die Dinge nicht anders: Danach muß die im Zusammenschluß zum Ausdruck gelangende Verbindung so gestaltet sein, daß dadurch ein Unternehmer (also der Inhaber eines Unternehmens) einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes - also von dem von ihm betriebenen Unternehmen verschiedenes - Unternehmen ausüben kann.

Knüpft das Gesetz die Verwirklichung des Zusammenschlußtatbestands ausdrücklich an den Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, "die Unternehmer ist", demnach ein Unternehmen betreibt, so scheidet folgerichtig der Anteilserwerb aus dem Kreis der vom § 41 (Abs 1) Z 3 KartG 1988 getroffenen Sachverhalte aus, sofern die Gesellschaft ein Unternehmen noch nicht oder nicht mehr betreibt. Diese Auslegung wird auch dem der § 41 Abs 2 KartG 1988 (nF) vorbildlichen FKV zugrundeliegenden funktionalen Unternehmensbegriff gerecht, nach dem ein Unternehmen - als organisatorische Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel, mit denen auf Dauer ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, - eine wirtschaftliche Einheit ist, der eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit zugerechnet wird; demgemäß kann von einem Unternehmen erst dann gesprochen werden, wenn es sich wirtschaftlich betätigt (Gleiss/Hirsch, EG-Kartellrecht I4 Rz 544). Daher ist etwa der Gesellschaft mit beschränkter Haftung trotz Stillegung ihres Betriebs die Unternehmenseigenschaft zuzubilligen, wenn sie fortbesteht und über eine Herstellungs- und Vertriebsgemeinschaft weiterhin am Wirtschaftsverkehr teilnimmt, über die zur Produktion erforderlichen Maschinen, über im Warenvertrieb laufend benutzte Warenzeichen und beträchtliche Geldmittel verfügt und die spätere Wiederaufnahme der Produktion nicht ausgeschlossen ist (WuW/E BGH 361-"Gasglühkörper"), es kann aber in einem solchen Fall trotz der Betriebsstillegung nicht zweifelhaft sein, daß sich die Gesellschaft - im Sinne des oben dargelegten Unternehmensbegriffs - nach wie vor wirtschaftlich betätigt.

Nichts davon trifft auf jene Gesellschaft, deren Mehrheitsanteil die Anzeigerin - mittelbar - erworben hat, zu: Diese hat im Verfahren selbst zugestanden (ON 12 und 12a), daß diese Gesellschaft beim Erwerb der Anteile durch die Anzeigerin und auch seither keinerlei geschäftliche Tätigkeit entfaltet hat, bzw entfaltet und deshalb das Bild eines "leeren Mantels" darbietet.

Von einer mit allen wesentlichen Unternehmensfunktionen ausgestatteteten, am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden selbständigen neuen Planungseinheit kann selbst nach dem Vorbringen der Einschreiterin somit keine Rede sein. Die Gesellschaft betreibt - jedenfalls derzeit - (noch) kein Unternehmen, sie ist deshalb auch (noch) nicht als Unternehmerin im Sinne des § 41 KartG 1988 (gleich, ob alter oder neuer Fassung) anzusehen. Die Einschreiterin argumentiert im Rekurs, die - weder nach Notwendigkeit noch nach Umfang näher determinierten - selbsterhaltenden Tätigkeiten der Gesellschaften seien schon jene unternehmerischen Aktivitäten, die eine "organisierte Erwerbsgelegenheit" ausmachten: Es ist ihr zwar beizupflichten, daß der Unternehmensbegriff - jedenfalls in seiner kartellrechtlichen Dimension - bisher mitunter so umschrieben wurde (vgl etwa KOG in ÖBl 1974, 69 - "Tankstellenkauf"), diese - letztlich wenig aussagekräftige - Kurzdefinition weicht aber bei richtigem Verständnis inhaltlich von dem aktuellen, weiter oben erörterten funktionalen Unternehmensbegriff nicht wirklich ab: Eine Gesellschaft ist für sich - also ohne Ausstattung mit jenen personellen und sachlichen Resourcen, die es ihr ermöglicht, sich wirtschaftlich zu betätigen, also am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen und demnach als selbständige wirtschaftliche Einheit aufzutreten, noch keine solche organisierte Erwerbsgelegenheit, sondern besitzt so lediglich die Eignung, als Rechtsträger einer solchen, hier erst zu schaffenden Erwerbsgelegenheit aufzutreten.

Dem Rekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

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