OGH 1Ob532/95

OGH1Ob532/9527.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Vormundschaftssache des mj.Gregor S*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Roland Z*****, vertreten durch Dr.Stefan Eigl, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24.November 1994, GZ 18 R 593/94-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 21.Juli 1994, GZ 2 P 9/88-16, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Erhöhung des ab 1.2.1994 vom Vater monatlich zu leistenden Unterhalts auf S 1.500,-- richtet, wird er zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluß, der hinsichtlich der Abweisung eines monatlichen Unterhaltsmehrbegehrens von S 600,-- ab 1.2.1994 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Vergleich vom 18.1.1988 verpflichtete sich der Vater, zum Unterhalt des Kindes ab 26.12.1987 monatlich S 1.000,-- zu bezahlen (AS 8). Am 8.3.1994 beantragte der mit der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche betraute Sachwalter die Erhöhung des vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrags ab 1.2.1994 auf S 3.000,-- (AS 19). Der Vater erklärte sich bereit, ab 1.2.1994 monatlich S 1.500,-- an Unterhalt zu bezahlen, das Mehrbegehren sei aber abzuweisen, weil er zu einer höheren Leistung aufgrund seines Einkommens und seiner Sorgepflichten für zwei eheliche Kinder nicht in der Lage sei.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater monatlich zu leistenden Unterhalt dem Antrag des Sachwalters entsprechend. Der Vater habe im Jahre 1993 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Kupferschmied, einer Vortragstätigkeit und aus nichtselbständiger Tätigkeit bezogen. Sein Einkommen habe S 148.716,54 netto betragen. An Vermögen sei zum 31.12.1993 ein Betrag von S 56.252,07 vorhanden gewesen. Der Vater sei verheiratet, seine Gattin führe ein Gasthaus. Er habe für zwei weitere (eheliche) Kinder im Alter von 6 und 17 Jahren zu sorgen. Die Mutter leiste ihren Beitrag zu den Bedürfnissen des Kindes durch deren Pflege und Erziehung. Der erhöhte Unterhaltsbeitrag sei dem Vater „gerade noch zuzumuten“. Mit dem verbleibenden monatlichen Einkommen von etwa S 9.300,-- könne er gerade noch seinen eigenen Unterhalt und den seiner ehelichen Kinder decken.

Das Rekursgericht änderte infolge eines vom Vater erhobenen Rekurses die erstinstanzliche Entscheidung teilweise ab und verpflichtete den Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 2.400,-- ab 1.2.1994. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Der sogenannte Regelbedarfssatz für das nunmehr siebenjährige Kind belaufe sich auf S 2.940,- -. Unter Bedachtnahme auf die den Vater treffenden Sorgepflichten stünde dem Minderjährigen ein Unterhalt im Ausmaß von 15 % des väterlichen Einkommens zu. Da der Vater im Betrieb seiner Gattin arbeite, sei vom ortsüblichen Einkommen auszugehen, und liege das von einem Kellner erzielbare Einkommen bei etwa S 14.000,- -. Diesem (erzielbaren) Einkommen sei ein monatlicher Betrag von etwa S 1.700,-- an Einkünften aus der Vortragstätigkeit des Vaters hinzuzurechnen. Bei einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 15.700,-- sei der Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von S 2.400,-- in der Lage, wobei das vormalige Einkommen als Kupferschmied (bis Ende 1993) zur Gänze außer acht gelassen werde.

Zur Bezahlung eines erhöhten monatlichen Unterhalts im Betrage von S 1.500,-- ab 1.2.1994 hat sich der Vater ausdrücklich bereit erklärt (Seite 2 des Protokolls vom 22.3.1994 = AS 38). Durch die diesbezügliche Erhöhung ist der Vater nicht beschwert, sein Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist insoweit berechtigt, als er zur spruchgemäßen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt.

Richtig ist, daß bei der Unterhaltsbemessung von einem „ortsüblichen“ Einkommen auszugehen ist, wenn der Unterhaltspflichtige mit geringerem Einkommen als üblich in einem Familienbetrieb arbeitet (EF 68.036). Im vorliegenden Fall hat der Sachwalter nie vorgebracht, der Vater würde sich mit einem geringeren als dem ortsüblichen Einkommen zufriedengeben, er sei also auf ein höheres als das von ihm tatsächlich erzielte Einkommen anzuspannen. Derartiges wurde von den Vorinstanzen auch nie erörtert. Vielmehr hat das Rekursgericht ohne jede weitere Begründung ausgeführt, daß bei Arbeiten, die in einem Familienbetrieb geleistet werden, vom ortsüblichen Einkommen auszugehen sei. Soweit es ohne jede Begründung ausführt, das erzielbare Einkommen eines Kellners liege bei etwa S 14.000,- -, stellt dies eine, konkret nicht überprüfbare Feststellung dar. Daran kann auch das Zitat EF 68.073, wonach gegen die Annahme, ein Kellner könne im Monat durchschnittlich S 14.000,-- netto verdienen, keine Bedenken bestünden, nichts ändern. Ebenso gibt es nämlich Rechtsprechung, die zum Ausdruck bringt, daß ein Kellner im Monat durchschnittlich andere - niedrigere - Beträge verdienen könne (EF 68.069 ff). Es bedarf vielmehr einer Begründung, warum ein Kellner, der im Wohnort des Vaters oder in dessen Umfeld lebt, üblicherweise mit einem derartigen Einkommen rechnen darf. Das Rekursgericht hat seiner Entscheidung Tatsachen zugrundegelegt, die unüberprüfbar sind und zu denen sich der Vater auch nicht äußern konnte. Es ist zwar im Rahmen der Beweiswürdigung zulässig, Erfahrungssätze zur Tatsachenfeststellung heranzuziehen, doch darf nicht von geschätzten Durchschnittswerten ausgegangen werden, wenn nicht feststeht, ob ein Sachverhalt vorliegt, der eine solche Durchschnittsbetrachtung überhaupt rechtfertigt. Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen (RZ 1993/65; EvBl 1992/54; ÖAV 1992, 145; SZ 64/1). Schon aus diesem Grunde muß die Entscheidung des Rekursgerichtes, weil es sich mit dem tatsächlich erzielten Einkommen des Vaters nicht befaßt hat, im bekämpften Umfang der Aufhebung anheimfallen.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum das Rekursgericht lediglich ein monatliches Durchschnittseinkommen des Vaters im Betrage von etwa S 1.700,-- aus seiner Vortragstätigkeit annimmt. Die Höhe dieses Einkommensbestandteils wird nicht begründet. Aus der Anlage I des im Akt erliegenden Gutachtens ON 12 ist vielmehr zu entnehmen, daß der Vater im Jahre 1993 aus seiner Vortragstätigkeit S 29.461,67 ins Verdienen brachte, was einem monatlichen Einkommen von S 2.455,14 entsprach.

Das Rekursgericht hat sich auch nicht damit auseinandergesetzt, daß der Vater zum 31.12.1993 nach den Feststellungen des Erstgerichtes ein (erspartes) Vermögen von S 56.252,07 hatte (S.3 der erstinstanzlichen Entscheidung). Es wird auszuführen sein, ob der Vermögensstamm des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen ist, weil der Vater die notwendigen Unterhaltsleistungen allenfalls nicht aus dem laufenden Einkommen erbringen kann (4 Ob 557/94; RZ 1991/70; SZ 54/52).

Das Rekursgericht hat nicht begründet, warum es das „frühere Einkommen des Unterhaltspflichtigen als Kupferschmied“ zur Gänze unberücksichtigt ließ. Zutreffend ist, daß der Vater nur bis Ende 1993 Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Kupferschmied bezogen hat. Die Aufgabe dieser Einkommensquelle begründete der Vater damit, daß ihm die Doppelbelastung zuviel geworden sei, bzw habe er „nicht mehr entsprechend als freischaffender Kupferschmied seine Arbeiten machen können“ (S.1 des Protokolls vom 22.3.1994 = AS 37). Grundsätzlich haben aber Eltern alle persönlichen Fähigkeiten, also ihre Leistungskraft, unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und ihres Könnens auszuschöpfen. Veränderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit der Einschränkung seiner Unterhaltspflicht verbunden wären, darf ein Vater nur soweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage auch ein pflichtbewußter Familienvater in aufrechter Ehe getan hätte (1 Ob 502/94; JBl 1994, 830; RZ 1994/18; ÖA 1993, 108; 4 Ob 557/94; RZ 1991/70). Ob im Sinne dieser Ausführungen der Vater berechtigt war, seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Kupferschmied aufzugeben (monatlich etwa S 550,- -), bedarf daher einer näheren Begründung.

Es entspricht der Lebenserfahrung, daß ein Kellner Trinkgeld bezieht. Im vorliegenden Fall weist das Lohnkonto des Vaters, das aktenkundig ist (AS 25 bis 29) monatliche Trinkgeldbeträge von S 1.000,-- auf. Diese Trinkgelder scheinen im Gutachten des Sachverständigen (ON 12) nicht berücksichtigt zu sein. Sie wurden von den Vorinstanzen völlig außer acht gelassen. Bei der amtswegigen Ermittlung des vom Vater erzielten Einkommens wird auch darauf Bedacht zu nehmen und der Vater zu einer entsprechenden Stellungnahme zu verhalten sein.

Wenn der Vater erstmals im Revisionsrekurs darauf verweist, daß sich das Kind nicht in Pflege der Mutter befinde, so handelt es sich hiebei um eine auch im außerstreitigen Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung (1 Ob 550/94 mwN). Es wurde im erstinstanzlichen Verfahren und auch im Rekurs des Vaters gegen den Beschluß der ersten Instanz nie vorgebracht, daß die Mutter das Kind nicht tatsächlich betreute, vielmehr hat der Vater im Rekurs ausdrücklich erklärt, daß sich aus dem Akteninhalt ergebe, daß die Mutter mit dem Minderjährigen einen eigenen Haushalt führe (S.2 f des Rekurses = AS 70 f).

Insgesamt erweist sich der Revisionsrekurs aber als teilweise berechtigt, das Rekursgericht wird - nach allfälliger Verfahrensergänzung - neuerlich zu entscheiden haben.

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