OGH 9ObA2/95(9ObA3/95, 9ObA4/95)

OGH9ObA2/95(9ObA3/95, 9ObA4/95)8.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayr und Walter Darmstädter als weitere Richter in den Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Gertraud B*****, Arbeiterin, ***** 2. Karl Robert K*****, Arbeiter, ***** 3. Michael K*****, Arbeiter, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Theodor S*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr.Alexander Brauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. 40.971 S brutto abzüglich 13.749,89 S netto, 2. 94.452,21 S brutto abzüglich 31.061,33 S netto, und 3. 12.875 S brutto abzüglich 4.235,88 S netto, jeweils sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Juni 1994, GZ 31 Ra 35/94-40, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25.September 1992, GZ 4 Cga 1545,1546,1547/90-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 9.762,12 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.627,02 S Umsatzsteuer) sowie die mit 12.999,36 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 6.000 S Barauslagen und 1.166,56 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, und zwar die Erstklägerin 6.259,41 S, der Zweitkläger 14.567,35 S und der Drittkläger 1.934,72 S.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 23.November 1987 wurde über das Vermögen der V***** GmbH (im folgenden V***** GmbH) der Konkurs eröffnet. Der Beklagte wurde zum Masseverwalter bestellt. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung waren die Kläger Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin. Diese Dienstverhältnisse wurden kurz nach Konkurseröffnung beendet. Im Jänner 1988 stellte der Beklagte (als Masseverwalter) die Kläger und andere Arbeitnehmer, die zum Fortbetrieb des Unternehmens erforderlich waren, neu ein. Die Einstellungsgespräche wurden nicht vom Beklagten, sondern mit seiner Ermächtigung vom früheren Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Franz K***** geführt. Schon vor der Konkurseröffnung gab es Gespräche mit der V***** AG als Kaufinteressentin. Im Rahmen eines stillen Ausgleiches hätte die V***** AG 80 % der Anteile an der V***** GmbH um 3,000.000 S erworben; mit diesem Betrag wäre damals eine Fortführung des Unternehmens möglich gewesen. Da sich die Zahlung dieses Betrages verzögerte, stellte schließlich ein Gläubiger den Konkursantrag. Danach wurden die Gespräche mit einem Tochter- bzw Schwesterunternehmen des V***** Verlages, der M***** GmbH, geführt. Es sollte eine Auffanggesellschaft gegründet werden, die die Masse erwerben und das Unternehmen fortführen sollte. Hiebei wurde ein Kaufpreis von 4,8 Mio S besprochen. Der Finanzbedarf der Gemeinschuldnerin war im Zeitraum zwischen dem Gespräch mit der V***** AG bis zu den Gesprächen mit der M***** GmbH etwas höher geworden, aber nicht auf 4,8 Mio S gestiegen. Dieser Betrag war erforderlich, weil auch die Auffanggesellschaft mit Kapital ausgestattet werden mußte. Die Gespräche mit der M***** GmbH wurden so konkret, daß im Mai 1988 ein Termin beim Notar zur Unterfertigung der Verträge vereinbart wurde. Dieser Termin platzte, weil die M***** GmbH dann doch das Unternehmen der Gemeinschuldnerin nicht kaufte. Da damit die Bedingungen des von den Gläubigern angenommenen Zwangsausgleiches nicht erfüllt werden konnten, wurde ihm vom Konkursgericht im Mai 1988 die Bestätigung versagt. Die von Dr.Rudolf H***** als vom Konkursgericht zur Klagsführung bestelltem besonderem Verwalter gegen die M***** GmbH eingebrachte Klage auf Zahlung von 4,2 Mio S wurde rechtskräftig abgewiesen. Nach Versagung der Bestätigung des Zwangsausgleiches verschlechterte sich zwar die Auftragslage, es waren aber noch Aufträge vorhanden, der wesentliche Kundenstock blieb der Gemeinschuldnerin erhalten und das Unternehmen wurde weitergeführt. In den Monaten Juni, Juli und August 1988 suchte Franz K***** andere Kaufinteressenten. Vor Juli 1988 war nicht absehbar, daß das Unternehmen nicht noch günstig zu veräußern sei. Im August 1988 verblieb aber nur mehr ein einziges Anbot in der Höhe von 500.000 S. Das Unternehmen wurde um diesen Preis veräußert. Die Kläger wurden - im Zeitraum vom 29.Juli bis 5.August 1988 über Verlangen des Käufers, der sie sodann wieder einstellte - am (richtig: zum) 21.August 1988 gekündigt. Aus dem Kaufpreis konnte neben den laufenden Entgelten nur noch ein Teil der Sonderzahlungen beglichen werden.

Die Erstklägerin begehrte 40.971 S brutto abzüglich 13.749,89 S netto, der Zweitkläger 94.452,21 S brutto abzüglich 31.061,33 S netto und der Drittkläger 12.875 S brutto abzüglich 4.235,88 S netto jeweils an restlicher Urlaubsentschädigung. Die klagenden Parteien brachten vor, sie seien vom Beklagten in seiner Funktion als Masseverwalter über das Vermögen V***** GmbH, bei der sie bereits früher als Arbeiter tätig gewesen seien, ab 22.Jänner 1988 mit der Vereinbarung eingestellt worden, daß ihnen sämtliche Vordienstzeiten für die Urlaubs- und Abfertigungsansprüche angerechnet würden. Die Dienstverhältnisse seien vom Beklagten zum 21.August 1988 aufgekündigt worden. Die Konkursmasse habe zur Deckung der Entgeltansprüche, die anläßlich der Beendigung der Arbeitsverhältnisse fällig geworden seien, nicht mehr ausgereicht. Der Beklagte habe gemäß § 81 Abs 3 KO allen Beteiligten die Schäden zu ersetzen, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes zugefügt habe. Der Beklagte habe Arbeitsverhältnisse mit den Klägern nur dann eingehen dürfen, wenn hinreichend Mittel zur Begleichung der Entgelte vorhanden gewesen wären. Der Beklagte habe offenbar pflichtwidrig nicht damit gerechnet, daß im Falle der Beendigung der Arbeitsverhältnisse über das laufende Entgelt hinaus Zahlungen zu leisten seien. Der Beklagte hätte nach dem Platzen der Verkaufsverhandlungen mit der V***** AG das Unternehmen nicht fortführen dürfen und die Dienstverhältnisse sofort lösen müssen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeitsverträge mit den klagenden Parteien sei der Fortbetrieb des Unternehmens der Gemeinschuldnerin voll in Gang gewesen. Es seien Umsätze erwirtschaftet worden, aus denen zumindest die laufenden Löhne problemlos zu decken gewesen seien. Die ursprünglich bereits weit fortgeschrittenen Gespräche mit Kaufinteressenten seien letztlich gescheitert, weil diese nicht mehr bereit gewesen seien, die mündlich abgeschlossenen Verträge zuzuhalten. Danach seien die Umsätze zurückgegangen und sei es nicht mehr möglich gewesen, einen lukrativen Kaufpreis zu erzielen. Der Beklagte habe das Unternehmen sodann um den äußerst geringen Kaufpreis von 500.000 S veräußern und die Dienstverhältnisse mit sämtlichen klagenden Parteien aufkündigen müssen. Wären die Arbeitsverhältnisse nicht bis zum Kündigungszeitpunkt aufrechterhalten worden, hätte der Beklagte nicht einmal diesen Kaufpreis erzielen können; er habe daher pflichtgemäß im Sinne einer Interessenwahrung der allgemeinen Gläubigerschaft gehandelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil dem Beklagten eine pflichtwidrige Führung seines Amtes als Masseverwalter nicht angelastet werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien Folge, änderte das Ersturteil im Sinne der Stattgebung der Klagebegehren ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, die Kläger hätten im Hinblick darauf, daß ein Rechtsanwalt das Unternehmen als Masseverwalter weitergeführt habe, davon ausgehen können, daß ihre Entgeltansprüche gesichert seien. Der Beklagte hätte die von ihm wieder eingestellten Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin auf die Risken und Gefahren der Tätigkeit bei einem im Konkurs befindlichen Unternehmen hinweisen müssen, insbesondere auf die nicht allumfassende Sicherung ihrer Ansprüche nach dem IESG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung der Klagebegehren abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 81 Abs 3 KO ist der Masseverwalter allen Beteiligten für Vermögensnachteile verantwortlich, die er ihnen durch die pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht. Beteiligte im Sinne dieser Gesetzesstelle sind auch die Massegläubiger (siehe JBl 1987, 53; RZ 1988/53; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 171; Welser, Sachverständigenhaftung und Insolvenzverfahren NZ 1984, 92 ff [97]; Bydlinski, Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen, JBl 1986, 626 ff [638]). Da die klagenden Parteien ihre Ansprüche nicht aus der Schädigung der Masse und damit des gemeinsamen Befriedigungsfonds aller Konkursgläubiger ableiten, ist für ihre Durchsetzung jedenfalls der Rechtsweg zulässig (siehe 9 Ob A 237/91 sowie Welser aaO 99).

Die klagenden Parteien leiten ihre Schadenersatzansprüche daraus ab, daß der Beklagte das Unternehmen fortgeführt und die Arbeitsverhältnisse mit den klagenden Parteien begründet und fortgesetzt habe, obwohl nicht hinreichend Mittel zur Begleichung der Entgelte einschließlich der beendigungsabhängigen Ansprüche vorhanden gewesen seien.

Mit dieser Frage hat sich, soweit überblickbar, der Oberste Gerichtshof noch nicht auseinandergesetzt. Gegenstand der Entscheidung 9 Ob A 106/92 = ARD 4404/4/92 war zwar auch die Haftung des Masseverwalters für offenes Arbeitsentgelt bei unzureichender Konkursmasse, doch wurde dort vom Kläger eine Pflichtverletzung des Masseverwalters nicht einmal behauptet, so daß aus dieser Entscheidung für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen ist. In der österreichischen Literatur haben zur speziellen Frage der Haftung des Masseverwalters für den den Massegläubigern infolge Betriebsfortführung entstandenen Schaden Fenzl und W.u.E.Völkl unter Bezugnahme auf die deutsche Judikatur und Literatur Stellung genommen (in "Die Haftung der rechtsberatenden Berufe im Spiegel der Rechtsprechung", ÖJZ 1983, 267; ÖJZ 1986, 419 f; ÖJZ 1989, 522 f) und die ältere Judikatur des BGH als die Haftung des Masseverwalters aus einer "ex post" Betrachtung des Sachverhaltes überspannend kritisiert. Dadurch würden an den Masseverwalter, der das Risiko der Betriebsfortführung in der dankenswerten Absicht, den eingetretenen Schaden zu minimieren, auf sich genommen habe, Anforderungen als Betriebsmanager gestellt, die weder nach sonstigen schadenersatzrechtlichen noch gar nach dienstnehmerrechtlichen Grundsätzen an Organe und Manager von Betrieben gestellt würden. In Fortsetzung dieser Artikelreihe (in ÖJZ 1991, 617 ff [625 f]) referieren W.u.E.Völkl zustimmend die neuere Judikatur des BGH, wonach der Masseverwalter den Massegläubigern, zu deren Befriedigung die Masse nicht ausreiche, nur dann persönlich hafte, wenn er das Unternehmen nicht sofort liquidiert, sondern weitergeführt habe, obwohl festgestanden sei, daß es nicht wenigstens seinen Aufwand erwirtschaften werde. Zur Frage der Haftung des Masseverwalters bei Betriebsfortführung nimmt auch Harrer (in Aicher/Funk, Der Sachverständige im Wirtschaftsleben [1990], 193 ff) Stellung. Er geht davon aus, daß die Zulässigkeit der Unternehmensfortführung im Konkurs das Ergebnis eines Kompromisses ist. Ein zahlungsunfähiges Unternehmen dürfe fortgeführt werden, weil dadurch möglicherweise Arbeitsplätze erhalten blieben und unter Umständen der Ausfall der Gläubiger verringert werde. Ob diese Ziele der Unternehmensfortführung auch realisiert würden, wisse ex ante niemand. Deshalb sei es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn man den Masseverwalter für dieses Risiko haften lasse. Niemand sei gezwungen, mit einem im Konkurs befindlichen Unternehmen Geschäfte abzuschließen. Wer dies tue, gehe ein Risiko ein. Unter Bezugnahme auf die neuere Judikatur des BGH und die grundsätzlichen Ausführungen von Fritz Baur (in "Beiträge zum materiellen Recht und Verfahrensrecht" [1986], 377 ff) lehnt daher Harrer die Haftung des Masseverwalters gegenüber den mit ihren Ansprüchen unbefriedigt bleibenden Massegläubigern grundsätzlich ab und bejaht sie nur für den Fall, daß der Masseverwalter weiß, daß die Forderungen der Geschäftspartner im Massevermögen keine Deckung finden werden.

Nach dem dem § 81 Abs 3 KO weitgehend entsprechenden § 82 dKO ist der Konkursverwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich. Fritz Baur gelangt aaO 384 ff zum Ergebnis, daß § 82 dKO nur die Haftung des Konkursverwalters gegenüber den Interessenträgern festlege, zu denen nicht nur der Gemeinschuldner, sondern auch die Konkursgläubiger, die Aus- und Absonderungsberechtigten sowie die Massegläubiger gehörten; die Tätigkeit des Konkursverwalters sei anders als etwa die eines sonstigen Interessenvertreters, wie etwa des Vormundes, mehrseitig fremd bestimmt. Dies bedeute aber nicht, daß der Beteiligtenbegriff über die Verfahrensbeteiligten hinaus nahezu uferlos ausgedehnt werden dürfe, und zwar dahin, daß Beteiligter jeder sei, der in den Pflichtenkreis des Konkursverwalters gerate, gleichgültig, ob es sich um typische Konkursverwalterpflichten handle oder um Pflichten, die jedem im Rechtsverkehr agierenden oblägen. Dies führe dazu, daß den Konkursverwalter bei Abschluß von Verträgen mit Neugläubigern oder mit Konkursgläubigern, die dem Weiterbetrieb des Unternehmens dienten, keine weitergehenden Pflichten träfen, als jeden anderen Interessenvertreter auch.

In der grundlegenden Entscheidung vom 4.Dezember 1986, BGHZ 99, 151 hat der BGH zwar daran festgehalten, daß der Begriff des Beteiligten im Sinne des § 82 dKO weiter zu fassen sei, aber die darin genannten Pflichten auf die sich aus der KO ergebenden konkursspezifischen Pflichten beschränkt. Dazu gehörten nicht Pflichten, die dem Verwalter der Konkursmasse wie jedem Vertreter fremder Interessen gegenüber seinem Geschäftspartner vor oder bei Vertragsabschluß oblägen. Eine geplante Veräußerung des Betriebes, die häufig eine günstigere Verwertung als eine Zerschlagung und zudem die Erhaltung von Arbeitsplätzen verspreche, erfordere oft, das Unternehmen nach der Konkurseröffnung weiterzuführen. Daher sei nicht nur die sofortige Liquidation, sondern auch die Fortführung des Unternehmens zwecks besserer Verwertung vom Konkurszweck gedeckt. Dies gelte auch dann, wenn der Konkursverwalter, die Gläubigerversammlung und der Gläubigerausschuß nicht sicher sein könnten, daß künftige Massegläubiger voll befriedigt werden, aber Aussicht bestehe, die Masseverbindlichkeiten zu tilgen, die notwendig dann entstünden, wenn der Betrieb etwa bis zu einer geplanten Veräußerung fortgeführt werden solle. In solchen Fällen erscheine es unbillig, den Konkursverwalter das Risiko des Scheiterns allein tragen zu lassen, indem er den Massegläubigern ihren etwaigen Ausfall als Schaden nach § 82 dKO ersetzen müsse. Gelinge der der Fortführung zugrundeliegende Plan, etwa eine übertragende Sanierung in die Wege zu leiten, nicht und könnten deshalb die Masseschulden und -kosten nicht voll getilgt werden, sei eine Haftung des Konkursverwalters gegenüber den Massegläubigern in der Regel nicht gerechtfertigt. Denn auch für sie seien die Risken, die mit der Fortführung eines zahlungsunfähigen oder überschuldeten Unternehmens notwendig verbunden seien, zu erkennen. Der Konkursverwalter sei allerdings verpflichtet, das Unternehmen des Gemeinschuldners nicht fortzuführen, sondern sofort zu liquidieren, sobald feststehe, daß er bei einer Fortführung erwachsende Masseverbindlichkeiten nicht mehr werde tilgen können, der Betrieb also nicht wenigstens einen Aufwand erwirtschaften werde. Ansonsten würde der Konkursverwalter, statt die Masse möglicherweise günstig zur gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger zu verwenden, weitere Schulden begründen und die Zahl der unbefriedigten Gläubiger vermehren und damit den Konkurszweck verfehlen. Verletze der Konkursverwalter diese konkursspezifische Pflicht, hafte er den Massegläubigern nach § 82 dKO für ihren Vermögensschaden, wenn er erkannt habe oder bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, daß er die aus der Masse zu erfüllenden Verbindlichkeiten nicht werde tilgen können.

Karsten Schmidt unterscheidet in seiner positiven Besprechung dieser Entscheidung (Die Konkursverwalterhaftung aus unzulässiger Unternehmensfortführung und ihre Grenzen, NJW 1987, 812 ff) zwischen der Innenhaftung des Konkursverwalters für den der Masse entstehenden Gesamtgläubigerschaden und der Haftung gegenüber neuen Vertragspartnern im Außenverhältnis aus dem Rechtsgrund der culpa in contrahendo. Eine Haftung gegenüber Neugläubigern bestehe demnach dann, wenn der Konkursverwalter noch kontrahiere, nachdem im Sinne eines an Sicherheit grenzenden Prognoseurteils feststehe, daß er die bei der Fortführung erwachsenden Masseverbindlichkeiten nicht werde tilgen können. In der Phase davor, in der die vollständige Befriedigung der Masseforderungen zwar noch möglich, aber schon gefährdet sei, stelle sich die Frage, ob sich der Konkursverwalter einzelnen Massegläubigern gegenüber haftpflichtig mache, wenn er mit ihnen Verträge schließe, ohne auf die Unsicherheit einer vollständigen Befriedigung hinzuweisen. Gegen eine solche Aufklärungspflicht bestünden Bedenken, weil es dem Konkursverwalter nicht zugemutet werden könne, jeden Neugläubiger vor der Gefahr einer Masselosigkeit zu warnen, während er das Unternehmen zulässigerweise fortführe.

Wie insbesondere die Einführung des Vorverfahrens und des § 11 Abs 2 KO mit dem IRÄG 1982 zeigt, ist der österreichische Gesetzgeber bestrebt, der Wertzerstörung durch konkursmäßige Liquidation von Unternehmen und den damit verbundenen volkswirtschaftlich unerwünschten Folgen entgegenzuwirken und daher die Sanierung und Reorganisation von Unternehmen zu erleichtern (siehe RV 3 BlgNR 15. GP, 26 f sowie AB 1147 BlgNR 15.GP, 1 f). Die vom Gesetzgeber bevorzugte Fortführung von Unternehmen zur Vermeidung der mit der Liquidation verbundenen Wertzerstörung und zur Erhaltung von Arbeitsplätzen würde nun durch eine Überspannung der Haftung des Masseverwalters verhindert, sofern dieser schon dann, wenn zwar Aussicht besteht, die durch die Fortführung entstehenden Masseverbindlichkeiten zu tilgen, aber diesbezüglich keine völlige Sicherheit gegeben ist, für den den Neumassegläubigern erwachsenden Ausfall haften würde. Auch nach Auffassung des erkennenden Senates haftet der Masseverwalter daher nur dann für die Nichterfüllung der von ihm im Rahmen der Unternehmensfortführung begründeten Masseforderungen, wenn er bei Begründung dieser Verbindlichkeiten davon ausgehen mußte, daß er sie aus der Masse nicht mehr werde tilgen können. Da - wie der BGH in der obzitierten Entscheidung zutreffend dargelegt hat - jeder, der mit einer Konkursmasse kontrahiert oder für diese Leistungen erbringt, die Risken, die mit der Fortführung eines zahlungsunfähigen oder überschuldeten Unternehmens notwendig verbunden sind, erkennen kann, ist bei im Hinblick auf die gegebene Sanierungsmöglichkeit zulässiger Unternehmensfortführung eine besondere Warnpflicht des Masseverwalters gegenüber den Vertragspartnern der Masse mit Karsten Schmidt (aaO 815) zu verneinen (vgl auch RZ 1988/53).

Da im vorliegenden Fall immerhin bis Mai 1988 ein Kaufinteressent vorhanden war, der einen die bis dahin aufgelaufenen Masseverbindlichkeiten weit übersteigenden Kaufpreis bot und sich erst im Juli 1988 endgültig herausstellte, daß das Unternehmen nicht mehr annähernd so günstig zu veräußern war, andererseits aber bei sofortiger Liquidation wohl nicht einmal der schließlich erzielte Kaufpreis zu realisieren gewesen wäre, kann eine Haftung des Beklagten daraus, daß er die Arbeitsverhältnisse der klagenden Parteien erst Ende Juli bzw Anfang August 1988 kündigte, nicht abgeleitet werden.

Der Revision war daher im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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