OGH 10ObS230/93

OGH10ObS230/9331.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj Philipp O*****, gesetzlich vertreten durch seinen ehelichen Vater Mag.Anton O*****, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.August 1993, GZ 13 Rs 47/93-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22.Dezember 1992, GZ 25 Cgs 128/92-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1. Hinsichtlich des Zeitraumes vom 19.6.1990 bis 18.6.1992 (1. und 2. Behandlungsjahr) werden die Urteile der Vorinstanzen mit der Maßgabe bestätigt, daß sie als Teilurteile zu lauten haben:

"Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger für die kieferorthopädische Behandlung in der Zeit vom 19.6.1990 bis 18.6.1992 unter Anrechnung der von ihr bereits erbrachten Teilzahlungen von insgesamt 29.898 S binnen vierzehn Tagen weitere 4.902 S zu zahlen."

2. Im übrigen, also hinsichtlich des Zeitraumes vom 19.6.1992 bis 18.6.1993 (3.Behandlungsjahr), werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Insoweit wird die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 7.7.1983 geborene Kläger erlitt am 4.5.1990 (als in der Unfallversicherung bei der Beklagten teilversicherter Volksschüler) auf dem Weg zur Schule einen Unfall. Dabei zog er sich ua einen Kiefergelenksbruch und ein Frontzahntrauma zu und verlor die Zähne 11, 21 und 22. Für die von einem Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ab 19.6.1990 durchgeführte kieferorthopädische Behandlung bezahlte der Vater des Klägers für drei Behandlungsjahre je 17.400 S, insgesamt also 52.200 S. Dafür gewährte die Beklagte als besondere Unterstützung nach § 196 ASVG für das erste Behandlungsjahr

17.400 S, für das zweite 12.498 S. Mit Bescheid vom 25.2.1992 lehnte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse den Antrag des Klägers auf Erstattung der Kosten der angeführten Behandlung für die Zeit vom 19.6.1990 bis 18.6.1992 mit der Begründung ab, bei dem für die Behandlung eingesetzten Aktivator und dem festsitzenden kieferorthopädischen Apparat handle es sich um orthopädische Behelfe iS des § 202 Abs 1 ASVG, weshalb die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt leistungszuständig sei.

Mit Bescheid vom 17.6.1992 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 24.5.1992 auf Übernahme der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung wegen der Folgen des Schulunfalls vom 4.5.1990 unter Berufung auf § 202 ASVG ab. Auf Grund der Richtlinien zu dieser Gesetzesstelle könnten nur Kosten für Zahnersatz übernommen werden. Leistungen der chirurgischen und konservierenden Zahnbehandlung und Kieferregulierungen nach § 153 Abs 1 ASVG fielen in die Vorleistungspflicht der Krankenversicherung.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger den Ersatz der Behandlungskosten der drei Behandlungsjahre von Juni 1990 bis Juni 1993 von je 17.400 S (zusammen 52.200 S) unter Anrechnung der bereits gezahlten Teilbeträge (von 17.400 S und 12.498 S), also im Ergebnis 22.302 S. Die dreijährige kieferorthopädische Behandlung zur Regulierung und Stabilisierung des Kiefers sei wegen der Folgen des Arbeitsunfalls notwendig gewesen, um sicherzustellen, daß der Kläger als Erwachsener eine dauerhafte Zahnprothese tragen könne.

Die Beklagte beantragte aus den Gründen ihres Bescheides die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte, dem Kläger binnen vierzehn Tagen "die Kosten von 52.200 S für die Behandlung mittels eines Aktivators und eines LS-Duo-Blocks von Juni 1990 bis Juni 1993 zu zahlen, und zwar unter Anrechnung der bisher von ihr bereits bezahlten Beträge von 17.400 S und 12.498 S".

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde dem Kläger, der durch den Unfall mehrere obere Schneidezähne verloren und einen Kiefergelenksbruch erlitten hatte, zur Behandlung zunächst ein Aktivator eingesetzt. Diesen Apparat mußte er täglich, insbesondere während der Nacht, vierzehn Stunden lose tragen. Die Behandlung war zunächst für die erste Behandlungsphase geplant, die etwa ein Jahr dauern sollte. Die Gesamtdauer der Behandlung mit dem Aktivator und anderen Apparaten war schon vor Auftreten der Progenie mit drei bis vier Jahren veranschlagt. Nach Beginn der Behandlung stellte sich jedoch eine Progenie ein, bei der der Unterkiefer stärker wächst als der Oberkiefer. Die deshalb erforderliche jahrelange Behandlung ist beim Kläger nicht wie sonst möglich, weil die oberen Schneidezähne fehlen. Um das Wachstum des Unterkiefers zu verlangsamen, wurde am 6.11.1991 ein Zahn vom Unterkiefer in den Oberkiefer verpflanzt. Wegen der durch die Progenie verursachten zusätzlichen Komplikation mußte der Kläger den Aktivator länger als ursprünglich geplant tragen. Dieser wurde erst im April 1992 durch einen LS-Duo-Block ersetzt. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen abnehmbaren Apparat. Diese Behandlung wird noch bis Sommer 1993 dauern. Eine weitere Behandlung wird voraussichtlich erst ab dem vollendeten 18. Lebensjahr des Klägers möglich sein. Ob die Progenie durch den Arbeitsunfall verursacht wurde, konnte nicht festgestellt werden. Ihre Behandelbarkeit wurde jedoch durch die Folgen dieses Unfalls wesentlich beeinträchtigt; sie wurde dadurch auch in ihren Auswirkungen erheblich verstärkt. Sowohl beim Aktivator als auch beim LS-Duo-Schenkelblock handelt es sich nicht um einen Ersatz für irgendeinen Körperteil.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes handelt es bei diesen Apparaten um orthopädische Behelfe oder andere Hilfsmittel iS des § 202 Abs 1 ASVG. Da die Beschaffung dieser Hilfsmittel durch den Kläger erforderlich und zweckmäßig gewesen sei, gebühre ihm nach Abs 4 leg cit dafür und für die damit zusammenhängenden Behandlungsmaßnahmen für die Zeit von Juni 1990 bis Juni 1993 unter Anrechnung der bereits gezahlten Beträge Ersatz im eingeklagten Ausmaß. Die allenfalls über die reinen Anschaffungskosten hinausgehenden Kosten für die Behandlung mit den Apparaten seien ebenfalls als solche der Versorgung mit orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln anzusehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig ist.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und ergänzte, daß die Vorleistungspflicht des Krankenversicherungsträgers (§ 191 ASVG) für Ansprüche nach § 202 leg cit nicht zum Tragen komme, weil diese über den Rahmen der Krankenversicherung hinausgingen. Dazu berief sich die zweite Instanz auf Tomandl, Das Recht der österreichischen Unfallversicherung 82).

In der Revision macht die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und beantragt, das angefochtene Urteil durch Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässige Revision ist im Sinn des Eventualantrages berechtigt.

(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.)

Im Falle einer durch einen Arbeitsunfall ..... verursachten körperlichen Schädigung des Versicherten werden als Leistungen der Unfallversicherung (UV) nach Maßgabe der Bestimmungen des ASVG gewährt: a) Unfallheilbehandlung (§§ 189 bis 194 und 197); ...; d) Beistellung von Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§ 202) (§ 173 Z 1).

Die Unfallheilbehandlung hat mit allen geeigneten Mitteln die durch

den Arbeitsunfall ... hervorgerufene Gesundheitsstörung oder

Körperbeschädigung ... zu beseitigen oder zumindest zu bessern und

eine Verschlimmerung der Folgen der Verletzung ... zu verhüten (§ 189

Abs 1). Sie umfaßt insbesondere 1. ärztliche Hilfe; 2. Heilmittel; 3.

Heilbehelfe; 4... (Abs 2).

Die Unfallheilbehandlung wird so lange und so oft gewährt, als eine

Besserung der Folgen des Arbeitsunfalles ... zu erwarten ist oder

Heilmaßnahmen erforderlich sind, um eine Verschlimmerung zu verhüten (§ 190).

Anspruch auf Unfallheilbehandlung besteht, wenn und insoweit der Versehrte nicht auf die entsprechenden Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung (KV) Anspruch hat bzw für ihn kein solcher Anspruch besteht (§ 191 Abs 1).

Ein Hauptziel der UV ist es, durch Unfallheilbehandlung die durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit hervorgerufene Gesundheitsstörung oder Körperbeschädigung sowie die durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw der Fähigkeit zur Besorgung der lebenswichtigen persönlichen Angelegenheiten zu beseitigen oder zumindest zu bessern und eine Verschlimmerung der Folgen der Verletzung zu verhüten (vgl § 189 Abs 1). Das Ziel der Unfallheilbehandlung stimmt im wesentlichen mit dem der Krankenbehandlung überein. Durch diese Leisrtung der KV sollen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden (§ 133 Abs 2). Ebenso wie die Unfallheilbehandlung umfaßt die Krankenbehandlung ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe (Abs 1 der letztzit Gesetzesstelle), wobei die Aufzählung in der UV allerdings nicht taxativ ist (vgl § 189 Abs 2; MGA ASVG 42. ErgLfg 1005 FN 2; Tomandl in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 320f; des Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 149 A).

Wegen der im wesentlichen übereinstimmenden Ziele von Unfallheilbehandlung und Krankenbehandlung hätten auch in der KV versicherte Versehrte sowohl gegen den Träger der KV als auch gegen den Träger der UV Anspruch auf diese Leistungen. Eine solche sachliche Doppelkompetenz der beiden Versicherungsträger wird jedoch durch § 191 Abs 1 vermieden, nach dem der Anspruch auf Unfallheilbehandlung nur mangels eines entsprechenden Anspruches auf Krankenbehandlung besteht, also bei einer Vorleistungspflicht des Trägers der KV nur subsidiär ist (Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 320/1; ders, Grundriß4 Rz 149; Grillberger, österreichisches Sozialrecht2, 65).

Der Träger der UV kann die Gewährung der sonst vom Träger der KV zu erbringenden Leistungen der im § 189 Abs 2 bezeichneten Art jederzeit an sich ziehen. Er tritt dann hinsichtlich dieser Leistungen dem Versehrten ... gegenüber in alle Pflichten und Rechte des Trägers der KV ein. Der Träger der UV hat in diesem Fall dem Träger der KV anzuzeigen, daß er von einem bestimmten Tage an die Heilbehandlung gewährt; von diesem Zeitpunkt an hat der Versehrte gegen den Träger der KV keinen Anspruch auf die entsprechenden Leistungen der KV (Abs 2).

Der Träger der UV kann die Unfallheilbehandlung entweder unmittelbar durch hiezu bestimmte Einrichtungen oder Ärzte gewähren oder einen KV-Träger mit der Durchführung der Heilbehandlung gegen Kostenersatz betrauen... (§ 193).

Der Versehrte hat Anspruch auf Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und andern Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen des Arbeitsunfalles ... zu erleichtern. Alle diese Hilfsmittel müssen den persönlichen und beruflichen Verhältnissen des Versehrten angepaßt sein (§ 202 Abs 1). Schadhaft oder unbrauchbar gewordene ... Hilfsmittel sind auf Kosten des Trägers der UV wieder herzustellen oder zu erneuern (Abs 3 Satz 1). Hat der Versehrte die Hilfsmittel selbst beschafft oder instandsetzen lassen, so gebührt ihm, wenn die Beschaffung oder Instandsetzung erforderlich und zweckmäßig war, der Ersatz in dem Betrage, den der Träger der UV hätte aufwenden müssen (Abs 4).

Die Wortfolge "Körperersatzstücke, orthopädische Behelfe und andere Hilfsmittel" findet sich auch in der Aufzählung der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation im § 302 Abs 1 Z 2. Der in den §§ 202 und 302 verwendete Oberbegriff "Hilfsmittel" wird im § 154 Abs 1 definiert. Als solche sind Gegenstände anzusehen, die geeignet sind,

a) die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder b) die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu mindern oder zu beseitigen (so auch MGA ASVG 54. ErgLfg 1464 FN 2a).

Bei den im § 137 Abs 1 beispielsweise aufgezählten "Heilbehelfen" handelt es sich um eine Teilleistung der Krankenbehandlung (§ 133 Abs 1 Z 3) und der Unfallheilbehandlung (§ 189 Abs 2 Z 3), durch die die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden soll (§ 133 Abs 2 Satz 2), bzw die durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit hervorgerufene Gesundheitsstörung oder Körperbeschädigung sowie die durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw der Fähigkeit zur Besorgung der lebenswichtigen persönlichen Angelegenheiten beseitigt oder zumindest eine Verschlimmerung der Folgen der Verletzung oder Erkrankung verhütet werden sollen (§ 189 Abs 1).

"Hilfsmittel" sind Gegenstände, die nicht zu den eben erwähnten Zwecken, sondern - etwa nach einer Krankenbehandlung oder Unfallheilbehandlung - zu den im § 154 Abs 1 bzw im § 202 Abs 1 genannten Zwecken eingesetzt werden (SSV-NF 4/146, aber auch SSV-NF 1/9; Dragaschnig-Schäfer-Spitaler, Krankenversicherung6 237f; Binder in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 219f; ähnlich auch Tomandl, SV-System

5. ErgLfg 321). Die Ausführungen Tomandls im Grundriß4 Rz 114, die darauf hinauslaufen, daß Hilfsmittel - für den Bereich des ASVG - im Begriff des Heilbehelfes eingeschlossen seien, gehen auf die angeführte Rsp und Lehre nicht ein. Sie stehen aber auch mit den von Tomandl zum Teil selbst zit Bestimmungen des ASVG in Widerspruch, die deutlich zwischen Heilbehelfen und Hilfsmitteln unterscheiden.

Während die Beistellung von Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln nach der österreichischen Rechtslage nicht zur Unfallheilbehandlung zählt (s insbesondere § 173 Z 1 lit a und d, § 189 Abs 2 und § 202), umfaßt die Heilbehandlung nach § 557 Abs 1 Nr 4 RVO auch die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln einschließlich der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel (Brackmann, Handbuch der SV 65. Nachtrag 560). Als solche gelten Mitteln, die nicht der therapeutischen Einflußnahme dienen, sondern im allgemeinen nach beendetem Heilverfahren erforderlich sind, um den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen der Verletzung zu erleichtern (Brackmann aaO 560b mit Beispielen).

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß es in diesem Rechtsstreit nicht um den Bestand und den Umfang eines Anspruches auf Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen oder anderen Hilfsmitteln im Sinn des § 202 Abs 1 bzw auf Ersatz selbst beschaffter derartiger Hilfsmittel im Sinn des Abs 4 leg cit geht, sondern um den Bestand und den Umfang eines Anspruches auf Gewährung von Unfallheilbehandlung gegenüber dem beklagten Träger der UV. Ausschließlich über den letztgenannten Anspruch hat dieser Versicherungsträger auf Antrag des Klägers bereits mit Bescheid entschieden (§ 67 Abs 1 Z 1 ASGG). Auch das Klagebegehren richtet sich nur auf Ersatz der restlichen Behandlungskosten.

Ein solcher Anspruch würde aber gegen den beklagten Träger der UV nach § 191 Abs 1 - wie bereits ausgeführt - nur dann bestehen, wenn und soweit der versehrte Kläger nicht auf die entsprechenden Leistungen aus der gesetzlichen KV Anspruch hat bzw für ihn kein solcher Anspruch besteht. Die Leistungen der Krankenversicherung werden nämlich nach § 119 ASVG auch gewährt, wenn es sich um die Folgen eines Arbeitsunfalles ... handelt.

Daß der Kläger als in der UV nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h teilversicherter Volksschüler am 4.5.1990 auf dem Weg zur Schule einen Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 4 iVm Abs 2 Z 1 leg cit erlitten hat und aus diesem Arbeitsunfall ggen den beklagten Träger der UV einen - nach § 191 Abs 1 subsidiären - Anspruch auf Unfallheilbehandlung haben könnte, ist für den erkennenden Senat nicht zweifelhaft (anders die von Oberhofer in JBl 1991, 474 und Binder, Zahnbehandlung und Zahnersatz aus sozialrechtlicher Sicht, DRdA 1993, 337 [343] kritisierte E 21.5.1990, 1 Ob 16/90 JBl 1991, 109). Binder betont aaO (342f) zutreffend, daß nicht jeder Zahnschaden der Privatspähre (zb mangelnder Zahnpflege, Wachstumsanomalie, Freizeitunfall) zuzurechnen ist. Vielfach entsteht er berufsbedingt, insbesondere durch gewaltsame Einwirkungen am Arbeitsplatz. Dann liegt die Qualifikation als Arbeitsunfall nahe und das Leistungsrecht der UV tritt ins Blickfeld. Obwohl § 189 Abs 2 die Zahnbehandlungs- und Zahnersatzleistung nicht ausdrücklich anführt, ist in der Lehre (zB Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 81; Binder in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 264/1) unbestritten, daß auch diese Behandlungsformen in der "insbesondere" - Reglung der genannten Gesetzesstelle Platz finden. Dafür spricht vor allem, daß die Unfallheilbehandlung in weitestgehendem Umfang (arg "mit allen geeigneten Mitteln") darauf abzielt, den vor dem Eintritt des Versicherungsfalls gegebenen Gesundheitszustand wiederherzustellen.

Daß der Kläger auf die entsprechenden Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung für die Zeit vom 19.6.1990 bis 18.6.1992 keinen Anspruch hat, steht auf Grund des rechtskräftigen Bescheides der Oö Gebietskrankenkasse vom 25.2.1992 bindend fest; damit wurde nämlich der Antrag des Klägers auf Erstattung der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung für den genannten Zeitraum, also für die ersten beiden Behandlungsjahre, abgelehnt.

Daraus folgt, daß der Kläger für diesen Zeitraum einen Anspruch gegen den beklagten Träger der Unfallversicherung hat. Da diese gegen die Höhe der jährlichen Behandlungskosten von je 17.400 S nicht nur nichts eingewendet, sondern für das erste Behandlungsjahr sogar einen Betrag in dieser Höhe gezahlt hat, sind die Urteile der Vorinstanzen hinsichtlich der ersten beiden Behandlungsjahre (19.6.1990 bis 18.6.1992) wie aus dem Spruch ersichtlich als Teilurteile zu bestätigen.

Hinsichtlich der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers für die Zeit vom 19.6.1992 bis 18.6.1993, also im dritten Behandlungsjahr, liegt nach dem Akteninhalt weder eine Leistung noch ein ablehnender Bescheid des zuständigen Trägers der Krankenversicherung vor. Dieser könnte daher dem Kläger gemäß § 153 Abs 1 ASVG nach Maßgabe der Satzung für den letztgenannten Zeitraum Zahnbehandlung zu gewähren haben. Als Leistung kämen ua Kieferregulierungen in Betracht, soweit sie zur Verhütung von schweren Gesundheitsstörungen oder zur Beseitigung von berufsstörenden Verunstaltungen notwendig sind (sa Binder, Zahnbehandlung und Zahnersatz aus sozialrechtlicher Sicht aaO 338ff; ders in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 264ff). Wenn und soweit der Kläger auf eine entsprechende Leistung aus der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch hätte, wäre der Träger der Krankenversicherung nach § 191 Abs 1 ASVG vorleistungspflichtig und der beklagte Träger der Unfallversicherung nicht zum Kostenersatz verpflichtet.

Ob es sich bei der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers in der Zeit vom 19.6.1992 bis 18.6.1993 um eine Zahnbehandlung nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung der oö Gebietskrankenkasse handelt, bzw in welchem Ausmaß auf eine solche Zahnbehandlung Anspruch besteht, wurde bisher nicht entsprechend erörtert; diesbezüglich liegen auch noch keine für eine abschließende Beurteilung ausreichenden Feststellungen vor. Daß gegen die Höhe des gegen sie behaupteten Anspruches von der Beklagten bisher nichts eingewendet wurde, wurde bereits erwähnt.

Wegen dieser Feststellungsmängel sind die Urteile der Vorinstanzen, soweit sie den Zeitraum vom 19.6.1992 bis 18.6.1993 betreffen, aufzuheben; in diesem Umfang ist die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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