OGH 2Ob558/93

OGH2Ob558/9312.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Georg S*****, vertreten durch Kreibich, Bixner, Demoser & Kleibel, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Golfclub L*****, vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13.April 1993, GZ 20 R 45/93-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 16.Oktober 1992, GZ 9 C 1426/92s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, die Immission von festen Körpern, insbesondere das Eindringen von Golfbällen, in die nicht vom Bestandvertrag der Streitteile vom 21.Dezember 1972 umfaßten Grundstücke der klagenden Partei, insbesondere die Grundstücke Nr.1 (Schloß T*****), 10, 11, 15/3 und 20 der EZZ ***** und ***** KG T***** zu unterlassen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 40.858,20 (darin S 4.569,70 Umsatzsteuer und S 13.440,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist (seit 1989) Eigentümer der Liegenschaften EZZ ***** und ***** KG T*****, zu welchen ua die Grundstücke Nr.1 (Schloß T*****), 10, 11, 15/3 und 20 gehören. Mit Vertrag vom 21.Dezember 1972 hatte die beklagte Partei von den Rechtsvorgängern des Klägers ua die an das Schloß T***** angrenzenden Grundstücke Nr.7/1, 7/2, 13 und 15/2 zum Zweck der Errichtung und des Betriebes einer Golfanlage in Bestand genommen. Direkt neben dem Schloß T***** befindet sich auf dem Grundstück Nr.13 ein sogenanntes "Pitching Green", welches zum Üben von hohen Annäherungsschlägen an ein Loch (die Fahne) dient. Auf dem Grundstück Nr.7/1 befindet sich das sogenannte "Neunerloch". Der Kläger wußte beim Erwerb der Liegenschaften, daß die beklagte Partei auf den genannten Grundstücken eine Golfanlage betreibt. Des öfteren dringen (von der Golfanlage aus) Golfbälle auf die nicht vom Bestandvertrag umfaßten Grundstücke im Bereich um das Schloß ein. Am 7. Mai 1992 schlug ein Golfball in geringer Entfernung zum Kopf eines Angestellten des Klägers an die Schloßmauer auf. Tags darauf geschah ein ähnlicher Vorfall. Am 28.August 1992 schlug ein Golfball in unmittelbarer Nähe des Klägers und eines anderen Mannes ein; dafür entschuldigten sich die am 9.Loch tätigen Golfspieler beim Kläger. Daß - insbesondere in letzter Zeit - durch Mitglieder des beklagten Golfclubs Golfbälle mit Absicht in die Richtung des Schlosses oder der nicht vom Bestandvertrag umfaßten Flächen geschlagen werden, konnte nicht festgestellt werden. An der Ostseite des Übungsfeldes befindet sich eine Mauer, die dieses von der unmittelbar an der Westseite des Schlosses vorbeiführenden Straße trennt. Auf dieser Mauer wuchsen ua Eschen und Eichen(büsche) mit rund 2 bis 2 1/2 m Höhe. Um die Mauer vor Beschädigungen (Durchberstungen) zu schützen, wurden schon unter dem Rechtsvorgänger des Klägers alle fünf bis sechs Jahre die starken "Stämme" dieses Mauerbewuchses entfernt. Im Winter 1991/1992 wurde der Großteil dieses Mauerbewuchses auf Anordnung des Klägers entfernt. Das lediglich als Sichtschutz gedachte Gebüsch an der Mauer konnte das Eindringen von Golfbällen in den Bereich des Schlosses nicht verhindern.

Der Kläger begehrt die Verurteilung des beklagten Vereines zur Unterlassung der "Immission" (des Eindringens) von Golfbällen auf seine nicht vom Bestandvertrag umfaßten nahegelegenen Grundstücke und stützt sein Begehren auf die Verletzung des Bestandvertrages (dessen unzulässige Ausdehnung bzw einen Verstoß gegen vertragliche Nebenund/oder Sorgfaltspflichten) sowie auf nachbarrechtliche Bestimmungen.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, bestritt, daß vom Golfplatz aus Golfbälle auf die angrenzenden Grundstücke gelangen und wendete überdies ein, die Klagsführung sei im Zusammenhang mit anderen, vom Kläger gegen ihre Clubmitglieder gesetzten Gefährdungshandlungen sittenwidrig und schikanös.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Kläger beim Erwerb der betreffenden Liegenschaften die angrenzende Golfplatzanlage gekannt und die damit üblicherweise einhergehenden unvermeidbaren Unzukömmlichkeiten auf sich genommen habe, sodaß seine Klagsführung schikanös sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Unter Billigung der Rechtsansicht des Erstrichters erblickte es in den mit dem auf einen Golfbetrieb als Bestandgegenstand abgestellten Bestandvertrag (der Rechtsvorgänger) des Klägers mit der beklagten Partei verbundenen Pflichten des Bestandgebers jenen im § 364 Abs.2 letzter Satz ABGB normierten besonderen Rechtstitel, der den Bestandgeber (hier gleichzeitig Grundeigentümer der benachbarten Liegenschaften) zur Duldung des beim Vertragsabschluß in Kauf genommenen Eindringens von Golfbällen (im üblichen Ausmaß) verpflichtet habe. Soweit der Kläger auf eine Verletzung der gebotenen schonenden Ausübung des Bestandrechtes durch die beklagte Partei dringe, sei er darauf zu verweisen, daß aus dem Bestandvertrag das Eindringen der Golfbälle im üblichen Ausmaß abgeleitet werden könne. Von einer schikanösen Rechtsausübung des Klägers könne aber schon mit Rücksicht darauf keine Rede sein, daß nach der ganzen Sachlage die Gefährdung von Personen durch über die Grundgrenze fliegende Golfbälle auf der Hand liege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

Es ist herrschende Ansicht, daß das Eindringen fester "grobkörperlicher" Stoffe (wie ua Steine, Kugeln, Fußbälle usw) nicht von den Eigentumsbeschränkungen des § 364 Abs.2 ABGB gedeckt ist und daher von dem davon betroffenen Grundeigentümer jedenfalls abgewehrt werden kann, auch wenn die Voraussetzungen des § 364 Abs.2 ABGB ("daß sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht übersteigen" bzw "die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen") nicht gegeben sind (für viele: SZ 14/224; 44/22; 50/99; MietSlg 33.024 uva; Spielbüchler in Rummel2 Rz 7 zu § 364 mwN). Die in der Entscheidung SZ 65/145 bei der Beurteilung eines uneingeschränkten Unterlassungsbegehrens gegen das Eindringen (Herüberfallen) über den Zaun geschossener (geratener) Tennisbälle ausgesprochene "Schikaneeinschränkung", es könne nicht das Eindringen jeglichen Tennisballes, wohl aber das durch übliche Fehlschläge hervorgerufene Eindringen von Tennisbällen jedenfalls verhindert werden, weil dem Anlagebetreiber dagegen geeignete Maßnahmen, wie die Erhöhung des Gitterzaunes oder eine dem Können der Spieler entsprechende Platzzuweisung, zumutbar seien, kann für den vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Wie die Feststellungen zeigen und von der beklagten Partei auch gar nicht in Abrede gestellt wird, ist nicht einmal das Eindringen eines einzigen mit Wucht geschlagenen, zu hoch fliegenden und mit Wucht auf dem Grundstück des Klägers eindringenden Golfballes tolerabel oder zumutbar, weil die dadurch hervorgerufene konkrete Gefährdung von Personen und Sachen keine Toleranzgrenzziehung zuläßt. Vor allem auch aus diesem Aspekt heraus erweist sich das vorliegende Klagebegehren - unabhängig von anderen zwischen den Streitteilen sonst noch bestehenden, teils in Gerichtsverfahren abzuhandelnden Streitigkeiten - in keiner Weise als schikanös, steht doch eine nach der ganzen Sachlage berechtigte Sorge des Klägers für die Sicherheit der von ihm im kritischen Bereich beschäftigten Personen und seiner dort befindlichen Sachen hinter dieser berechtigten Rechtsausübung.

Der Kläger bedarf sohin keines Rückgriffs auf die aus dem Bestandvertrag der Parteien allenfalls ableitbaren Schutz- und Sorgfaltspflichten oder eine verbotene Ausdehnung des Bestandvertrages durch die beklagte Partei. Er ist aber umgekehrt - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - auch nicht aufgrund dieses Bestandvertrages darauf zu verweisen, das beanstandete Eindringen von Golfbällen dulden oder hinnehmen zu müssen und nur bei tatsächlich eingetretenen Schäden ersatzberechtigt zu sein. Abgesehen davon, daß solche Duldungspflichten nach den Feststellungen nicht im Vertrag vereinbart sind, betrifft ein Bestandvertrag seinem Wesen nach nur die in Bestand gegebenen (hier) Grundflächen und nicht die daran angrenzenden, im freien Eigentum des Bestandgebers verbleibenden Grundflächen. Einen "besonderen Rechtstitel" im Sinne des § 364 Abs.2 letzter Satz ABGB könnte eine (hier nicht bestehende) Duldungspflicht wohl aber auch nur für die unmittelbare Zuleitung echter Immissionen (unwägbarer Stoffe) sein und nicht für die von festen grobkörperlichen Stoffen (Golfbällen). Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger habe durch den Abschluß des Bestandvertrages zum Zweck des Betriebes eines Golfplatzes in Kauf genommen, daß des öfteren Golfbälle auf die nicht vom Bestandvertrag umfaßten Nachbarliegenschaften gelangen, könnte allenfalls dann beigepflichtet werden, wenn es unmöglich wäre zu verhindern, daß Golfbälle auf Nachbarliegenschaften geschossen werden. Derartiges hätte die beklagte Partei behaupten und beweisen müssen. Sie hat dies jedoch nicht getan, sondern behauptet, daß die Gegebenheiten in der Natur so seien, daß das Hingelangen von Golfbällen aus dem Spiel- oder Übungsbereich auf die Grundstücke 1, 10, 11, 15/3 und 20 technisch unmöglich sei. Daher kann schon nach dem Vorbringen der beklagten Partei aus dem Bestandvertrag eine Duldungspflicht des Klägers nicht abgeleitet werden.

Das dem Eigentumsschutz dienende Unterlassungsbegehren bezweckt kein Handlungsverbot für den Störer, sondern ein Erfolgsverbot (SZ 65/145; W.Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 35 ff). Bei Erfolgseintritt wird aufgrund des Erfolges nach § 355 EO vollstreckt, um den Verpflichteten zu einem - der Art nach ihm zu überlassenden - Handeln zu zwingen (SZ 50/99 uva; W.Jelinek aaO 40 ff; Klang in Klang II2 173). Der beklagten Partei ist es daher überlassen, ihrer Verpflichtung durch die ihr organisatorisch zumutbaren und dafür ausreichenden Vorkehrungen zu entsprechen. Nach der ganzen Sachlage und dem Prozeßstandpunkt der beklagten Partei ist die für die vorbeugende Unterlassungsklage als deren materiellrechtlicher Bestandteil geforderte Wiederholungsgefahr bei der beklagten Partei weiter gegeben (SZ 50/99; 35/28 uva; Spielbüchler aaO Rz 5 zu § 354 mwH).

Diese Erwägungen führen zur Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen in die Klagsstattgebung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50, 41 ZPO.

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