OGH 7Ob518/95

OGH7Ob518/958.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Heimo Puschner ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Bianca O*****, zuletzt wohnhaft gewesen in W*****, vertreten durch Dr.Peter Prikoszovits, Rechtsanwalt in Wien, und den auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Milan N*****, vertreten durch Mag.Mag.Dr.Irmtraud Oraz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24.Mai 1994, GZ 41 R 510/94-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.Februar 1994, GZ 48 C 279/93y-10, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Berufungsentscheidung wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, nach allfälliger Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung zu treffen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Das Erstgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die am 6.6.1993 verstorbene Bianca O***** war seit 1958 gemeinsam mit ihrer Mutter Kosara O***** Hauptmieterin der aufgekündigten Wohnung Wien 1., B*****straße 9 top.10. Die Klägerin ist die Alleineigentümerin dieses Hauses. Die Verstorbene hatte 1972 Milan N***** geheiratet. Die Ehegatten führten ihren Haushalt gemeinsam unter Einschluß von Kosara O***** in der aufgekündigten Wohnung. Zwischen Mutter und Tochter bestand ein inniges Verhältnis. Nach dem Tod der Mutter wollte Bianca O***** nicht mehr in der aufgekündigten Wohnung bleiben, weil sie diese zu sehr an ihre Mutter erinnerte, und in ihre andere Wohnung in W*****, M*****straße 45/28, umziehen; dagegen wollte ihr Gatte weiterhin in der bisherigen Wohnung bleiben. Nach einmonatiger Diskussion zwischen den Eheleuten einigten sich diese im Frühjahr 1989, daß die Ehegattin in ihre Wohnung in der M*****straße auszieht, während der Gatte in der aufgekündigten Wohnung bleibt, in Zukunft in dieser allein lebt und selbst für die Kosten dieser Wohnung aufkommt. Seither wohnt Milan N***** regelmäßig in der aufgekündigten Wohnung und kommt für deren Kosten auf. Von der klagenden Partei wurde der Mietzins weiterhin Bianca O***** vorgeschrieben. Die Eheleute blieben ungeachtet der räumlichen Trennung miteinander in Beziehung, sie haben sich nicht im Streit getrennt. Bianca O***** erledigte für ihren Ehemann auch weiterhin Angelegenheiten mit der Hausverwaltung. Sie hatte schon seit ihrer Verehelichung versucht, daß ihr Ehemann von der Klägerin als Mitmieter der Wohnung anerkannt wird. Seitens der Hausverwaltung war ihr aber mitgeteilt worden, dies sei nicht nötig, Milan N***** sei ohnedies berechtigt, als Ehemann mit in der Wohnung zu leben. So besprach Bianca O***** etwa im Mai 1989 mit der Hausverwaltung die Anmietung einer Ersatzwohnung wegen allenfalls nötiger baulicher Änderungen im Hause der Klägerin, 1992/93 sprach sie bei der Hausverwaltung wegen der Behebung einer Taubenplage in der aufgekündigten Wohnung vor. Feststellungscharakter kommt der Ausführung des Erstgerichtes in der rechtlichen Beurteilung zu, daß die verstorbene Bianca O***** ihrem Ehegatten erklärt hat, daß sie nun auszieht, er in der Wohnung verbleibt und in Zukunft für die Wohnung zuständig ist und die Wohnungskosten bezahlt (AS 89 f).

Die Klägerin stützt ihre Aufkündigung auf § 30 Abs.2 Z 5 und 6 MRG. Die Wohnung diene nach dem Tod der bisherigen Mieterin nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen.

Die beklagte Verlassenschaft beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und wendete ein, daß die Verstorbene ihre Hauptmietrechte an der aufgekündigten Wohnung im Frühjahr 1989 ihrem Ehemann übertragen habe und daraufhin ausgezogen sei. Dieser schloß sich dem Verfahren als Nebenintervenient auf Seite der beklagten Partei an.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Die verstorbene Hauptmieterin habe 1989 ihrem gemäß § 12 Abs.1 MRG eintrittsberechtigten Ehegatten wirksam ihre Hauptmietrechte übertragen. Ein Bewußtsein über alle Rechtswirkungen dieser Einigung bzw eine ausdrückliche Verständigung der Hausverwaltung von dieser Übertragung seien dabei nicht erforderlich gewesen. Mangels Mieterstellung der Verlassenschaft sei die Aufkündigung wegen mangelnder Passivlegitimation aufzuheben gewesen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine Stattgebung des Aufkündigungs- und Räumungsbegehrens ab. Es erklärte die Revision für unzulässig. Die getroffenen Feststellungen ließen nur eine Erfüllungsübernahme des Nebenintervenienten im Sinne des § 1423 ABGB gegenüber seiner wegziehenden Ehegattin, nicht aber eine Übertragung der Bestandrechte auf ihn zu. Das Berufungsgericht unterließ im Hinblick auf diese rechtliche Beurteilung eine Behandlung der Beweisrüge der Klägerin, mit der diese die Feststellung des Erstgerichtes, daß Bianca O***** bei Verlassen der Wohnung ihrem dort verbleibenden Gatten erklärt habe, daß er in Zukunft für die Wohnung zuständig sei, bekämpft und an deren Stelle die Feststellung begehrt, daß sie auch weiterhin Hauptmieterin bleiben wollte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der beklagten Partei und des Nebenintervenienten ist zulässig und berechtigt.

Der einfache Nebenintervenient kann anstelle oder neben der Hauptpartei Rechtsmittel ergreifen (vgl SZ 50/136 = JBl 1978, 600).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes steht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht in Einklang. So wird (unter anderem) in der Entscheidung SZ 63/63 (S.320) ausgeführt, daß die Rechtsprechung zum früheren § 19 Abs.4 MG nur auf die gegebene Eintrittsberechtigung des in der Wohnung zurückbleibenden Mitbewohners und auf eine zumindest konkludente Willensübereinstimmung zwischen dem scheidenden Mieter und dem Eintrittsberechtigten abgestellt habe. Der Verständigung des Vermieters von der erfolgten Übertragung der Mietrechte komme rein deklarative Bedeutung zu. Daran habe sich durch die nunmehrige Fassung des § 12 Abs.1 MRG nichts Grundsätzliches geändert. Die Rechtsprechung hat bei einer derartigen Fallkonstellation wie der vorliegenden keine besonderen Erfordernisse an die konkludente Übertragung der Mietrechte an den verbleibenden Eintrittsberechtigten durch den ausscheidenden Hauptmieter gestellt (SZ 62/200, MietSlg 31.447 ua), während ansonsten an die Konkludenz, also an die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den daraus zu erschließenden Rechtsgeschäftswillen von der Rechtsprechung grundsätzlich ein strenger Maßstab angelegt wird (vgl Rummel in Rummel ABGB2 § 863 Rz 4 mwN arg.: kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln). Die vom Erstgericht festgestsellte Äußerung der Ehegattin gegenüber dem in der Wohnung verbleibenden Nebenintervenienten, daß er in Hinkunft für die Wohnung (nunmehr) zuständig ist und die Wohnungskosten bezahlt, wäre mehr als eine Erfüllungsübernahme im Sinne des § 1423 ABGB zu werten; kam doch diese Äußerung aus dem Munde der die Wohnung verlassenden Hauptmieterin und sollte dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten die rechtliche Wohnexistenz damit sichern. Für die vom Berufungsgericht angenommene Erfüllungsübernahme wäre nur die Aufforderung an Milan N***** erforderlich gewesen, daß er in Zukunft den Zins und ähnliche Kosten zu bezahlen haben wird. Dagegen wird mit dem Wort "zuständig" dem Ehegatten die gesamte rechtliche Verfügungsgewalt über die mit der Anmietung verbundenen Rechte und Pflichten überlassen; es läßt keinen Vorbehalt der scheidenden Hauptmieterin bei der Ausübung dieser Rechte erkennen. Der von der zweiten Instanz unterlassenen Behandlung der Beweisrüge in der Berufung der klagenden Partei, mit der diese die Feststellungen bekämpft, aus denen das Erstgericht auf eine Überlassung der Mietrechte an den Nebenintervenienten geschlossen hat (vgl AS 95 ff), kommt daher entscheidende Bedeutung zu, ebenso auch der Behandlung der in der Revision geltend gemachten Mängelrüge. Das angefochtene Berufungsurteil war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fällung einer neuen Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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