OGH 13Os15/95(13Os16/95)

OGH13Os15/95(13Os16/95)1.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Jürgen H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung (die auch gemäß § 498 Abs 3 StPO als Beschwerde zu betrachten ist) des Angeklagten sowie über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21.September 1994, GZ 29 Vr 1626/93-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch rechtskräftige Freisprüche vom Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg enthaltenden) Urteil wurde Jürgen H***** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1.) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 3 WaffenG (2.) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wendet sich gegen den Schuldspruch zu 1., der ihm anlastet, am 14.Mai 1993 Ulrike P***** durch die Äußerung, er bringe sie um und sprenge sie in die Luft, wenn sie jemanden etwas über vorangegangene sexuelle Handlungen sage, wobei er ihr ein Messer sowie eine Schreckschußpistole an den Hals hielt, zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung zu nötigen gesucht zu haben.

Die Beschwerde versagt.

Vorweggenommen sei, daß mit der in der Beschwerde wiederholt aufgestellten Forderung nach einem Mindeststandard für die Verläßlichkeit belastender Aussagen von Zeugen in Wahrheit eine Beweisregel reklamiert wird, die dem Strafverfahren (insbesondere unter sorgsamer Beachtung der in Art 6 MRK aufgestellten Grundsätze eines fairen, das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden Verfahrens; siehe § 281 Abs 1 Z 4 StPO) fremd ist und auf die Umgehung der Verpflichtung zur sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nach freier Überzeugung des Gerichtes (§ 258 Abs 2 StPO) hinauslaufen würde. Wie die im Rahmen der Tatsachenrüge durchzuführende Überprüfung der diesbezüglichen Erwägungen des Schöffengerichtes (US 8 bis 15) anhand der Aktenlage ergab, sind die Tatrichter gerade dieser Verpflichtung mängelfrei nachgekommen.

Daraus ergibt sich, daß die in der Beschwerde erhobenen Einwände gegen die Feststellungen der Tatrichter zu entscheidenden Tatsachen im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht durchschlagen können. Denn das gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten hat keineswegs ergeben, das Opfer sei, entgegen seiner ursprünglichen Aussage, niemals gewürgt worden, sondern geht lediglich davon aus, daß es aus medizinischer Sicht nicht "zu einem Würgen im gerichtsmedizinischen Sinn" gekommen ist, jedoch die Möglichkeit besteht, daß Ulrike P***** ohne relevante Kompression am Halse gehalten wurde (S 146), womit das von ihr bekundete subjektive Empfinden über Attacken am Hals (allenfalls verbunden mit daraus resultierender Atemnot aus psychischen Gründen) nicht ausgeschlossen ist.

Die Feststellung des psychiatrischen Sachverständigen, aus der Sicht dieses medizinischen Fachgebietes seien die Darstellungen des Opfers kein Produkt einer ausschweifenden Phantasie (S 225) wiederum steht einerseits in keinerlei Widerspruch zu anderen aktenkundigen Verfahrensergebnissen, andererseits haben die Tatrichter diesen Umstand lediglich illustrativ als weiteren, nicht zur getroffenen Tatsachenfeststellung in Widerspruch stehenden Umstand herangezogen (US 14), welche sie aber nicht auf diese Aussage des psychiatrischen Sachverständigen sondern im wesentlichen auf die Übereinstimmung der Schilderung der Zeugin mit objektivierten Beweisergebnissen (festgestellten Verletzungsspuren durch die Attacken des Angeklagten am Körper seines Opfers sowie Tatortsituation und insbesondere Auffindungsort der von der Zeugin erwähnten Gegenstände am Tatort, siehe insbesondere US 11) gestützt haben.

Die desweiteren in der Beschwerde besonders betonten Aussagen anderer Zeugen über das frühere Sexualverhalten des Opfers lassen ebensowenig erhebliche Bedenken gegen die schöffengerichtlichen Feststellungen zu entscheidungswesentlichen Tatsachen aufkommen. Davon abweichende Darstellungen des Tatopfers hat das Erstgericht auf Grund des von ihm gewonnenen persönlichen Eindruckes aufgeklärt, sodaß intersubjektiv (also nach den Denkgesetzen sowie der allgemeinen menschlichen Erfahrung) keine erheblichen Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungsrelevanten Fragen entstehen konnten.

Soweit die Beschwerde letztlich durch die (urteilsfremde) Behauptung, Tatsachen seien widerlegt worden (denn das Urteil geht keineswegs davon aus, Ulrike P***** seien die Kleider vom Leib gerissen worden, sondern stellt ausdrücklich fest, daß der Angeklagte, nachdem er merkte, daß sie mit Küssen und "Schmusen" einverstanden war, sich selbst und die Zeugin auszog; US 6), lediglich die Glaubwürdigkeit der Zeugin bestreitet, verläßt sie den Rahmen der prozeßordnungsgemäßen Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, weil die für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen keineswegs in dem Vorbringen bestehen kann, das Erstgericht habe Beweisergebnisse unrichtig gewürdigt, weil auch der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung nicht gestattet (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 4).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen und die zugleich gesondert erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft und jene des Angeklagten (§ 498 Abs 3 StPO) ergibt (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

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