Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens stellen Verfahrenskosten erster Instanz dar.
Text
Begründung
Am 8.8.1990 fuhr der Kläger als Beifahrer mit dem von seinem Vater gelenkten und bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW der Marke Daihatsu Rocky F 80/70 mit dem Kennzeichen K ***** zu dem dem Vater des Klägers gehörenden Grundstück in ***** auf den sogenannten "M*****". Dort wollte der Vater des Klägers aus einem Holzstapel ein einzelnes Stück Kantholz herausziehen. Dazu schlug er einen U-förmigen Haken in dieses Kantholz hinein und knüpfte ein am Auto befestigtes Abschleppseil daran. Der Kläger war am Beifahrersitz sitzengeblieben und hat diesen Vorgang durch die Heckscheibe beobachtet. In der Folge löste sich der Befestigungshaken, schnellte durch die Heckscheibe des Autos und traf den Kläger am linken Auge und verletzte ihn schwer.
Der Kläger begehrt ein Schmerzengeld in der Höhe von S 150.000,-- und eine Verunstaltungsentschädigung von S 50.000,-- von der beklagten Partei als Haftpflichtversicherer des genannten Fahrzeuges. Darüber hinaus erhob er ein Feststellungsbegehren.
Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Unfall weder auf einen Verkehrsunfall noch auf eine Haftung im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung bzw. des Betriebes des Fahrzeuges zurückzuführen sei. Es handle sich um einen "Arbeitsunfall auf einem privaten Waldgrundstück".
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und wies das Zahlungs- und Feststellungsbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für unzulässig. Beide Vorinstanzen vertraten die Ansicht, daß sich der Unfall auf einem Privatgrundstück des Vaters des Klägers und sohin nicht auf einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Fläche ereignet habe. Der Unfall sei auch nicht "beim Betrieb" des Fahrzeuges erfolgt, vielmehr sei er nur auf eine ungenügende Befestigung des Hakens im Holz zurückzuführen. Es liege daher kein Haftungsfall des § 1 Abs.1 AKHB zugrunde.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Berufungsentscheidung erhobene Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Weder der Ausschlußtatbestand der Verwendung des Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle noch der der Verwendung eines Kraftfahrzeuges auf einer Fläche, die dem öffentlichen Verkehr nicht zugänglich ist, liegen vor.
Die Verwendung eines Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle ist kein Tatbestand, der nach § 1 Abs.1 KFG 1967 den kraftfahrrechtlichen Vorschriften unterliegt. § 59 Abs.1 KFG 1967 und in weiterer Folge § 1 Abs.1 KHVG 1987 sind in diesem Fall nicht anwendbar. Bis zur Änderung der AKHB 1967 durch die Verordnung BGBl Nr.363/1982 war die Verwendung eines Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle ein Ausschlußtatbestand nach Art.4 lit.g AKHB 1967. Bei der Verlagerung der Ausschlußtatbestände in den § 59a Abs.2 KFG 1967 durch das Bundesgesetz BGBl. Nr.362/1982 wurde dieser Tatbestand nicht übernommen, weil davon ausgegangen wurde, daß die Verwendung von Fahrzeugen als ortsgebundene Kraftquelle schon aufgrund der primären Risikobeschreibung (wegen des darin enthaltenen Verweises auf § 1 Abs.1 KFG 1967) nicht unter den Versicherungsschutz fällt. Dabei ist es auch nach der Übernahme der Ausschlußtatbestände in die AKHB 1988 geblieben. Die Verwendung eines Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle ist eine Ausnahme vom Ausschlußtatbestand des Art.7.5.3 der AHVB 1986. Sie fällt also nur unter den Versicherungsschutz der allgemeinen Haftpflichtversicherung. Ein Fahrzeug wird aber nur dann als ortsgebundene Kraftquelle verwendet, wenn es unter vorübergehender Heranziehung von Einrichtungen, die die Fortbewegung blockieren, in einer für das Kraftfahrzeug artfremden Weise eingesetzt wird, so zB durch Aufbocken, durch Ausfahren von Stützen oder durch Blockieren des Getriebes unter Weiterleitung der Motorkraft zu einem Kran oder einer Seilwinde, nicht aber durch bloßes Betätigen der Bremse. Kann das Kraftfahrzeug während dieser Arbeiten aufgrund seiner Konstruktion trotzdem fortbewegt werden, so wird es nicht als ortsgebundene Kraftquelle eingesetzt, sodaß der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer für bei solchen Vorgängen verursachte Schäden trotzdem einzutreten hat (vgl Achatz u.a. in AHVB 1993, 100 ff sowie Baran-Braumüller, Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, 104). Auch das Be- und Entladen eines versicherten Fahrzeuges ist grundsätzlich als Verwendung eines Kraftfahrzeuges anzusehen und fällt unter den Begriff "beim Betrieb" im Sinne des § 1 EKHG (vgl Achatz aaO 101 f). Auch Vorbereitungshandlungen für das Be- und Entladen werden von der Rechtsprechung dem Ladevorgang zugeordnet (vgl ZVR 1983/286, ZVR 1974/192).
Das Befestigen eines Abschleppseiles an einem in ein gestapeltes Kantholz eingeschlagenen U-Haken, um so mit dem losfahrenden PKW dieses Kantholz aus dem Stapel herausziehen zu können, stellt eine Vorbereitungshandlung für den Beladevorgang dar. Das Loslösen des in das Kantholz eingeschlagenen U-Hakens ist nach der Lebenserfahrung entweder auf ein ungenügendes Einschlagen dieses Hilfsmittels oder auf eine falsch gewählte Arbeitstechnik zurückzuführen. Beide Fehler wären dem kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Lenker als Verschulden zuzurechnen. Da die Haftpflichtversicherung grundsätzlich alle Vorgänge beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges abzudecken hat, die dem Schutz des EKHG unterliegen, ist daher die beklagte Haftpflichtversicherung dem Grunde nach deckungspflichtig.
Auch der weitere geltend gemachte Ausnahmetatbestand (keine Straße mit öffentlichem Verkehr) liegt nicht vor. Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Versicherungsfälle, die nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs.1 StVO eintret en, ist im § 2 Abs.2 Z 1 KHVG 1987 und im § 4 BKHB 1989 geregelt. Es handelt sich dabei um eine Pflichtversicherung (Baran-Braumüller aaO 108 ff).
Im vorliegenden Fall liegt ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeuges und dem Unfall vor (vgl zuletzt ZVR 1990/33 = VR 1989, 388 = VersR 1990, 186).
Der Umstand, daß der Kläger unterhaltsberechtigt gegenüber dem Haftpflichtversicherungsnehmer ist, stellt seit der Aufhebung des § 60 Abs.2 Z 3 lit.a KFG 1967 und des Art.4 Abs.1 lit.c der AKHB 1967 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22.10.1981 (ZVR 1982/25) keinen Ausschlußtatbestand mehr dar (VersR 1984, 476).
Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben. Das Erstgericht wird die für die Höhe des beantragten Schmerzengeldes, der beantragten Verunstaltungsentschädigung und für das Vorliegen des Feststellungsbegehrens behaupteten Beweise aufzunehmen und daraus Feststellungen zu treffen haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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