OGH 5Ob505/95

OGH5Ob505/9528.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Guntram W*****, vertreten durch Dr.Karl G.Aschaber ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Hofrat Mag.Dieter J*****, und 2.) Mag.Dr.Ilse J*****, beide vertreten durch Dr.Bernt Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Duldung (Streitwert S 80.000,-) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. November 1994, GZ 3 R 170/94-52, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 31.Mai 1994, GZ 12 Cg 145/93-48, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Rechtsstreit um die Anlegung eines Servitutsweges hat das Berufungsgericht die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, daß mangels einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur noch die Frage zu klären sei, unter welchen Voraussetzungen ein rechtswirksam begründetes, mangels geeigneter Weganlage aber noch nie ausgeübtes Fahrtrecht durch eine Freiheitsersitzung iSd § 1488 ABGB verjähren könne. Tatsächlich besteht aber bereits eine gefestigte Rechtsprechung zu den Grundsätzen einer solchen Freiheitsersitzung:

Während in der älteren Judikatur noch die Auffassung vertreten wurde, daß für die Widersetzlichkeit iSd § 1488 ABGB der Widerstand des Verpflichteten gegen eine tatsächlich ausgeübte Dienstbarkeit essentiell sei, weshalb eine nicht in Anspruch genommene Dienstbarkeit selbst bei Errichtung eines Hindernisses durch den Verpflichteten erst nach 30 (§ 1479 ABGB) oder 40 (§ 1472 ABGB) Jahren erlöschen könne (vgl MietSlg 19.024; SZ 37/107 ua; siehe Näheres bei Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegservitut, JBl 1983, 14 ff), genügt nach neuerer Judikatur (in Anlehnung an Welser, aaO) die Errichtung eines Hindernisses durch den Verpflichteten immer schon dann für den Beginn der (bloß dreijährigen) Freiheitsersitzung, wenn es die Ausübung der Servitut unmöglich macht und dem Berechtigten zur Kenntnis gelangt ist oder diesem bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte bekannt sein müssen (MietSlg 37.215 = SZ 58/98 mwN). Diesen neueren Judikaturgrundsätzen ist das Berufungsgericht ohnehin gefolgt, indem es den Beginn der Freiheitsersitzung mit jenem Zeitpunkt ansetzte, in dem die beklagten Parteien erstmals das Ansinnen des Klägers zurückwiesen, einen für die Ausübung seines Fahrtrechtes geeigneten Weg zu errichten. Für einen Fall wie dem gegenständlichen, der sich dadurch auszeichnet, daß der Ausübung des Fahrtrechtes durch den Berechtigten von Anfang an ein Hindernis entgegensteht, fordern nämlich Judikatur und Lehre übereinstimmend, daß es eines eigenen (zusätzlichen) Aktes der Widersetzlichkeit durch den Verpflichteten bedarf, um die Rechtsfolgen des § 1488 ABGB auszulösen (JBl 1960, 641; Welser aaO, 19 f; Schubert in Rummel2, Rz 2 zu § 1488 ABGB). Das konnte nach der hier maßgeblichen Sachlage nur ein ausdrückliches Verbot der Beklagten sein, die für die Ausübung des Fahrtrechtes unabdingbare Weganlage zu errichten; das Fahrtrecht selbst war ja zunächst unstrittig.

Ob ein Verbot den Tatbestand der Widersetzlichkeit iSd § 1488 ABGB erfüllt, läßt sich nur von Fall zu Fall entscheiden. Das Leugnen des Rechts - hier der Möglichkeit, überhaupt einen Weg errichten zu können, der den Ansprüchen der Schonung fremden Eigentums (§ 484 ABGB) genügt - reicht hiefür nicht aus (vgl Schubert aaO). Besonders abhängig von den konkreten Umständen ist die Abgrenzung zwischen verbalem Widerstand im "Streit ums Recht" und der sich in einem echten Verbot manifestierenden Inanspruchnahme der Eigentumsfreiheit (vgl Welser aaO, 19). Die hier zu treffende Entscheidung, wann sich die festgestellten ablehnenden Äußerungen der beklagten Parteien zu den verschiedenen Wegprojekten des Klägers zu einem eindeutigen und unbedingten Verbot des Befahrens ihrer Liegenschaft verdichtet haben, bot demnach einen Beurteilungsspielraum, der mit der Wertung des Berufungsgerichtes, eine Widersetzlichkeit der beklagten Parteien sei nicht vor März 1991 anzunehmen, weil die Streitteile bis zu diesem Zeitpunkt noch verschiedene Wegvarianten diskutierten, nicht verlassen wurde. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Behauptungs- und Beweislast für die Freiheitsersitzung bei den beklagten Parteien lag (MietSlg 38.246 ua). Ein gravierender Fehler in der rechtlichen Beurteilung, der gemäß § 502 Abs 1 ZPO Voraussetzung für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes in Wertungsfragen wäre (vgl EWr II/26/11; WoBl 1993, 80/59; EvBl 1993/59 ua), ist somit nicht zu erkennen.

Auch alle sonst noch in der vorliegenden Revision aufgeworfenen Rechtsfragen erreichen nicht den für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Grad der Erheblichkeit nach § 502 Abs 1

ZPO:

Da bei der Beurteilung der Utilität einer Grunddienstbarkeit nach § 472 ABGB kein besonders strenger Maßstab anzulegen ist und die Zwecklosigkeit den Rechtsbestand der Dienstbarkeit vernichten könnte (RPflSlgG 955; SZ 43/117; NZ 1973, 124 ua), sind mit der Feststellung der Vorinstanzen, daß das streitgegenständliche Fahrtrecht der bequemeren Nutzung des klägerischen Grundstücks dient (S 19 der ON 52) alle diesbezüglichen Zweifel ausgeräumt. Die daran anschließenden Erörterungen über Art und Umfang des vom Kläger zu beanspruchenden Weges bzw der von den Beklagten hiefür bereitzustellenden Grundfläche betreffen die Auslegung des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages, da hiefür der Inhalt des Titels sowie Natur und Zweck der Dienstbarkeit maßgeblich sind (SZ 53/149; SZ 56/60; MietSlg 38.034 ua). Derartige Auslegungsfragen sind, wenn sie - wie hier - nur für den konkreten Fall bedeutsam sind und ohne gravierenden Verstoß gegen Interpretationsregeln gelöst wurden, nicht revisibel (MietSlg 38/32 uva). Ob Bauvorschriften der Verwirklichung des konkreten Wegprojekts entgegenstehen, ist allein von der Baubehörde zu prüfen.

Ebenfalls dem nicht revisiblen Bereich der Vertragsauslegung zuzurechnen ist das Problem, ob der Kläger für die Errichtung des Servitutsweges die mit dem dienenden Grundstück 1210/5 vereinigte (16 m2 große) Teilfläche 9 aus dem Grundstück 3669 beanspruchen kann. Diese Fläche war nämlich Teil eines öffentlichen Weges, sodaß der Schluß naheliegt, daß die Fortdauer ihrer (allgemeinen) Benützbarkeit Vertragsgrundlage des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages war. Eine Lösung, die die strittige Fläche als "Zufahrt zum streitgegenständlichen Servitutsbereich" vorsieht, läßt sich daher durch ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigen.

Der letztlich noch gerügte Feststellungsmangel, es bedürfe einer genaueren Beschreibung der dem Kläger zugestandenen Weganlage, um die Streitsache erschöpfend erörtern und beurteilen zu können (gemeint ist offensichtlich auch hier das Problem der weitestgehenden Schonung des Grundstückes der beklagten Parteien), liegt schon deshalb nicht vor, weil die Lösung mit dem minimalsten Raumbedarf gewählt wurde. Gravierende Lücken im entscheidungswesentlichen Sachverhalt, die der Oberste Gerichtshof mangels sonstiger erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO für sich allein aufgreifen müßte, weil sie die Rechtssicherheit gefährden, sind unter diesen Umständen nicht erkennbar.

Mangels Bindung an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) war daher die Revision wegen Fehlens erheblicher Rechtsfragen unter Beschränkung auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe gemäß §§ 502 Abs 1, 510 Abs 3 letzter SatzZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 46 Abs 2, 50 ZPO. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang nur, daß der Kläger rechtzeitig eine Revisionsbeantwortung erstatte und in ihr auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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