OGH 15Os2/95

OGH15Os2/952.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Köttner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael A* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Michael A* gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 25. Oktober 1994, GZ 3 b Vr 486/93‑58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00002.9500000.0202.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Der am 27. August 1977 geborene Lehrling Michael A* wurde (neben drei anderen Jugendlichen, deren Urteil in Rechtskraft erwachsen ist) ‑ abweichend von der wegen Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklage nur ‑ des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (A) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt zur Last,

(zu A) am 27. Jänner 1993 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit Bernhard Hö*, Mischa Ho* und Dieter P* als Beteiligte mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen bzw abgenötigt zu haben (zu ergänzen: sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern), indem sie Robert T* und Birgit K* umringten, von ihnen Geld ("Knedl") forderten, den Robert T* festhielten und seine Geldbörse leerten, und zwar

1. dem Robert T* 100 S,

2. der Birgit K* 2 S,

wobei die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an Sachen geringen Wertes begangen wurde und keine Folgen nach sich gezogen hat [und auch keinen schweren Raub (§ 143 StGB) darstellte];

(zu B) am 14. Februar 1993 in Obergänserndorf den Hanno B* durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wodurch dieser eine Rißquetschwunde an der Oberlippe erlitt.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelanträge (474) gehen zwar dahin, "das angefochtene Urteil aufzuheben" (Punkt 1.), in eventu "... nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils ... zurückzuverweisen" (Punkt 2.), beziehen sich somit uneingeschränkt auch auf das Schuldspruchsfaktum B wegen des Vergehens der Körperverletzung. Hiezu finden sich aber in der Beschwerdeschrift keine sachbezogenen Ausführungen, weshalb es der Beschwerde insoweit an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände ermangelt, welche die bezeichneten Nichtigkeitsgründe bilden sollen und die auch bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 60) nicht dargetan wurden (§ 285 a Z 2 StPO).

Einziger Angriffspunkt der zum Verbrechen des minderschweren Raubes (undifferenziert) ausgeführten Mängel‑ und Tatsachenrüge ist die im erstgerichtlichen Urteil vorgenommene Bewertung der Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe sich beim Zeugen T* vorgestellt und ihm mitgeteilt, daß er durch seinen Bruder, einem Schulkameraden T*s, das Geld wieder zurückerhalten werde, als unglaubwürdig. In der Tatsache, daß das Erstgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht den "eindeutigen Aussagen" der Angeklagten A*, Hö* und P* folgte, sondern den Bekundungen der Zeugen K* und T*, die sich an eine derartige Äußerung A*s nicht erinnern konnten, erblickt der Rechtsmittelwerber ‑ in Verkennung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe ‑ einerseits einen "erheblichen Widerspruch" im Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen bzw dessen unzureichende Begründung (Z 5), andererseits behauptet er, es bestünden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen (Z 5 a).

Beide Rügen versagen; denn nach Inhalt und Zielrichtung bekämpfen sie bloß nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die ausführliche, zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgefallene Beweiswürdigung der Tatrichter, die in einer kritischen Gesamtschau aller Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks mit denkmöglicher, lebensnaher, zureichender und plausibler Begründung dargelegt haben (438 ff), warum sie den genannten Zeugen und nicht den (in entscheidenden Punkten leugnenden) Angeklagten Glauben schenkten. Dieser kritisch‑psychologische Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung ist aber der Anfechtung sowohl nach Z 5 als auch nach Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 E 23 ff; § 281 Z 5 E 1 ff, 147 ff; § 281 Z 5 a E 3 f). Solcherart vermag der Beschwerdeführer daher weder eine fehlerhafte Urteilsbegründung aufzuzeigen (Z 5), noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 2).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) hinwieder verfehlt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, weil sie die auf tragende Beweisergebnisse gestützte und mängelfrei konstatierte "Zurechnungsfähigkeit" des Beschwerdeführers (438 oben iVm 443 zweiter Absatz) bestreitet und lediglich danach trachtet, aus zwei dem Gutachten des Sachverständigen Dr.S* entnommenen und isoliert betrachteten Absätzen über allgemeine Ausführungen des genannten Experten, die der Rechtsmittelwerber nach eigenem Gutdünken mit Hinweisen aus der Polizeianzeige unterlegt, jedoch unter Außerachtlassung wesentlicher , spezifisch sachbezogener Teile der neurologisch‑psychiatrischen Expertise (377, 379) eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende "Alkoholdrogenwirkung" im Sinne des § 11 StGB beim Angeklagten A* glaubhaft zu machen. Die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes setzt indes das Festhalten am gesamten maßgeblichen Urteilssachverhalt und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz voraus.

Soweit "aus Gründen der Vorsicht die Verkennung bzw Nichtberücksichtigung durch das Erstgericht auch unter dem Nichtigkeitsgrund der Ziffer 5 und 5 a gerügt wird", ist darauf ‑ mangels eines substantiellen Vorbringens auch nicht bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde ‑ eine sachliche Erwiderung nicht möglich.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als nicht gesetzgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285 i StPO).

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte