OGH 7Ob622/94

OGH7Ob622/948.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dkfm.Otto B*****, 2. Prof.Dr.Franz E*****, und 3. Dr.Friedrich E*****, vertreten durch Dr.Franz Eckert ua Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagte Partei Bogoljub K*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27.April 1994, GZ 41 R 217/94-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 22.Dezember 1993, GZ 4 C 257/93-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Mietvertrag vom 2.8.1976 vermietete die damalige Hauseigentümerin zwei im Souterrain ihres Hauses gelegene Räume (Tür 3) an den Beklagten, wobei vereinbart wurde, daß der Mietgegenstand nur zu Wohnzwecken verwendet werden dürfe. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, Baupolizei, vom 9.3.1993 wurde den Klägern als nunmehrigen Hauseigentümern der Auftrag erteilt, binnen einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides die vorschriftswidrige Verwendung der Räume als Wohnung zu unterlassen. Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, daß die Räume nach der Baubewilligung vom 26.August 1905 und dem zugehörigen Bauplan unverändert die Widmung als Gassenladen und Magazin aufweisen. Die Benützung als Wohnung (Zimmer, Küche) sei daher bewilligungswidrig und müsse gemäß § 129 Abs.1 der Bauordnung aufgelassen werden, sofern nicht eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung erwirkt werde.

Die Kläger begehren die Räumung der Wohnung, weil die Bestandsache aufgrund dieses rechtskräftigen Bescheides untergegangen und der Bestandvertrag gemäß § 1112 ABGB erloschen sei. Der Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung stehe § 87 Abs.4 der Wiener Bauordnung entgegen, wonach der Fußboden von Wohnräumen und Küchen an jeder Stelle mindestens 15 cm über dem anschließenden Gelände liegen müsse. Der Fußboden des gegenständlichen Mietobjektes liege aber mehr als 1 m unterhalb des Straßenniveaus. Die Herstellung eines den Vorschriften der Wiener Bauordnung entsprechenden Zustandes sei bautechnisch nicht möglich.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er habe im Gegensatz zu den Klägern bzw. deren Rechtsvorgängerin nichts davon gewußt, daß der Mietgegenstand nicht als Wohnung verwendet werden dürfe. Den Vermieter treffe die Pflicht, ihm den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Mietgegenstandes zu verschaffen. Werde dieser vereitelt, so treffe ihn die Pflicht zur Wiederherstellung. Es sei durchaus möglich, eine nachträgliche baubehördliche Genehmigung zu erwerben. Die Aktivlegitimation der Kläger werde bestritten, weil nach dem vorgelegten Grundbuchsauszug nicht ausgeschlossen werden könne, daß hinsichtlich der streitgegenständlichen Räume Wohnungseigentum begründet worden sei.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab, weil es die Ansicht vertrat, daß der Bestandgeber die zum bedungenen Gebrauch erforderlichen Bewilligungen zu verschaffen habe, selbst wenn hiezu Umbauten erforderlich seien. Eine rechtliche Unmöglichkeit liege entgegen der Ansicht der Kläger nicht vor, weil gemäß § 68 der Wiener Bauordnung bei Änderungen oder Instandsetzungen der Gebäude, die vor 1976 errichtet worden seien, von der Einhaltung der hier zum Tragen kommenden Bestimmungen der Abschnitte VIII bis einschließlich XI zu befreien sei, wenn die Einhaltung zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führte und einerseits öffentliche Rücksichten nicht entgegenstünden oder andererseits öffentliche Interessen für das Abweichen sprächen. Im Bescheid selbst werde auf die Möglichkeit der nachträglichen baubehördlichen Bewilligung hingewiesen. Ein solches Ansuchen sei keinesfalls als von vornherein aussichtslos zu betrachten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Von einem rechtlichen Untergang könne nicht gesprochen werden, wenn die Verwaltungsbehörde bloß den vereinbarten Gebrauch der Bestandsache und nicht die Benützung schlechthin verbiete. In einem solchen Fall liege allerdings ein Rechtsmangel vor, der nur den Mieter zur vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrages nach § 1117 ABGB berechtige. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Mietvertrag gemäß § 1112 ABGB bereits mit dem baubehördlichen Auftrag erlösche, die Benützung des Bestandobjektes für den Zweck, für den es gemietet worden sei, zu unterlassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig. Sie ist im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Unterinstanzen berechtigt.

Der erkennende Senat vermag sich der Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz, daß die (gesetzliche oder behördliche) Untersagung des vereinbarten Gebrauches in keinem Fall den Tatbestand des § 1112 ABGB erfüllen könne, nicht anzuschließen. Es ist vielmehr der Ansicht von Klang in Klang2 V, 98 und von Würth in Rummel2 I, Rz 3 zu § 1112 ABGB, beizupflichten, daß der rechtliche Untergang der Bestandsache, für den § 1112 ABGB zweifellos gilt, nicht nur vorliegt, wenn die Sache an sich aus dem Rechtsverkehr gezogen wurde, sondern schon dann, wenn die für die Vermietbarkeit überhaupt oder für die Vermietung zu einem bestimmten Zweck erforderliche Qualifikation (endgültig und unabänderlich) verlorengeht, wie etwa durch das Verbot, Räume bestimmter Beschaffenheit weiterhin als Wohnung zu verwenden. Würth aaO verweist zu Recht auf die widersprüchliche Begründung der von der zweiten Instanz herangezogenen, zu MietSlg 7920 abgedruckten Entscheidung, soweit sie dort wiedergegeben ist. Es ging dort auch um einen insoweit anders gelagerten Sachverhalt, weil der Auftrag zur Beseitigung des Kioskes, zu dessen Aufstellung das gemietete Grundstück dienen sollte, an den Bestandnehmer, der den Kiosk selbst errichtet hatte, erteilt wurde. Die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz hätte das unhaltbare Ergebnis zur Folge, daß es im Belieben des Bestandnehmers läge, einen dem Bestandgeber zur Last fallenden gesetzwidrigen, den Anordnungen einer behördlichen Entscheidung widersprechenden Zustand zu perpetuieren.

Allerdings ist der Vermieter aufgrund des § 1096 ABGB und im Anwendungsbereich des MRG nach § 3 MRG zur Verschaffung und Erhaltung des bedungenen Gebrauches der Bestandsache verpflichtet. Er kann sich daher weder auf eine bereits anfängliche Nichtigkeit des Vertrages nach § 879 Abs.1 ABGB wegen der Bauvorschriften zuwiderlaufenden Vereinbarung der Benützung zu Wohnzwecken noch auf nachträgliche Unmöglichkeit wegen bescheidmäßiger Untersagung der Benützung zu Wohnzwecken oder wegen einer entsprechenden Gesetzesänderung (§ 1112 ABGB) berufen, wenn ihm die Verschaffung des bedungenen Gebrauches möglich ist (vgl. MietSlg 24.138/18). Die den Bestandgeber treffende Verpflichtung, die zum bedungenen Gebrauch erforderliche behördliche Bewilligung zu verschaffen, hat ihre Grenze nur in der rechtlichen Unmöglichkeit und in der Unwirtschaftlichkeit (MietSlg 38.144 mwN). Dafür, daß eine Unmöglichkeit in diesem Sinne vorliegt, ist der Bestandgeber beweispflichtig (MietSlg 38.143; SZ 63/137).

Ob der oder die Vermieter im vorliegenden Fall eine realistische Möglichkeit haben, die verwaltungsrechtliche Bewilligung zur Benützung der Räume zu Wohnzwecken zu erlangen, erscheint zwar nach den Vorschriften der §§ 68 ff der Wiener Bauordnung idF der Novelle LGBl 34/1992, auf die das Erstgericht nicht Bedacht genommen hat, und auf § 87 Abs.4 der Wiener Bauordnung, der insoweit von den Klägern richtig zitiert wurde, nach dem derzeitigen Akteninhalt fraglich; denn der Beklagte bezeichnete die Wohnung selbst als Souterrainwohnung und behauptete gar nicht, daß ihr Fußboden über dem anschließenden Gelände liege. Das ändert aber nichts daran, daß es Sache der Kläger ist, zu beweisen, daß ihnen die Erlangung einer "nachträglichen baubehördlichen Bewilligung" (iS des Bescheides vom 9.3.1993) nicht möglich ist.

Ob es dem oder den Vermietern wirtschaftlich zumutbar ist, den für eine Wohnung geforderten gesetzlichen Mindeststandard durch Umbauten herzustellen, läßt sich nach dem bisherigen Akteninhalt nicht beurteilen. Diese Frage ist aber entscheidungswesentlich. Denn ein solcher Umbau würde dem Bescheid, mit dem die Verwendung der Räume zu Wohnzwecken untersagt wird, die Grundlage entziehen. Dieselben Erwägungen, die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung des verstärkten Senates 3 Ob 37/94 zum Ausdruck gebracht hat, kommen auch hier zum Tragen: Die Bindungs- und Tatbestandswirkung dieses Bescheides hat das Erlöschen des Bestandvertrages im Sinn des § 1112 ABGB erst dann zur Folge, wenn der Sachverhalt, aus dem sie sich ergibt, endgültig ist. Nur diese Auslegung der Bestimmung des § 1112 ABGB gewährleistet auch, daß Bestandnehmer, deren Sphäre durch den Bescheid berührt wird, in einem rechtlichen Verfahren Parteistellung zur Beurteilung der Frage haben, ob die Behebung von Baugebrechen dem Bestandgeber wirtschaftlich zumutbar ist.

Es wird daher im fortgesetzten Verfahren zu klären sein, ob eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung möglich, und ob die Behauptung der Kläger, daß der Fußboden der Wohnung mehr als 1 m unter dem Straßenniveau liege, richtig ist. Dies wäre wohl - zumindest nach dem bisherigen Akteninhalt, der keinen Anhaltspunkt für die Annahme bietet, daß sich bloß durch die Anhebung des Fußbodens ein den Bestimmungen der Wiener Bauordnung entsprechender Wohnraum schaffen ließe - ein wesentliches Indiz für die Unwirtschaftlichkeit, den bedungenen Gebrauch an der Wohnung (durch einen entsprechenden Umbau) zu vermitteln. Allerdings wird zu beachten sein, daß die Beweislast für die wirtschaftliche Unzumutbarkeit, wie bereits dargelegt, den Vermieter trifft. Es werden aber auch die weiteren, bisher wegen der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht der Untergerichte, daß die Klage unschlüssig sei, nicht geprüften Einwendungen des Beklagten, wie insbesondere die mangelnde Aktivlegitimation, abzuhandeln sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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