OGH 15Os171/94

OGH15Os171/9412.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Köttner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Melitta S* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und Z 4, 129 Z 1, 130 dritter Fall und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Barbara F* sowie über die Berufungen der Angeklagten Melitta S* und Johannes S* gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juli 1994, GZ 4 b Vr 436/94‑31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Raunig, der Angeklagten Melitta S*, Barbara F* und Johannes S* sowie der Verteidiger Dr. Lackner, Dr. Hoffmann‑Schöll und Dr. Ladstätter zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00171.9400000.0112.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen der Angeklagten Melitta S* und Barbara F* wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung des Angeklagten Johannes S* teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt wird; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche aller drei Angeklagten enthält) wurden Melitta S* (A.I.1.bis 3., A.II.1. und 2.) und Barbara F*, geborene S*, (A.I.1., A.II.1.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 (Melitta S* auch nach Z 4), 129 Z 1, 130 dritter Fall und § 15 StGB, Melitta S* überdies des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB (C.) und Barbara F* auch des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (B.) sowie Johannes S* (der sich seit 8. Jänner 1995 zu 24 b Vr 237/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Verdachtes des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB in Untersuchungshaft befindet) des Verbrechens (richtig: des Vergehens) des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127128 Abs 1 Z 1 und § 15 StGB (A.I.2. und A.II.2.) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

(zu A.) nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen (Melitta S* in einem 25.000 S übersteigenden Betrag) meist unter Ausnützung eines Zustandes der Bestohlenen, der sie hilflos machte, nämlich einer starken altersbedingten Gebrechlichkeit bzw geistigen Behinderung, wobei Melitta S* und Barbara F* die schweren Diebstähle gewerbsmäßig verübten,

I. weggenommen, und zwar:

1. Melitta S* und Barbara F* im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

a) am 11. Mai 1993 den geistig behinderten Kindern Elfriede und Maria B* ca. 600 S,

b) am 13. Mai 1993 der 81‑jährigen Maria M* ca. 1.700 S,

c) im Sommer 1993 dem 87‑jährigen Oskar H* und der 85‑jährigen Klara H* ca. 8.000 S,

d) am 14. Dezember 1993 der 93‑jährigen Johanna R* 1.500 S,

e) am 17. Dezember 1993 der an den Rollstuhl gefesselten 84‑jährigen Stefanie K* ca 7.500 S;

2. Melitta S* und Johannes S* im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

a) am 20. Juli 1993 der sehr gebrechlichen 86‑jährigen Emma H* ca 600 S,

b) im Juli 1993 der 86‑jährigen Leopoldine B* ca 800 S;

3. Melitta S* alleine

a) der schwer gehbehinderten 89‑jährigen Anna K*

aa) im Sommer 1992 19.000 S,

bb) am 13. August 1992 1.000 S und eine Geldbörse,

b) im Sommer 1992 dem 86‑jährigen Josef K* ca 1.000 S,

c) im November 1992 der an den Rollstuhl gefesselten 84‑jährigen Stefanie K* ca 20.000 S,

d) im Sommer 1993 der 93‑jährigen Johanna R* ca 30.000 S;

II. wegzunehmen versucht, und zwar

1. Melitta S* und Barbara F* im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

a) im Herbst 1993 der Herta H* mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, indem sie unter der Vorgabe, als Heimhelferin in die Wohnung zu müssen, den hinterlegten Schlüssel zur Wohnung der Herta H* zu erlangen trachteten,

b) im Sommer und Herbst 1993

aa) der schwer gehbehinderten 89‑jährigen Anna K* in zwei Angriffen,

bb) der an den Rollstuhl gefesselten 84‑jährigen Stefanie K*

cc) der 91‑jährigen Margarete R* und

dd) der 97‑jährigen Hilde S*

2. Melitta S* und Johannes S* im Sommer 1993 der 93‑jährigen Johanna R*

(zu B.) Barbara F* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Johanna R* und Stefanie K* unter der Vorgabe, für sie einkaufen zu gehen, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet, die diese an ihrem Vermögen schädigten, und zwar

1. am 14. Dezember 1993 Johanna R* zur Hingabe eines Geldbetrages von 300 S und einer Einkaufstasche,

2. am 17. Dezember 1993 Stefanie K* zur Hingabe von 300 S;

(zu C.) Melitta S* im Dezember 1993 dadurch, daß sie aus den zu Punkt B. genannten betrügerisch herausgelockten Geldbeträgen Teile erhielt (gemeint: annahm), Sachen, die Barbara F* durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, an sich gebracht.

 

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch erhob lediglich die Angeklagte Barbara F*, und zwar inhaltlich der Beschwerdeausführungen und des Beschwerdeantrages (541 f) ausdrücklich nur gegen die Schuldspruchsfakten A.II.1.a und A.II.1.b.aa bis cc eine auf die Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, während sie die anderen Schuldspruchsfakten ebenso unbekämpft ließ wie die Angeklagten Melitta und Johannes S* die sie betreffenden Schuldsprüche.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Zu Unrecht hält die Beschwerdeführerin in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) das ihr zu Punkt A.II.1.a des Urteilssatzes angelastete Tatverhalten (nach ihrer Meinung mangels Ausführungs‑ und Erfolgsnähe) für eine noch dem Stadium des (strafbaren) Versuchs vorgelagerte, mithin straflose Vorbereitungshandlung und demzufolge diesen Schuldspruch wegen des versuchten Einbruchsdiebstahls zum Nachteil der Herta H* als rechtlich verfehlt.

Nach den hiefür maßgeblichen Urteilsfeststellungen (US 13, 17, 21) wollten Barbara F* und Melitta S* zunächst den ‑ vermeintlich in einem in unmittelbarer Nähe der Wohnung befindlichen Geschäftslokal (110, 118, 451 f, 460) hinterlegten ‑ Schlüssel zur Wohnung der Herta H* in ihren Besitz bringen, um damit sogleich in die betreffende Wohnung einzudringen und daraus Bargeld zu stehlen. Die geplante Tatausführung scheiterte lediglich deshalb, weil sich bei ihrer Nachfrage im Geschäftslokal herausstellte, daß die Wohnungsinhaberin Herta H* inzwischen in ein Heim gekommen war und sich die Schlüssel deshalb nicht mehr im Geschäftslokal befanden.

Gemäß § 15 Abs 2 StGB ist die Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Danach bedarf es zur Annahme eines ‑ über das Stadium der bloßen (straflosen) Tatvorbereitung hinausgehenden ‑ strafbaren Versuchs entweder einer (bereits begonnenen) Ausführungshandlung oder (wenigstens) einer nach außenhin in Erscheinung tretenden Betätigung des auf die Verwirklichung des strafgesetzwidrigen Erfolges gerichteten unbedingten Handlungswillens durch ein in unmittelbarer sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht stehendes und nach dem Plan des Täters der beschlossenen Ausführung unmittelbar vorangehendes Verhalten, das nach der zielgewollten Vorstellung des Täters alsbald oder doch in unmittelbarer Folge in die Ausführung übergehen soll. Das wesentliche Kriterium der "Ausführungsnähe" eines solchen Tatverhaltens hat sich aber stets an der einem konkreten Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung zu orientieren. Davon ausgehend ist zu prüfen, ob ‑ objektiv gesehen ‑ das Täterverhalten zumindest im unmittelbaren Vorfeld der Tatverwirklichung liegt, der Tatentschlossene somit seinen Plan tatsächlich auch bis zur Erreichung der Ausführungsnähe fortentwickelt hat. Nicht erforderlich ist hingegen, daß ein solches Verhalten auch schon erfolgsnahe ist; vielmehr genügt, daß der Täter nach dem ‑ seinen Vorstellungen über die Tatverwirklichung entsprechenden ‑ Tatplan vorgeht (vgl zu all dem Leukauf/Steininger Komm3 § 15 RN 5, 6, 8 ff sowie Hager/Massauer im WK §§ 15, 16 Rz 30 ff mit Belegstellen).

Unter dem Blickwinkel dieser dargelegten rechtlichen Erwägungen lag das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der beiden Angeklagten (versuchtes Abholen eines bislang in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Tatopfers deponierten Wohnungsschlüssels) aber aktionsmäßig schon im unmittelbaren Vorfeld der tätergewollten Tatbestandsverwirklichung und bedurfte nicht mehr der Zwischenschaltung örtlicher, zeitlicher und manipulativer Etappen und war sonach ausführungsnahe, weshalb es vom Erstgericht rechtsrichtig als Versuch des Einbruchsdiebstahls beurteilt wurde.

Verfehlt ist auch die weitere Behauptung der Nichtigkeitswerberin (Z 9 lit b), daß ihr unter den gegebenen Umständen in den Schuldspruchsfakten A.II.1.b.aa. bis cc. der Strafaufhebungsgrund des freiwilligen Rücktritts vom Versuch gemäß § 16 Abs 1 StGB zustatten käme, weil sie und ihre Diebsgenossin sich mit dem Scheitern ihres Bemühens, die greisen Wohnungsinhaberinnen jeweils zum Öffnen der Wohnungstür zu veranlassen, abgefunden und "keine erhöhte kriminelle Energie" mehr aufgewendet hätten, ihre diebischen Vorhaben auch noch erfolgreich zu beenden, was "bei hartnäckiger Betätigung eines Täterwillens" sicher möglich gewesen wäre.

Nach den Urteilskonstatierungen bestand der modus operandi der Angeklagten und ihrer Komplizin Melitta S* darin, sich zunächst durch Telefonanrufe, bei denen sie vorgaben, die altersbedingt schwer beeinträchtigten Wohnungsinhaberinnen als Heimhelferin besuchen zu wollen, Zutritt zu den Wohnungen zu verschaffen und diese dann ‑ während jeweils eine der beiden Täterinnen die pflegebedürftigen Frauen ablenken sollte - nach geeignetem Diebsgut (vor allem Bargeld) zu durchsuchen. In allen hier aktuellen Fällen reagierten jedoch die Wohnungsinhaberinnen auf das Klingeln der Türglocke nicht und ließen die Angeklagten nicht in die Wohnung, sodaß diese die Aussichtslosigkeit, ihr Ziel zu erreichen, erkennen mußten. Ob sie bei ihren Versuchen Zutritt zu erlangen einmal oder mehrmals klingelten, ist ‑ entgegen dem Vorbringen im Gerichtstag ‑ bedeutungslos; eine besondere Nachhaltigkeit ist insoweit nicht von rechtlichem Belang.

Unter diesen Umständen wurden daher die beiden Angeklagten lediglich auf Grund des (unerwarteten) Verhaltens der Wohnungsinhaberinnen ‑ und demnach der Beschwerde zuwider ‑ bloß durch äußere Umstände ‑ daran gehindert, in die Wohnungen zu gelangen und dort ihren Diebstahlsplan zu verwirklichen. Daraus folgt aber, daß es zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch schon am essentiellen Erfordernis der "Freiwilligkeit" fehlte. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß die beiden Angeklagten sodann auch im Anschluß an die mißlungenen Versuche nichts mehr unternahmen, um den Taterfolg doch noch auf andere Weise herbeizuführen, wozu es erst einer Änderung des Tatplanes und eines neuen Tatentschlusses bedurft hätte (vgl Leukauf/Steininger aaO § 16 RN 2 ff, 9).

Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Strafaufhebungsgrund kommt ihr somit nicht zugute, weshalb ihre Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze als unbegründet zu verwerfen war.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten Melitta S* und Barbara F* jeweils nach dem höheren Strafsatz des § 130 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb Jahren (Melitta S*) und achtzehn Monaten (Barbara F*), wobei es dieser Angeklagten gemäß § 43 a Abs 3 StGB einen Teil von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah; über den Angeklagten Johannes S* verhängte es nach §§ 28128 Abs 1 StGB eine achtzehnmonatige Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend, und zwar bei Melitta S* die besonders verwerfliche Ausnützung eines Vertrauensverhältnisses, die mehrfache Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die führende Beteiligung der Angeklagten (beim Verbrechen des Diebstahls) sowie einen den alten Menschen über den finanziellen Schaden hinaus zugefügten Nachteil, bei Barbara F* das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, den (verhältnismäßig) langen Deliktszeitraum und die besonders verwerfliche Vorgangsweise, bei Johannes S* die Wiederholung der Diebstähle und die einschlägigen Vorstrafen; als mildernd berücksichtigte es demgegenüber bei Melitta S* das umfassende Geständnis, die (allerdings nur geringe) Schadensgutmachung und die Tatsache, daß es teilweise beim Versuch geblieben war, bei Barbara F* deren Unbescholtenheit und untergeordnete Beteiligung, das umfassende Geständnis und die Tatsache, daß es teilweise beim Versuch geblieben war, bei Johannes S* das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben war.

Mit ihren dagegen erhobenen Berufungen beantragen Melitta S* (laut ihrem Vorbringen im Gerichtstag) die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB, Barbara F* ebenso die (gänzliche) Nachsicht der achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB und Johannes S* schließlich die Herabsetzung der ausgemessenen Freiheitsstrafe auf "nicht mehr als ein Jahr" und deren bedingte Nachsicht.

Nur der Berufung des Angeklagten Johannes S* kommt in eingeschränktem Umfang Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die gegebenen Strafzumessungsgründe nicht nur im wesentlichen richtig und vollständig aufgezählt, sondern ihnen bei Melitta S* und Barbara F* auch das entsprechende Gewicht beigemessen sowie unter gebührender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) bei diesen zwei Berufungswerberinnen eine Unrechtsfolge geschöpft, die sowohl der beträchtlichen personalen Täterschuld entspricht als auch dem gravierenden Unrechtsgehalt der Taten gerecht wird und sonach in keinem Fall reduktionsbedürftig ist.

Angesichts der mit zweieinhalb Jahren angemessenen Freiheitsstrafe scheitert bei Melitta S* schon deswegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB.

Dem Berufungsvorbringen der Angeklagten Barbara F* und Melitta S* (im Gerichtstag) zuwider hat das Schöffengericht bei ihnen den Erschwerungsgrund der "besonders verwerflichen Vorgangsweise" trotz der Verurteilung wegen "Bedrängsnisdiebstahls" (§ 128 Abs 1 Z 1 StGB) zu Recht herangezogen, weil nicht nur die schwere physische und/oder psychische Behinderung der Tatopfer ausgenützt wurde, sondern zusätzlich die gemeinsam abgesprochene Vorgangsweise von Vorstellungen bestimmt war, die nach dem Empfinden rechtstreuer Menschen besonders verachtenswert sind und deren Abscheu hervorrufen, indem sich die Angeklagten zumeist als Vertreter der Heimhilfe ausgaben, somit unter Ausnützung bestehender amtlich‑sozialer Kontakte unter dem Vorwand, als Besuchsdienst bzw als Besuchskontrolldienst, also zum Zweck der Linderung der bestehenden Hilflosigkeit zu kommen, Eintritt in die Wohnungen der insbesondere wegen der Erwartung lindernder Hilfe arglosen Opfer verschafften (vgl Leukauf/Steininger aaO § 33 RN 11). Unter diesen Umständen kann daher von einer zu ihrem Nachteil erfolgten ‑ der Sache nach geltend gemachten ‑ "Doppelverwertung" keine Rede sein.

Das weitere Vorbringen der Barbara F*, sie sei Mutter dreier minderjähriger Kinder und der Ehemann sei nicht deren Vater, sodaß diesen ‑ im Falle ihres (der Angeklagten) Strafvollzuges ‑ die Heimunterbringung drohe, vermag in dieser Form keinen Milderungsgrund abzugeben (vgl hiezu Leukauf/Steininger aaO § 34 RN 30).

Ungeachtet des bisher ordentlichen Lebenswandels verlangen vor allem die verwerfliche Art der ihr zur Last gelegten Straftaten (A.I.1., A.II.1. und B.) sowie der erhebliche Grad ihrer Schuld ‑ neben generalpräventiven Momenten ‑ den Vollzug einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, um sie künftighin von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 43 a Abs 3 StGB). Dieses Ziel vermag die gänzliche Nachsicht der Freiheitsstrafe nach Lage der Dinge nicht zu erreichen.

Der Berufung des Angeklagten Johannes S* kommt teilweise Erfolg zu. Der von ihm mitzuverantwortende, vergleichsweise geringe Schaden von 1.400 S sowie die (vom Erstgericht unberücksichtigt gelassene) Tatsache, daß er die Straftaten unter dem Einfluß seiner Ehegattin verübt hat, haben den Obersten Gerichtshof veranlaßt, die vom Schöffengericht ausgesprochene Freiheitsstrafe auf ein tatschuldangemessenes Ausmaß von einem Jahr herabzusetzen. Die "untergeordnete Beteiligung" in der Weise, wie sie die Rechtsmittelschrift darlegt, kann hingegen nicht mildernd sein, weil ‑ wie bereits gesagt ‑ die Diebstähle gemäß der abgesprochenen arbeitsteiligen Vorgangsweise durchgeführt wurden.

Verfehlt ist ferner der Hinweis auf die "erdrückende Notlage"; denn zum einen konnte er bei seiner polizeilichen Vernehmung (127) für seine Mittäterschaft kein anderes Motiv als "seine Blödheit" anführen, zum anderen verwendete er einen 200.000‑S‑Kredit zur Anschaffung eines Motorrades (453 unten); kommt noch hinzu, daß er den nach seiner letzten Entlassung aus einer Strafhaft (September 1992) gefundenen Arbeitsplatz mit der Begründung wieder aufgegeben hat: "Ich gehe wegen S 6.000 nicht arbeiten" (463 erster Absatz). Unter solchen Umständen kann aber von einer "drückenden Notlage" wie sie § 34 Z 10 StGB versteht (vgl hiezu Leukauf/Steininger aaO § 34 RN 16) nicht gesprochen werden.

Gegen die behauptete "günstige Zukunftsprognose" spricht allein schon die evidente Wirkungslosigkeit in der Vergangenheit wiederholt gewährter Besserungs‑ und Resozialisierungsmaßnahmen in Form eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe (Jugendgerichtshof Wien 21 U 269/82), dreier bedingter Strafnachsichten ‑ einmal unter Bestellung eines Bewährungshelfers ‑ (Jugendgerichtshof Wien 1 b Vr 13/84, Landesgericht für Strafsachen Wien 4 c E Vr 10.751/86, Landesgericht Krems an der Donau 9 d E Vr 780/89), einer bedingten Entlassung mit anschließender Probezeitverlängerung (Landesgericht für Strafsachen Wien 18 h BE 1119/88) sowie mehrfacher Strafvollzüge fast ausschließlich wegen verschiedener Eigentumsdelikte (unter anderem Landesgericht für Strafsachen Wien 4 b E Vr 1695/92: vier Monate Freiheitsstrafe bis 15. Juli 1992), sodaß es auch bei Johannes S*, der bereits als Rückfallstäter nach § 39 Abs 1 StGB anzusehen ist, des gänzlichen Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe bedarf, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 43 Abs 1 StGB).

Aus den dargelegten Gründen war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

 

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