OGH 5Ob506/95

OGH5Ob506/9521.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Gesellschaft m.b.H., Internationale Spedition, ***** vertreten durch Dr.Leo Häusler und Dr.Johann Grasch, Rechtsanwälte in Leibnitz, und ihrem Nebenintervenienten Franz Josef G*****, Transportunternehmer, ***** vertreten durch Dr.Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Fa. Peter *****, Handelsunternehmen, ***** vertreten durch Dr.Kurt Fassl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 60.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgericht vom 14.Juli 1994, GZ 2 R 228/94-41, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Graz vom 25.April 1994, GZ 2 C 2884/92z-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Klagsforderung besteht mit S 60.000,-- samt 12 % Zinsen aus S 8.000,-- vom 5.10.1992 bis 6.10.1992, aus S 40.000,-- vom 7.10.1992 bis 11.10.1992 und aus S 60.000,-- seit 12.10.1992 zu Recht.

Die vom Beklagten in Ansehung einer Schadenersatzforderung von S 70.000,-- wegen verspäteter Ablieferung des am 11.9.1992 geladenen Frachtgutes erhobene Aufrechnungseinrede wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 60.000,-- samt 12 % Zinsen aus S 8.000,-- vom 5.10.1992 bis 6.10.1992, aus S 40.000,-- vom 7.10.1992 bis 11.10.1992 und aus S 60.000,-- seit 12.10.1992 zu zahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 60.862,96 (darin enthalten S 7.390,-- Barauslagen und S 8.912,16 Umsatzsteuer) sowie dem Nebenintervenienten die mit S 5.913,12 (darin enthalten S 985,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei sowie dem Nebenintervenienten die mit je S 10.871,04 (darin enthalten S 6.000,-- Barauslagen und S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat vom Beklagten mittels Mahnklage die Begleichung von sechs Fakturenforderungen begehrt, die sich auf insgesamt S 60.000,-- s. A. belaufen und "auftrags- und ordnungsgemäß erbrachte Speditionsleistungen" zum Gegenstand haben. Der Beklagte stellte diese Klagsforderung zwar der Höhe nach außer Streit, machte jedoch aufrechnungsweise eine Gegenforderung in gleicher Höhe geltend und beantragte deshalb die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens.

Die Gegenforderung des Beklagten wurde damit begründet, daß ihm die Klägerin anläßlich eines Bananentransportes von Wels nach Zagreb durch die verspätete Ablieferung des verderblichen Frachtgutes (am 14.9.1992 statt am 12.9.1992) einen Schaden von zumindest S 70.000,-- zugefügt habe. Zur Abwehr dieser Aufrechnungseinrede hat sich die Klägerin ua auf den in § 32 AÖSp enthaltenen Aufrechnungsausschluß berufen. Ansonsten ist für die Lösung der unmittelbar entscheidungsrelevanten Rechtsprobleme nur noch von Belang, daß die Klägerin vorbrachte, die wahre Ursache für den vom Beklagten geltend gemachten Schaden liege im zu hohen Reifegrad der Bananen bei Beginn des streitgegenständlichen Transports.

Den fraglichen Transport hatte Franz Josef G***** im Auftrag der Klägerin mittels Lkw durchgeführt. Auf Grund einer Streitverkündung trat er - im Stadium des Berufungsverfahrens - der Klägerin als Nebenintervenient bei.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang fest, bejahte aber auch den Rechtsbestand der vom Beklagten eingewendeten Gegenforderung in zumindest gleicher Höhe und wies daher das Klagebegehren in einem dreigliedrigen Spruch ab.

Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Der Beklagte betreibt ein Obst-Import- und Exportunternehmen; die Klägerin ist im Speditionsgewerbe tätig. Bezüglich der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Verträge kann nicht festgestellt werden, daß die Streitteile die Anwendung der Allgemeinen Österreichischen Spediteursbedingungen (AÖSp) ausdrücklich vereinbart hätten oder daß in den dem Beklagten zugegangenen Geschäftspapieren der Klägerin der Hinweis enthalten gewesen wäre, daß diese ihre Verträge nur unter Zugrundelegung der AÖSp schließt. Deren Anwendung wurde aber auch nicht ausgeschlossen.

Am Donnerstag, dem 10.9.1992, schloß der Beklagte mit der Klägerin einen Vertrag über den Transport von 18 t unreifen Bananen von Wels nach Zagreb. Der Vertragsabschluß erfolgte telefonisch; auf Seiten der Klägerin wurde der hiezu bevollmächtigte Willibald F***** tätig. Der Beklagte strebte bei diesem Gespräch zunächst eine Beladung am Morgen des nächsten Tages (Freitag) an; Willibald F***** konnte jedoch nur zusagen, daß der LKW zu Mittag an der Beladestelle sein werde. Der Beklagte war damit einverstanden. Es wurde weiters vereinbart, daß die Verzollung von der Fa. S***** in Spielfeld durchgeführt werden sollte und daß der Fahrer in Zagreb bei der Zollstation Zitnjak vom Empfänger der Ware, der Fa. A*****, bezüglich der Entladung weitere Anweisungen erhalten würde. Die Spedition S***** sollte auch den CMR-Frachtbrief ausstellen. Von der Verwendung eines Kühl-LKWs wurde einvernehmlich abgesehen.

Es kann nicht festgestellt werden, daß der 12.9.1992 ausdrücklich als Entladetermin vereinbart wurde.

Zur Bestätigung des Auftrags übermittelte Willibald F***** ein Fax (Beilage ./A). Ein bestimmter Entladetermin wird darin nicht genannt. F***** beauftragte seinerseits den Nebenintervenienten mit der Durchführung des Transports.

Der beim Nebenintervenienten beschäftigte Kraftfahrer Arnus V***** kam mit seinem LKW am Freitag gegen Mittag zur Beladestelle am Gelände der Fa. O*****. Der dort beschäftigte Gerald R***** wies ihn an, dem Beklagten telephonisch mitzuteilen, daß die Ladung unbedingt bereits am nächsten Tag in Zagreb sein müsse. Dazu gab er ihm einen Zettel mit dessen Telefonnummer. Den Fahrer wies er an, expreß zur Spedition nach Spielfeld zu fahren. Auch die Fa. S***** in Spielfeld war vom Beklagten informiert worden, daß die Ladung noch am Freitag Österreich verlassen sollte.

Arnus V***** fuhr mit dem LKW zum Gelände des Nebenintervenienten, wo er Freitag nachmittags eintraf. Statt einer Weiterfahrt führte der Nebenintervenient nicht mehr näher feststellbare Arbeiten am LKW durch, während Arnus V***** im Einvernehmen mit seinem Chef das Wochenende zu Hause in Slowenien verbrachte.

Ob Arnus V***** seinen Chef von Gerald R***** Auftrag informiert hat, kann nicht festgestellt werden.

In der Nacht von Sonntag auf Montag setzte Arnus V***** die Fahrt fort und kam gegen 23.00 Uhr nach Spielfeld. Dort wurde von der Spedition S***** die Ausfuhrverzollung durchgeführt und dem Fahrer der von der Spedition S***** ausgestellte CMR-Frachtbrief übergeben. Am Montag kam er um etwa 7.00 Uhr in Zagreb am Zollamt Zitnjak an, wo die Verzollung gegen 14.00 Uhr beendet war. Der Empfänger der Bananen hatte die Ware bereits am Samstag erwartet.

Bei Beginn der Entladung stellte sich dann heraus, daß ein Teil der Ladung aufgrund der langen Transportdauer verdorben war. Nach Öffnen der Kartons und Verpackungsfolien herrschte bei den Früchten eine Temperatur von etwa 54 Grad; einzelne Bananen begannen zu platzen. Der LKW wurde teilweise entladen und über Nacht im Freien stehen gelassen, weil eine Unterbringung im Kühlhaus nicht möglich war. Am nächsten Tag wurden noch einzelne Bananen verkauft.

Die Ware wurde in Gegenwart von Arnus V***** vom Empfänger begutachtet. Auf Betreiben des Empfängers vermerkte Arnus V***** auf dem Frachtbrief, daß die Ware am Samstag, dem 12.9.1992, in Zagreb hätte eintreffen sollen und daß der LKW am Samstag in Reparatur war. Daß diese Erklärung unter Druck abgegeben wurde, kann nicht festgestellt werden.

Die zur Untersuchung vorgewiesene Probe von Bananen waren zu 60 % überreif und daher für den menschlichen Genuß nicht geeignet.

Der ursprüngliche Wert der Ladung betrug etwa S 108.500,-; als Kaufpreis waren zwischen dem Beklagten und dem Empfänger S 110.000,-- vereinbart. Der Empfänger bezahlte letztlich nur einen Betrag von S 40.000,-.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, daß die allein strittige Gegenforderung des Beklagten nach den Regeln der CMR, subsidiär - gemäß § 36 IPRG - nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Nach Art 17 Abs 1 CMR hafte der Frachtführer ua für eine Überschreitung der Lieferfrist, wobei er gemäß § 3 CMR auch für Handlungen und Unterlassungen von Subfrächtern und deren Bediensteten einzustehen habe. Da eine ausdrückliche Lieferfristvereinbarung nicht festgestellt habe werden können, komme § 19 CMR zur Anwendung, wonach eine Überschreitung der Lieferfrist dann vorliegt, wenn die tatsächliche Beförderungsdauer unter Berücksichtigung aller Umstände die Frist überschreitet, die vernünftigerweise einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen ist (TranspR 1984,196). Ein sorgfältiger Frachtführer hätte nun angesichts der verderblichen Ware und der eindeutigen Anweisung des fachkundigen, für die Beladung verantwortlichen Zeugen R*****, der eine unverzügliche Durchführung des Transports verlangt hatte, zumindest beim Absender (Beklagten) nachfragen müssen, ob tatsächlich noch am Samstag nach Zagreb zu fahren sei. Dieser hätte dann eine formelle Weisung nach Art 12 CMR (mit den dort vorgesehenen Rechtsfolgen, insbesondere Erhöhung des Entgelts) erteilen können. Die Unterlassung dieser Nachfrage sei gem. Art 3 CMR unabhängig davon, ob sie persönlich dem Fahrer oder dem Nebenintervenienten zur Last fällt, jedenfalls der Klägerin zuzurechnen. Sie stelle ebenso wie das unter diesen Umständen völlig unangebrachte Stehenlassen des LKWs über das Wochenende einen gravierenden Sorgfaltsverstoß dar, sodaß die Beförderungsdauer jedenfalls jene Frist überschritten habe, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen sei. Angesichts der eindeutigen Anweisung an den Fahrer sei es auch irrelevant, daß frühere Transporte möglicherweise tatsächlich zwei volle Tage (jedoch nie, wie im vorliegenden Fall, drei, nämlich von Freitag bis Montag Mittag) gedauert hätte. Diesmal seien eben besondere Umstände vorgelegen, die eine Lieferfristüberschreitung iSv Art 19 CMR indizierten.

Aus diesem Grund hafte die Klägerin für den entstandenen Schaden, wobei die Entschädigung gem. Art 23 Abs 1 und Art 25 CMR in Höhe der Wertminderung gebühre. Die Haftungsbegrenzung von Art 23 Abs 5 CMR komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da sie nur reine Vermögensschäden (z.B. Preisverfall), nicht jedoch durch die Lieferverzögerung verursachte Güterschäden betreffe (TranspR 1984, 196). Da nach den Feststellungen eine Wertminderung von zumindest S 60.000,-- eingetreten sei, bestehe die Gegenforderung zumindest bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht.

Die AÖSp seien nur anzuwenden, wenn sie von den Vertragspartnern zumindest schlüssig vereinbart wurden (JBl 1984, 90); die Tatsache, daß sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden, reiche für die Anwendbarkeit nicht aus. Da eine ausdrückliche Vereinbarung nicht behauptet worden sei und Grundlagen für die Annahme einer schlüssigen Vereinbarung (Hinweise auf Geschäftspapieren) nicht hätten festgestellt werden können, sei nicht davon auszugehen, daß die AÖSp Vertragsinhalt wurden. Auch ein diesbezüglicher Handelsbrauch liege nicht vor (Koller, Transportrecht2 [1993], Rz 8 vor § 1 ADSp). Abgesehen davon sei das in § 32 AÖSp enthaltene beschränkte Kompensationsverbot bei Entscheidungsreife der Gegenforderung nicht anwendbar, da in diesem Fall aufgrund des Verfahrens ohnehin feststehe, daß ihr "ein Einwand nicht entgegensteht" (Koller, Transportrecht2, Rz 2 zu § 32 ADSp). Deswegen hätte der Klägerin auch die Anwendbarkeit der AÖSp nicht weitergeholfen.

Das von der Klägerin angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Nach österreichischem Recht komme den AÖSp keine normative Kraft zu; es bedürfe vielmehr eines besonderen Tatbestandes, der ihre Anwendbarkeit im Einzelfall auslöse. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung könne es zwar zur stillschweigenden Unterwerfung der Vertragsparteien unter die AÖSp kommen, doch bedürfe es nach herrschender Rechtsprechung der Behauptung und Feststellung konkreter Tatsachen, die auf eine solche Unterwerfung der Vertragsparteien unter die AÖSp schließen lassen (HS 11.874, 12.591, 12.592, 14.509). Solche Tatsachen seien im gegenständlichen Fall nicht festgestellt worden, sodaß von einer stillschweigenden Unterwerfung der Streitteile unter die AÖSp nicht ausgegangen werden könne. Daß die AÖSp nur unter Spediteuren als Handelsbrauch gelten, entspreche herrschender Lehre und Rechtsprechung. Das in § 32 AÖSp enthaltene Kompensationsverbot komme daher nicht zum Tragen, sodaß die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung als zu Recht bestehend habe festgestellt werden können. Die Frage, ob die Gegenforderung im Sinne dieser Bestimmung als "ohne Einwand erhoben" gelte, könne auf sich beruhen.

Zutreffenderweise habe das Erstgericht nach Maßgabe der CMR auch eine Sorgfaltsverletzung des Frachtführers angenommen. Daß vorangegangene Transporte klaglos verlaufen seien, besage nichts, da es für die Beurteilung einer Überschreitung der angemessenen Lieferfrist immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankomme.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision unzulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Vorliegen einer höchstgerichtlichen Judikatur zu den entscheidenden Rechtsproblemen.

In den nunmehr vorliegenden ao Revisionen begehren die Klägerin und der Nebenintervenient die Abänderung der vorinstanzlichen Urteile im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise haben beide auch noch einen Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begründet ihr Rechtsmittel im wesentlichen damit, daß die Vorinstanzen die Geltung der AÖSp und damit die Wirksamkeit des in § 32 AÖSp enthaltenen Aufrechnungsausschlusses verkannt hätten. Allein schon der Umstand, daß der Beklagte ein Handelsunternehmen betreibt, das häufig die Dienste von Spediteuren in Anspruch nimmt, führe im gegenständlichen Fall zur Anwendung der AÖSp kraft stillschweigender Unterwerfung, weil ein solcher Unternehmer weiß oder wissen müsse, daß Spediteure nur zu den Bedingungen der AÖSp kontrahieren. Damit wäre die Aufrechnungseinrede des Beklagten - mangels Liquidität - gemäß § 32 AÖSp abzuweisen gewesen. Unabhängig davon bestehe die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht, weil Gerald R***** (auf dessen fachkundige Anweisungen das Erstgericht so großen Wert legte) mangels Verfügungs- und Weisungsrecht die zwischen den Streitteilen vereinbarten Beförderungsbedingungen gar nicht habe abändern können. Durch seine Weisung an den Kraftfahrer der Nebenintervenientin, den Beklagten von der unbedingten Notwendigkeit einer Ablieferung der Ladung am nächsten Tag zu verständigen sei es daher auch zu keiner Vereinbarung eines fixen Liefertermins gekommen.

Auf dieses zuletzt angeführte Argument konzentrieren sich auch die Revisionsausführungen des Nebenintervenienten. Arnus V***** (sein Kraftfahrer) sei nach insoweit völlig eindeutiger Judikatur nicht befugt gewesen, die zwischen den Streitteilen vereinbarten Beförderungsbedingungen abzuändern (TransportR 1988, 15 und 7 Ob 3/94), weshalb nicht von einem fixen Ablieferungstermin am 12.9.1992 ausgegangen werden könne; die tatsächliche Transportdauer von 3 Tagen sei - nicht zuletzt wegen des in diesem Zeitraum hineinfallenden Wochenendes - iSd Art 19 CMR angemessen gewesen. Die wahre Ursache des vom Beklagten geltend gemachten Schadens liege nicht in einer unangemessen langen Lieferzeit, sondern im Verzicht auf einen Kühltransport, dessen höhere Kosten sich der Beklagte habe ersparen wollen. Unter diesen Umständen sei der Frachtführer gemäß Art 17 Z 4 lit d CMR iVm Art 18 Z 2 CMR von der Haftung befreit. Dem Beklagten wurde die Beantwortung der Revisionen freigestellt. Er hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig; sie sind auch berechtigt, weil der Aufrechnungsausschluß des § 32 AÖSp greift.

Werden Speditionsleistungen für branchenkundige Auftraggeber erbracht, geht die Rechtsprechung stets dann von einer stillschweigenden Vereinbarung der AÖSp aus, wenn der Versender nach der Art seines Geschäftsbetriebes von den AÖSp und der Verwendung der AÖSp durch Spediteure Kenntnis haben mußte. Bei Kaufleuten, zu deren Geschäftsbetrieb die häufige Inanspruchnahme von Speditionsleistungen gehört, ist daher grundsätzlich die Unterwerfung unter die AÖSp anzunehmen (EvBl 1970/229; HS 7605; Csoklich, Einführung in das Transportrecht, 44; Koller, Transportrecht2, 86 f). Auf den Beklagten, der ein Handelsunternehmen betreibt, das sich mit dem Import und Export von Obst beschäftigt, trifft dies zwifellos zu. Die als rechtliche Beurteilung zu wertende negative "Feststellung" des Erstgerichtes, den Verfahrensergebnissen lasse sich nichts entnehmen, was auf eine stillschweigende Vereinbarung der AÖSp hindeute (AS 177 und 185), ist daher dahingehend zu korrigieren, daß allein schon die berufliche Stellung der Streitteile für die Geltung der AÖSp als lex contractus spricht und diese Vermutung nicht entkräftet wurde.

Das bedeutet, daß sich die klagende Partei auf das in § 32 AÖSp normierte, von der Judikatur bereits als unbedenklich qualifizierte (SZ 27/197 ua) Aufrechnungsverbot berufen konnte. Auch der Umstand, daß das streitgegenständliche Vertragsverhältnis der CMR unterliegt (es dürfte - ohne daß dies näher erörtert worden wäre - ein Fall der Fixkostenspedition oder des unechten Selbsteintritts vorliegen), ändert daran nichts, weil vertraglich vereinbarte Aufrechnungsbeschränkungen selbst in diesem Bereich des internationalen Frachtrechts zulässig sind (SZ 55/73; Csoklich aaO, 291). Ohne Belang ist dabei, ob die Streitteile einen (echten) Speditionsvertrag iSd § 407 HGB abgeschlossen haben oder ein als Frachtvertrag zu wertendes Rechtsverhältnis (etwa iSd § 413 HGB) zustandekam. Die in § 32 AÖSp enthaltene Aufrechnungsbeschränkung ist nämlich schlechthin gegenüber "Ansprüchen des Spediteurs" anzuwenden, zumal die AÖSp gemäß § 2 lit a für "alle Verrichtungen des Spediteurs" gelten. Damit sind alle mit dem Speditionsgewerbe typischerweise zusammenhängenden Geschäfte gemeint, also auch Fixkostenspeditionen und der Selbsteintritt in den Frachtvertrag (vgl Helm, Speditionsrecht2, 254; Csoklich aaO, 43; Koller aaO, 139 f).

Die in § 32 AÖSp enthaltene Aufrechnungsbeschränkung besagt, daß sich der Spediteur von seinem Auftraggeber die Aufrechnung nur mit solchen (fälligen) Gegenforderungen gefallen lassen muß, denen ein Einwand nicht entgegensteht. Die Aufrechnungseinrede ist daher dann abzuweisen, wenn der Spediteur die Gegenforderung ernstlich und schlüssig bestreiten kann, d.h. Einwendungen erhebt, die nicht ohne weiteres als unbegründet erscheinen und daher eine sofortige Entscheidung über den Bestand der Gegenforderung nicht zulassen (vgl RdW 1988, 318; Csoklich aaO, 290; die ältere Rsp ließ die Aufrechnung gar nur dann zu, wenn die Gegenforderung bereits anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war: HS 446/98; SZ 27/197).

Im konkreten Fall haben die Vorinstanzen zwar die für den Rechtsbestand der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung maßgebliche Verschuldensfrage (zu Lasten der klagenden Partei) als hinreichend geklärt angesehen (wobei dahingestellt sei, ob deshalb kein iSd § 32 AÖSp zu beachtender Einwand vorlag - immerhin ist die angebliche Überschreitung der Lieferfrist selbst noch in dritter Instanz Gegenstand der Auseinandersetzung); die klagende Partei hat jedoch die Gegenforderung des Beklagten auch mit der Behauptung bestritten, daß der behauptete Schaden durch den fortgeschrittenen (von ihr nicht zu verantwortenden) Reifezustand des Frachtgutes (Bananen) verursacht wurde (AS 12). Dieser nicht von vorne herein als unbegründet erkennbare Einwand wurde gar nicht geprüft, sodaß schon aus diesem Grund eine Aufrechnung mit der vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderung durch § 32 AÖSp ausgeschlossen ist.

Ausgehend von der bereits feststehenden Klagsforderung war daher wie im Spruch zu entscheiden, wobei ein weiteres Eingehen auf die Revisionsausführungen des Nebenintervenienten nicht erforderlich war.

Die Kostenentscheidungen stützen sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Abstriche von den Kostenverzeichnissen der Klägerin und des Nebenintervenienten waren dabei nur insoweit zu machen, als die von der Klägerin für 16 Kopien verzeichneten Barauslagen (S 208,--) hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Höhe nicht nachvollziehbar sind und für die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten Kosten nur nach der TP 1 II lit b RATG gebühren.

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