OGH 2Ob583/93

OGH2Ob583/932.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith S*****, vertreten durch Dr.Hans Heißl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Joachim S*****, vertreten durch Dr.Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 278.831,05 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22.April 1993, GZ 2 R 76/93-34, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.November 1992, GZ 41 Cg 303/91-27, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.247,20 (darin S 2.041,20 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die ***** 1940 geborene, in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Klägerin suchte am 23.2.1991 das vom Beklagten gepachtete sogenannte "Hoadl-Gipfelrestaurant" in der Axamer Lizum als Mitglied einer aus acht Personen bestehenden Schifahrergruppe zum Mittagessen auf. Dieses Restaurant befindet sich in einer Seehöhe von 2.370 m, auf dem höchten Punkt des "Hoadl" nördlich oberhalb der Bergstation der Standseilbahn. Das Gelände fällt nach allen Seiten hin ab. Der an der Westseite des Restaurants befindliche Eingang ist mit dem Gelände durch eine mehrstufige Treppe verbunden. Südwestlich des Restaurants befindet sich, 12,5 m von der Treppe entfernt, auf einem Plateau eine vom Beklagten betriebene Eisbar. Die Klägerin ließ ihre Schiausrüstung - wie viele andere Restaurantbesucher - am Fuße des vom Restaurant eingenommenen Hügels zurück und begab sich mit ihren Begleitern zu Fuß in ihren Schischuhen, an denen sie die Schnallen zwar gelockert, aber geschlossen hatte, zum Restaurant. Sie benützte dabei jenen Bereich, der direkt von der Bergstation der Standseilbahn zum Restaurant (zur Treppe) führt. Dabei stellte sie fest, daß die - bis an das Restaurant heranreichende - Schneefläche vereist und nicht gestreut war. Vom Beklagten bzw seinen beauftragten Personen wird der unmittelbar an die Treppe angrenzende Bereich und ein Bereich südlich davon mit Salzen gestreut; im übrigen erfolgt durch ihn keine Streuung, insbesondere nicht in dem Bereich, in dem man zur Bergstation der Standseilbahn gelangt, welcher von der Klägerin benützt wurde. Es war damals bewölkt, es schneite jedoch nicht. Nach dem Mittagessen begab sich die Klägerin gegen 14.00 Uhr wieder auf den Rückweg zu ihrer am Fuß des Hügels abgestellten Schiausrüstung. Sie benützte dabei als letzte der Gruppe den gleichen Weg, kam etwa 3 m von der Treppe entfernt auf dem ungestreuten und auch von Fußgängern und Schifahrern benützten Teil der dort vereisten Schneedecke zum Sturz und erlitt dabei schwere Verletzungen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie vom Beklagten wegen unterlassener Streuung des zum Restaurant führenden Weges, sohin wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Zusammenhang mit dem Bewirtungsvertrag, Schadenersatz und die Feststellung seiner Haftung für alle zukünftigen Schäden.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, ihn treffe im hochalpinen Gelände außerhalb des Eingangs (der Treppe) zum Gipfelrestaurant und dessen unmittelbarer Umgebung keine Streupflicht, zumal dadurch die Anforderungen an seine Verkehrssicherungspflicht aus dem Bewirtungsvertrag überspannt wären und durch die begehrten Sicherungsmaßnahmen wie Streuen und Anbringen eines Handlaufs im freien Gelände die Umwelt und andere Personen gefährdet werden könnten.

Das Erstgericht sprach der Klägerin, ausgehend von einem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile, die Hälfte ihres als berechtigt erachteten Leistungsbegehrens zu und stellte fest, daß der Beklagte der Klägerin für die Hälfte aller künftigen Schäden hafte; das Mehrbegehren wies es ab. Zu der aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bewirtungsvertrag entspringenden Schutzpflicht des Beklagten gehöre es, für einen sicheren Zu- und Abgang zum und vom Restaurant zu sorgen. Der Beklagte hätte daher einen rutschsicheren und für Fußgänger benützbaren Weg vom Ende der Stufen zu seinem Restaurant bis zum Fuß des Hügels schaffen müssen. Da er dieser Verpflichtung nicht entsprochen habe, hafte er aus dem Bewirtungsvertrag. Aber auch die Klägerin treffe ein Mitverschulden, weil sie bereits am Hinweg zum Restaurant die starke Vereisung festgestellt habe, dessen ungeachtet aber den gleichen Weg für den Rückweg benützt habe.

Das Gericht zweiter Instanz wies infolge Berufungen beider Parteien das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Den Beklagten treffe aus dem Bewirtungsvertrag eine Schutz- und Sorgfaltspflicht gegenüber der Klägerin, aufgrund welcher er diese im gesamten Bereich des Restaurants, insbesondere im Bereich des Eingangs, vor Gefahren für Leib und Gut bewahren müsse. Die Pflichten aus dem Bewirtungsvertrag seien jenen aus dem Gastaufnahmevertrag und den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gleichzuhalten. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürften jedoch die Grenze des Zumutbaren nicht überschreiten. In hochalpinen Schigebieten Tag und Nacht ständig völlige Schnee- und Eisfreiheit von Hotelein- und ausgängen sicherzustellen, sei ein Gastwirt nicht verpflichtet. Im konkreten Fall sei darauf Bedacht zu nehmen, daß das Restaurant des Beklagten am 2.370 m hohen Hoadl-Gipfel liege, von welchem die beliebtesten Schiabfahrten der Axamer Lizum talwärts führten. Der Beklagte habe in unmittelbarer Umgebung der Eingangstreppe gestreut, nicht aber im Unfallsbereich, 3 m von der Treppe entfernt. Da die Gäste des Restaurants nahezu den gesamten Hügel begingen, hätte der Beklagte, wollte man seine Verkehrssicherungspflicht auf den ganzen Hügel beziehen, diesen zur Gänze mit Salz oder Streugut bestreuen müssen. Dies sei jedoch dem Beklagten weder zumutbar, noch aus Gründen der Sicherheit anderer Schifahrer oder aus Umweltschutzgründen vertretbar. Das gleiche gelte auch für die von der Klägerin aufgestellte Forderung, auch im Gelände entlang des Weges einen Handlauf aufzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zwar zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Frage der Verkehrssicherungspflicht eines Betreibers eines im hochalpinen Gelände gelegenen vielbesuchten Gipfelrestaurants, bezogen auf die Zu- und Abgänge von und zu Seilbahn- oder Sesselliftstationen, noch nicht behandelte; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Da der Wohnsitz bzw gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland auf eine mögliche rechtserhebliche Auslandsberührung des Streitfalles hinweist, ist die - in den Vorinstanzen unterbliebene - kollisionsrechtliche Beurteilung des Falles mit dem Ergebnis nachzutragen, daß er gemäß § 36 IPRG nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen ist, weil der geltend gemachte Schadenersatzanspruch auf der behaupteten Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten des Beklagten aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Bewirtungsvertrages beruht.

Wie auch das Gericht zweiter Instanz zutreffend darlegte, traf den Beklagten als Pächter des von der Klägerin frequentierten Gipfelrestaurants aufgrund des mit ihr geschlossenen Bewirtungsvertrages die Pflicht, sie im gesamten Bereich des Restaurants vor Gefahren für Leib und Gut zu bewahren (JBl 1991, 48 mwN). Er hatte daher wie jeder Gastwirt, der einen Verkehr mit hoher Frequenz eröffnet, alles vorzukehren, um die Sicherheit des Betriebes und der damit im Zusammenhang stehenden Wege und Flächen zu gewährleisten. Diese Verkehrssicherungspflicht darf allerdings nicht überspannt werden und ist an den Grenzen der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen zu messen. Es kann in hochalpinen Schigebieten für Betreiber von Schihütten oder Gaststätten, die von den von den Schifahrern mit Schiern oder zu Fuß benützten, mehr oder weniger festgepreßten, harten oder eisigen Schneeoberflächen geradezu eingeschlossen sind, regelmäßig nicht verlangt werden, rund um die Uhr die Eingänge samt Zu- und Abgang zu und von den Lift- oder Seilbahnstationen oder auch nur "Rundumgänge" um ihr Haus völlig gefahrfrei zu halten (JBl 1991, 48 mwH). In diesen Fällen muß es genügen, daß die Gasträumlichkeiten samt Nebenräumen und die Zugänge dazu im unmittelbaren Bereich möglichst gesichert werden, wobei Schneeräumung oder - bei beherrschbarem Glatteis in diesen Bereichen - auch Salz- oder Splittstreuung in Frage kommen. Keinesfalls aber kann dem Betreiber der Gaststätte zugesonnen werden, etwa von Pistengeräten präparierte, vom allgemeinen Schiverkehr befahrene Pisten oder Schneeoberflächen mit Salz oder Splitt zu bestreuen oder gar in diesen Bereichen "Aufstiegshilfen (Handläufe)" für den Fußgängerverkehr zu errichten, wie dies die Klägerin in der Revision fordert. Abgesehen von den damit für eine unüberschaubare Zahl anderer, schifahrender Personen drohenden Gefahren wären solche Maßnahmen eine Überforderung der dem Gastwirt auferlegten Verkehrssicherungspflicht, zumal dann - ganz abgesehen von den zeitlichen und finanziellen Aufwendungen für solche Maßnahmen - die Grenzen des Übergangs in die Schipisten (mit den dafür geltenden Haftungsgrundsätzen) und in das freie Schigelände (mit dem dann geltenden Entfall einer Fremdhaftung für ohne Einwirkung dritter Personen erfolgende Stürze) fließend und nicht feststellbar wäre.

Der vorliegende Unfall der Klägerin, die die Gefährlichkeit der Unfallstelle schon beim Betreten des Gipfelrestaurants wahrgenommen hatte, ist nicht vom Beklagten zu verantworten, weil die Klägerin bei ihrem Rückweg diese gefährliche Stelle nicht umging, wogegen im Akt keine Behauptungen oder Feststellungen sprächen, sondern sich sehendes Auges in die Gefahr begab, und sodann auf dem vereisten abschüssigen Gelände ohne sonstige Fremdeinwirkung zum Sturz kam.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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