Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der damals als Hilfsarbeiter ua in der Unfallversicherung versicherte Kläger war am 26.7.1990 in der Textildruckerei seiner damaligen Dienstgeberin, bei der er seit etwa zwei Monaten arbeitete, mit Reinigungsarbeiten an einer Preßmaschine, Type Kalander, beschäftigt. Er war dem Vorarbeiter Anton K***** unterstellt. Im Laufe des Vormittags half er dem Betriebsschlosser, die reparaturbedürftige Schutzvorrichtung an der Vorderseite der erwähnten Maschine abzuheben. Dabei erklärte ihm der Betriebsschlosser, daß er die Maschine nicht in Betrieb nehmen dürfe, solange die Schutzvorrichtung abmontiert sei. Der Betriebsschlosser wies vor Beginn der Reinigungsarbeiten am Unfallstag den Kläger und den Vorarbeiter an, "ohne Anbringung der Schutzvorrichtung auf der Preßmaschine" diese nicht einzuschalten. In der Folge wies der Vorarbeiter den Kläger an, die kleinen Walzen an der Rückseite der Preßmaschine zu reinigen. Während der Kläger damit beschäftigt war, schaltete der Vorarbeiter die Preßmaschine ein und brachte damit die beiden großen Walzen an der Vorderseite zum Laufen. Er wollte überprüfen, ob diese Walzen noch gereinigt werden müßten. Während der Kläger noch an der Rückseite der Maschine tätig war, entfernte sich der Vorarbeiter von der Maschine, ohne sie abzuschalten, um Wasser und einen Schwamm zu holen. Etwa fünf Minuten später geriet der Kläger in Abwesenheit des Vorarbeiters mit seinen Händen zwischen die sich drehenden Walzen an der Vorderseite der Maschine. (Dadurch wurde er schwer verletzt.) Aus welchen Gründen er sich dorthin begeben hatte, was er dort machte und wie er seine Hände in die Maschine brachte, konnte das Erstgericht ebensowenig feststellen wie, daß der Vorarbeiter dem Kläger einen Auftrag gab, an der Vorderseite der Maschine Reinigungsarbeiten durchzuführen. Der Kläger hatte keine Ausbildung für die Wartung der Maschine. Er hat eine Volksschule in der Türkei besucht und verfügt über keine weitere Schul- und keine Berufsausbildung.
Mit Bescheid vom 15.9.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Integritätsabgeltung für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 26.7.1990 ab.
Das auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren stützt sich im wesentlichen darauf, der Vorarbeiter habe die Kalandermaschine in Betrieb genommen, dem Kläger den Auftrag erteilt, die Walzen an der Vorderseite zu reinigen, trotz dessen Einwandes, daß dies zu gefährlich sei, auf dem Auftrag beharrt und die weiterlaufende Maschine verlassen. Das Verhalten des Vorarbeiters sei als grob fahrlässiger Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften zu werten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß der Kläger ohne Auftrag und ohne äußeren Anlaß an der Vorderseite der Maschine gearbeitet habe. Damit habe der Vorarbeiter nicht rechnen können. Es liege daher kein grob fahrlässiger Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es schloß sich der Ansicht der Beklagten an.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt.
Nach der Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz sei der Arbeitsunfall nicht durch grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften durch den Vorarbeiter verursacht worden. Der Kläger habe den konkreten Auftrag gehabt, vorerst an der (ungefährlichen) Rückseite der Maschine Reinigungsarbeiten vorzunehmen. Er sei auch (vorher) darauf hingewiesen worden, daß er die Maschine nicht in Betrieb nehmen dürfe, solange die Schutzvorrichtung abmontiert sei. Daß der Vorarbeiter die Maschine entgegen der den Unfallverhütungsvorschriften entsprechenden Anweisung des Betriebsschlossers in Gang gesetzt habe, stelle zwar eine Fahrlässigkeit dar. Es habe für ihn aber keinesfalls naheliegend und vorhersehbar sein müssen, daß sich der Kläger entgegen einem ausdrücklichen Auftrag an die gefährliche Vorderseite der Maschine begeben und dort entgegen dem ausdrücklichen und nicht widerrufenen Auftrag, an der Rückseite der Maschine Arbeiten vorzunehmen, Reinigungsarbeiten vornehmen werde. Diese Arbeiten hätte der Vorarbeiter selbst erledigen wollen, ohne den Kläger damit zu befassen. Das Fehlverhalten des Vorarbeiters sei diesem daher nicht schwer vorzuwerfen.
In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; er beantragt, die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach § 46 Abs 1 Z 2 ASGG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der ASGGNov 1994 BGBl 624 (Art X § 2 Z 7) zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht dem Vorarbeiter unter den festgestellten Bedingungen nicht schwerstens vorzuwerfen ist, ist richtig (§ 48 ASGG). Sie folgt der schon im angefochtenen Urteil zit ersten Grundsatzentscheidung des erkennenden Senates zur Integritätsabgeltung SSV-NF 6/61, deren Grundsätze in den E 19.7.1994, 10 Ob S 76/94 und 23.11.1994, 10 Ob S 156/93 wiederholt wurden. Der Vorarbeiter mußte nicht damit rechnen, daß der Kläger bereits nach etwa fünf Minuten seine ihm aufgetragene Arbeit am ungefährlichen Ende der Maschine verlassen und im Bereich der am anderen Ende der Maschine laufenden Walzen hantieren werde, obwohl er am selben Arbeitstag vom Betriebsschlosser auf die diesbezüglichen Gefahren aufmerksam gemacht worden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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