OGH 8ObA207/95

OGH8ObA207/959.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Paul G*****, Betriebsberater, ***** vertreten durch Dr.Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei M***** Consulting GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Offer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1,580.997,30 brutto sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Oktober 1994, GZ 5 Ra 182, 183/94-21, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.September 1994, GZ 44 Cga 185/93d-18, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der erstgerichtliche Beschluß betreffend die Zurückweisung des Antrages der beklagten Partei, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung zu bewilligen, wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 24.293,70 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 4.048,95 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Im übrigen hinsichtlich des die Verfahrenshilfe betreffenden Teiles wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger macht Ansprüche aus einem als Werkvertrag bezeichneten Arbeitsvertrag zur beklagten Partei aus der Zeit von November 1990 bis zu seinem vorzeitigen Austritt am 18.5.1993 in der Höhe des Klagsbetrages geltend. Gegen das stattgebende Versäumungsurteil vom 27.8.1993 (ON 2) wandte sich die beklagte Partei, beantragte, ihr die Verfahrenshilfe zu gewähren und teilte mit Schreiben vom 10.8. und 8.9.1994 mit, daß ein Konkursantrag mangels Vermögens am 30.12.1993 abgewiesen worden war und daß kein verwertbares und verteilbares Vermögen mehr vorhanden sei (S 164/93 des Landesgerichtes Innsbruck). Ergänzend beantragte sie, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung zu bewilligen.

Das Erstgericht hat (im zweiten Rechtsgang) den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Verfahrenshilfe zurückgewiesen und dabei im wesentlichen ausgeführt, der beklagten Gesellschaft fehle nach ihrer erfolgten Auflösung und Vollbeendigung die Parteifähigkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge; es behob den angefochtenen Beschluß, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf und erklärte den Revisionsrekurs hinsichtlich des die Verfahrenshilfe betreffenden Teiles für jedenfalls unzulässig. Rechtlich führte das Rekursgericht aus, ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen zum Erlöschen und zur Beendigung von Gesellschaften bestehe Übereinstimmung, daß eine Gesellschaft mit der Behauptung, ihr stehe noch Vermögen zu, einen Aktivprozeß führen könne. Dies müsse auch für den Fall der Abwehr einer Forderung gelten, sodaß die Vermögenslosigkeit der beklagten Partei noch nicht feststehe.

Gegen den gesamten Beschluß, das heißt auch gegen den die Verfahrenshilfe betreffenden Teil, richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, ihn abzuändern und den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen den die Verfahrenshilfe betreffenden Beschlußteil richtet, unzulässig (§ 528 Abs 1 Z 3 ZPO), im übrigen aber berechtigt.

Der erkennende Senat hat sich nach Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung (SZ 62/43 und 127; EvBl 1991/125; ecolex 1992, 419) für die Rechtsansicht entschieden, daß die Vollbeendigung einer Gesellschaft ganz allgemein eintritt, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist.

Eine aufgelöste und gelöschte Gesellschaft ist daher auch dann und solange noch als parteifähig anzusehen, solange sie als klagende Partei einen Anspruch behauptet und hierüber einen Aktivprozeß führt, weil zuvor nicht gesagt werden kann, daß sie wirklich und endgültig vermögenslos sei.

Es kann aber umgekehrt für die Parteifähigkeit ein einziges potentielles Aktivum der gelöschten Gesellschaft nämlich ein allenfalls in einem Passivprozeß - im Fall der Klagsabweisung - ersiegter Prozeßkostenanspruch gegen die klagende Partei, nicht genügen. Das dem Kläger in einem solchen Fall notwendigerweise zu unterstellende Vorbringen, die beklagte Partei habe noch ein potentielles Vermögen in Form eines eventuell zu ersiegenden Prozeßkostenersatzanspruches, stünde nämlich mit seiner Behauptung eines eigenen Anspruches, in unüberbrückbarem Widerspruch. Der Kläger würde die Parteifähigkeit der beklagten Partei solcherart nämlich selbst nur für den Fall behaupten, daß sein Klageanspruch nicht zu Recht besteht und der Prozeß ginge insoweit daher überhaupt nur um die theoretische Frage der Parteifähigkeit.

Hält das Gericht die Klage hingegen für berechtigt, dann spricht es der beklagten Gesellschaft eben keine Kosten zu, und diese hört spätestens in dem Moment, in dem die Entscheidung rechtskräftig wird, zu existieren auf, so daß das Urteil gegen niemanden vollstreckbar wäre (so Dellinger in GesRZ 1991, 227 f; 8 Ob 6/94).

Ein allenfalls seitens der beklagten Partei im weiteren Verfahren gegen den Kläger erzielbarer Kostentitel stellt somit kein Vermögen der beklagten Partei dar, das ihre Parteifähigkeit bei Prozeßbeginn begründen könnte.

Der solcherart zu unterstellende Mangel der Parteifähigkeit der beklagten Partei führt zur Verneinung ihrer Antragslegitimation und begründet ein zur Zurückweisung ihres Antrages führendes Prozeßhindernis (vgl Fucik-Rechberger, Rz 6 vor § 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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