OGH 9Ob501/95

OGH9Ob501/9511.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter V*****, Transportunternehmer, ***** vertreten durch Dr.Albert Ritzberger, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Josef S*****, Landwirt, ***** vertreten durch Dr.Janko Tischler jun, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 68.400,-- sA (im Revisionsverfahren S 60.000,-- sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 7.Juli 1994, GZ 2 R 282/94-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 28.März 1994, GZ 9 C 2264/92f-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in Ansehung der Bestätigung des Zuspruches von S 60.000,-- sA und seiner Kostenentscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verhandlung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte ist mit seinem Bruder Hubert S***** Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich eine Schottergrube befindet, in welche der Kläger eine Siebanlage eingebracht hatte.

Im Verfahren 9 C 1736/92 des Erstgerichts (vorangegangenes Verfahren) verlangten Hubert S***** (als Erstkläger) und der Beklagte (als Zweitkläger) den Kläger und damaligen Beklagten schuldig zu erkennen, die durch die Siebanlage bewirkte Störung ihres Eigentums durch den Abbau und die Entfernung der Anlage zu beseitigen. Der Beklagte und damalige Zweitkläger habe dem Kläger und damaligem Beklagten zwar erlaubt, eine Siebanlage aufzustellen, ein vom Kläger vorgeschlagener Kauf sei jedoch wegen der ungelösten Frage der Stromzufuhr nicht zustandegekommen. Die Schaffung dieser Voraussetzung wäre Sache des Klägers und damaligen Beklagten gewesen; der Beklagte und damalige Zweitkläger hätte sich einen Ankauf der Siebanlage erst überlegt, wenn diese gewinnbringend in Betrieb genommen worden wäre. Da bisher nicht einmal ein Probebetrieb hätte durchgeführt werden können, seien die Voraussetzungen für die Zustimmung zur vorläufigen Aufstellung der Anlage weggefallen.

Der Kläger und damalige Beklagte wandte im wesentlichen ein, daß der Beklagte und damalige Zweitkläger die Siebanlage um den Pauschalpreis von S 60.000,-- gekauft habe, wobei dieser für die Stromleitung selbst zu sorgen gehabt habe. Er habe die Anlage geliefert und aufgestellt.

Im genannten Vorverfahren wurde das Klagebegehren rechtskräftig abgewiesen. Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Im Juni 1991 kam es zu einer mündlichen Vereinbarung zwischen dem Beklagten (damaliger Zweitkläger) und dem Kläger (damaliger Beklagter), wonach der Beklagte die Siebanlage pauschal um S 60.000,-- gekauft hat. In diesem Kaufpreis waren der Transport der Anlage in die Schottergrube und die Aufstellung inbegriffen. Der Kaufpreis sollte mit der Inbetriebnahme der Siebanlage fällig sein. Für die erforderliche Stromzuleitung hatte der Beklagte und damalige Zweitkläger zu sorgen. Da ihm dies jedoch zu teuer erschien, stellte er eine solche Leitung nicht her. Die Siebanlage wurde vereinbarungsgemäß geliefert und mit Ausnahme eines Förderbandes montiert. Eine Inbetriebnahme bzw ein Probelauf war bis heute nicht möglich, weil der Beklagte und damalige Zweitkläger seiner Verpflichtung, die notwendige Stromzuleitung herzustellen, nicht nachgekommen ist.

Aufgrund dieses Sachverhalts sei davon auszugehen, daß ein Kaufvertrag im Sinne des § 1053 ABGB abgeschlossen worden sei, den der Kläger und damalige Beklagte in der bedungenen Weise erfüllt habe. Der Beklagte und damalige Zweitkläger habe Eigentum an der Anlage erworben, so daß sein Beseitigungsanspruch nicht zu Recht bestehe.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - den Kaufpreis von S 60.000,-- für diese Anlage vom Beklagten. Der Beklagte habe die Siebanlage mit mündlichem Kaufvertrag von April oder Juni 1991 erworben. Er habe sich verpflichtet, für die Zuleitung der erforderlichen elektrischen Energie zu sorgen und nach Inbetriebnahme der Anlage Zug um Zug den Kaufpreis zu zahlen. Die Anlage sei vereinbarungsgemäß geliefert und montiert worden. Eine Inbetriebnahme habe jedoch nicht erfolgen können, weil der Beklagte trotz Aufforderung keine Stromzuleitung hergestellt habe. Dieser Annahmeverzug des Beklagten stehe der Fälligkeit der Kaufpreisforderung nicht entgegen. Der Kaufpreis sei daher am 18.12.1991 in Rechnung gestellt worden.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Es sei nie ein Kaufvertrag mit dem Kläger zustandegekommen; er habe diesem nur gestattet, die Siebanlage in die Schottergrube einzubringen. Der Stromanschluß hätte rund S 80.000,-- gekostet. Der Kläger hätte sich daher ein Dieselaggregat anschaffen sollen, welcher Verpflichtung er aber nicht nachgekommen sei. Vorsichtshalber werde weiters eingewendet, daß mit dem Kläger nur ein Kauf auf Probe abgeschlossen worden sei, dessen Bedingung für die Rechtswirksamkeit des Kaufes bis heute nicht eingetreten sei, weil eine Probe nicht habe durchgeführt werden können.

Die Anlage sei bereits mehr als 25 Jahre alt gewesen und habe im Zeitpunkt des angeblichen Vertragsabschlusses nur mehr Schrottwert gehabt. Es werde daher die Einrede der Verkürzung über die Hälfte erhoben. Da die Anlage im gelieferten Zustand völlig funktionsunfähig gewesen sei und unbehebbare und wesentliche Mängel aufweise, werde die Aufhebung des Vertrages, allenfalls die Verbesserung durch den Kläger begehrt. Es sei auch zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gekommen, weil die Siebanlage die gewerberechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle.

Nach Fortsetzung des wegen des Vorverfahrens auf Beseitigung der Anlage unterbrochenen Verfahrens machte der Beklagte in der Tagsatzung vom 22.4.1993 ergänzend geltend, daß zahlreiche Teile der Anlage gebrochen seien, es nicht möglich sei, das Förderband aufzubauen und die erforderlichen Kabel nicht vorhanden seien. Aufgrund dieser wesentlichen und unbehebbaren Mängel werde Wandlung, in eventu Verbesserung oder Preisminderung begehrt.

Der Kläger habe den Beklagten in Irrtum über den Wert der Anlage und über die Möglichkeit einer Stromzufuhr geführt. Die Anlage stamme bereits aus dem Jahre 1968, ihr Betrieb habe auf Anordnung der Gewerbebehörde eingestellt werden müssen und die Anlage sei dann mindestens zehn Jahre stillgestanden. Ein allenfalls vorliegender Kaufvertrag werde daher auch wegen Irrtums und Arglist angefochten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger und der Beklagte schlossen im Juni 1991 einen mündlichen Kaufvertrag über die Siebanlage. Als Kaufpreis wurde einschließlich des Transports in die Schottergrube und Aufstellens der Anlage ein Betrag von S 60.000,-- (einschließlich der Umsatzsteuer) vereinbart. Der Kläger stellte sämtliche Kabel, die bei der Siebanlage vorhanden waren, zur Verfügung. Der Kaufpreis sollte mit der Inbetriebnahme der Anlage fällig sein.

Der Beklagte wußte, daß es sich um eine gebrauchte Anlage handelte. Er besichtigte diese vor Kaufabschluß nicht; er sagte dem Kläger, daß er Geräte dieser Art ohnehin kenne. Anläßlich der Verkaufsgespräche hatte der Kläger dem Beklagten mitgeteilt, daß die Siebanlage von der Gewerbebehörde wegen Lärmerregung stillgelegt wurde; der Beklagte müsse darauf achten, daß er in der Schottergrube keine Probleme wegen des Lärms bekomme. Zwischen den Parteien war vereinbart, daß der Beklagte für die zur Inbetriebnahme notwendige Stromzuleitung zu sorgen hatte. Da der Beklagte diese Zuleitung vereinbarungswidrig nicht herstellte, war ein Probelauf bzw eine Inbetriebnahme bis heute nicht möglich.

Der Kläger sandte dem Beklagten am 18.12.1991 die Rechnung über S 60.000,--. Mit Schreiben vom 22.12.1991 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß die Siebanlage nicht seinen Vorstellungen entspreche und daß es Probleme mit den Nachbarn gebe, so daß er die Anlage wieder abbauen solle. Der Beklagte hat den Kläger nie aufgefordert, die Siebanlage in einen funktionstüchtigen Zustand zu versetzen. Er informierte den Kläger weder über die vorhandenen Mängel noch rügte er diese Mängel.

Der Neuwert einer solchen Siebanlage beträgt S 500.000,-- bis S 700.000,--. Im Juni 1991 hatte die Anlage ohne Umsatzsteuer einen Zeitwert von S 35.000,-- bis S 40.000,-- bei einer Streubreite von +/- S 10.000,--. Es hätten Rollen gängig gemacht und gewisse Teile ausgetauscht werden müssen. Die Elektroinstallation und der Verteilerkasten hätten zu dieser Zeit neu hergestellt werden müssen. Im Juni 1991 wäre es wirtschaftlich sinnvoll gewesen, die Anlage durch Gängigmachen der Rollen bzw durch Austauschen funktionstüchtig zu machen. Die Anlage kann nur mit einer entsprechenden Stromzuleitung ausprobiert werden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß bereits zu 9 C 1736/92 rechtskräftig festgestellt worden sei, daß die Parteien einen mündlichen Kaufvertrag abgeschlossen hätten, bei dem ein Kaufpreis von S 60.000,-- vereinbart worden sei. Für die nötige Stromzufuhr habe vereinbarungsgemäß der Beklagte zu sorgen gehabt. Dieser Verpflichtung sei er bis heute nicht nachgekommen. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft verbiete dem Gericht des Folgeprozesses die im Vorprozeß als Hauptfrage entschiedene Vorfrage selbständig zu beurteilen. Es sei daher von einem rechtsgültig zustandegekommenen Kaufvertrag auszugehen.

Im Hinblick auf den Neuwert einer solchen Siebanlage sei der Preis von S 60.000,-- relativ günstig. Naturgemäß könnten an eine gebrauchte Anlage nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an eine neue. Nach dem Parteiwillen hätte die Anlage aber zumindest funktionstüchtig sein sollen. Diese habe zwar diesbezüglich wesentliche Mängel aufgewiesen, doch seien diese Mängel behebbar gewesen, weil die Anlage mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln hätte funktionstüchtig gemacht werden können. Da der Beklagte die vorhandenen Mängel innerhalb der Frist des § 933 Abs 2 ABGB aber weder gerügt noch den Kläger zur Verbesserung aufgefordert habe, sei sein Gewährleistungsanspruch erloschen.

Der Einwand der Verkürzung über die Hälfte gehe ins Leere, da der Zeitwert der Anlage S 35.000,-- bis S 40.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer betragen habe. Darüber, daß die gewerberechtliche Genehmigung wegen zu großer Lärmerregung entzogen wurde, habe der Kläger den Beklagten informiert. Der Beklagte könne sich nicht auf das Fehlen oder den Wegfall einer typischen Voraussetzung berufen, wenn sich diese Umstände auf die eigene Sphäre bezögen. Die Geschäftsgrundlagen seien nicht weggefallen. Auch der Einwand der Irreführung und der Arglist schlage nicht durch. Dem Beklagten seien alle wesentlichen Umstände betreffend die Siebanlage bekannt gewesen; ihm seien vom Kläger keine falschen Tatsachen vorgespielt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß im Vorverfahren zwar nicht mit Rechtskraft über das Bestehen eines Kaufvertrages entschieden worden sei, daß aber die über die Rechtskraftwirkung hinausgehende Bindung aus dem Sinnzusammenhang die neuerliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruches ausschließe. Im Verfahren 9 C 1736/92 des Erstgerichts sei das zwischen den Parteien bestandene Rechtsverhältnis als Ganzes Entscheidungsgegenstand gewesen. Neues Vorbringen zu einem nicht geänderten Sachverhalt sei durch die Bindungswirkung ausgeschlossen. Es wäre nicht vereinbar, im Folgeprozeß davon auszugehen, daß kein gültiger Kaufvertrag zustandegekommen sei, wenn eben diese Frage umfassend Gegenstand der Prüfung im Vorprozeß gewesen sei. Aufgrund des engen inhaltlichen Zusammenhanges gestatte die gebotene Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie keine widersprechende Beantwortung ein und derselben in beiden Fällen zu entscheidenden Rechtsfrage.

Ausgehend von einer rechtsgültig zustandegekommenen Kaufvereinbarung sei der Beklagte mit allen Einwänden präkludiert, die er bereits im Verfahren 9 C 1736/92 hätte erheben können. Dies betreffe sein Vorbringen, keine vorbehaltlose Kaufvereinbarung abgeschlossen, sondern nur auf Probe gekauft zu haben, die Einrede über die Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes der Anlage, sein Vorbringen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage mangels der erforderlichen gewerberechtlichen Voraussetzungen, zur Wandlung infolge wesentlicher unbehebbarer Mängel und seine Anfechtung wegen Irrtums und Arglist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung sei daher nicht weiter einzugehen.

Die Gewährleistungsfrist gemäß § 933 ABGB habe mit der Lieferung der Anlage Mitte des Jahres 1991 zu laufen begonnen. Die vom Beklagten aufgezählten Mängel (Verteilerkasten, Elektroinstallationen, Funktionieren der Rollen, Montage des Förderbandes) seien bei einer Besichtigung erkennbar gewesen; versteckte Mängel seien nicht vorgelegen. Der Beklagte habe eine Prüfung der Anlage unterlassen, die Mängel nie gerügt und den Kläger nicht aufgefordert, die Anlage in einen funktionstüchtigen Zustand zu versetzen. Sämtliche Einwendungen bezüglich Verbesserung und Preisminderung sowie hinsichtlich einer behaupteten Vorleistungspflicht des Klägers seien daher verfristet. Da der Kläger die rechtzeitige Mängelrüge versäumt habe, gelte dies auch für den erstmals in der Berufung erhobenen Einwand der mangelnden Fälligkeit, selbst wenn man aus seinem Vorbringen schlüssig einen solchen Einwand akzeptieren wollte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren auf Zahlung von S 60.000,-- sA abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht im vorliegenden Fall von einer zu weit gefaßten Bindungswirkung des Vorprozesses ausgeht, und auch berechtigt.

Gegenstand des Vorprozesses 9 C 1736/92 des Erstgerichts war das mit S 30.000,-- bewertete Begehren (§ 502 Abs 2 ZPO) der Liegenschaftseigentümer auf Beseitigung einer nur vorläufig eingebrachten Schottersiebanlage. Dagegen wurde eingewendet, daß der Beklagte als einer der Liegenschaftseigentümer die Anlage gekauft habe. Die Klage wurde abgewiesen, weil mit dem Beklagten eine mündliche Kaufvereinbarung geschlossen worden sei und die Anlage vereinbarungsgemäß geliefert und mit Ausnahme eines Förderbandes auch montiert worden sei. Der Beklagte sei Eigentümer der Anlage geworden, so daß sein Beseitigungsanspruch nicht zu Recht bestehe. Fragen der Anfechtbarkeit der Vereinbarung, Mängel der Anlage oder der Fälligkeit des Kaufpreises udgl waren nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Dem Berufungsgericht ist vorerst darin beizupflichten, daß die neuere Judikatur (vgl die Hinweise in Fasching, ZPR2 Rz 1519 und Rechberger, ZPO § 411 Rz 10) neben der unmittelbaren Rechtskraftwirkung eine inhaltliche Bindungswirkung des Vorprozesses für den Folgeprozeß anerkennt, wenn zwar keine Identität der Begehren vorliegt, aber gewisse Fälle der Präjudizialität gegeben sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch überhaupt Vorfrage (bedingendes Rechtsverhältnis) für den neuen Anspruch ist, also der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der mit der neuen Klage begehrten Rechtsfolge gehört. Häufigster Fall der bindenden Wirkung der materiellen Rechtskraft von Präjudizialentscheidungen ist in diesem Zusammenhang die Wirkung des Urteils über einen Zwischenantrag auf Feststellung (§§ 236, 259 Abs 2 ZPO) auf das Endurteil über das Klagebegehren (vgl Fasching aaO Rz 1518).

Bei der Entscheidung über die Eigentumsfreiheitsklage im Vorprozeß war aber das Vorliegen eines Kaufvertrages über die Anlage durch den Beklagten lediglich eine Vorfrage. Das Klagebegehren hätte auch aufgrund anderer allenfalls möglicher Einwendungen (etwa Gestattung der Aufstellung, Abbauvertrag, Pacht udgl) abgewiesen werden können. Die Vorfrage des Eigentumserwerbs ist lediglich den Entscheidungsgründen zu entnehmen, die für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen können (vgl Fasching aaO Rz 1520 und 1523; Klicka, Bindungswirkung, RZ 1990 2 ff, 4). Die Annahme, daß auch die Feststellungen über eine Vorfrage im Vorprozeß selbständig rechtskräftig werden können, würde den Zwischenantrag auf Feststellung völlig entwerten und überdies dem Wortlaut des § 411 ZPO widersprechen, wonach präjudizielle Rechtsverhältnisse dann rechtskräftig entschieden werden, wenn sie zum Inhalt eines Zwischenfeststellungsantrages gemacht wurden. Wären Vorfragen ohnehin bindend festgestellt, wäre dieser Halbsatz überflüssig (vgl Frauenberger in JBl 1994, 483 ff, 484 mwH).

Ein sogenannter Sonderfall der Präjudizialität kann nach der Judikatur nur dann angenommen werden, wenn die beiden Begehren nur deshalb miteinander unvereinbar sind, weil durch die Vorentscheidung die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für das neue Begehren verneint wurden (vgl Fasching aaO Rz 1517 mwH); wenn also ein im Gesetz begründeter Sachzusammenhang zwischen den beiden Begehren besteht (Fasching, Komm III 705) und dieser inhaltliche Zusammenhang so eng ist, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (vgl RZ 1977/49; RZ 1980/31; JBl 1980, 541 ua). Entscheidend ist, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis als Ganzes Gegenstand der Entscheidung im ersten Prozeß war. Wenn hingegen bestimmte Tatsachen im Vorprozeß nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens bildeten, sondern lediglich eine Vorfrage darstellten, dann kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozeß keine bindende Wirkung im folgenden Prozeß zu (vgl RZ 1989/96 mwH). Soweit sich der Beklagte im Vorprozeß darauf beschränkte, lediglich einen Beseitigungsanspruch wegen titelloser Benützung geltend zu machen, ohne dem vom Kläger behaupteten Kauf Einwendungen entgegenzusetzen, kann es ihm bei der folgenden Einklagung des Kaufpreises nicht verwehrt sein, dagegen seine Verteidigungsmittel vorzutragen. Die Einwände des Beklagten stützen sich diesbezüglich auf neue und selbständige Gründe (vgl SZ 36/34; SZ 48/142; SZ 49/82; RZ 1989/96; auch Rechberger ZPO § 411 Rz 10 mwH; Frauenberger aaO 484; Klicka aaO 4).

Im vorliegenden Fall kann es allerdings dahingestellt bleiben, ob die Bindungswirkung der Vorentscheidung zumindest das Vorliegen eines Kaufvertrages umfaßt, weil das Erstgericht ohnehin ausdrückliche Feststellungen dazu getroffen hat und der Beklagte in seiner Berufung das Bestehen eines Kaufvertrages über die Anlage nicht mehr bekämpft. Es geht daher nicht mehr um das Zustandekommen des Kaufvertrages, sondern darum, ob dieser Kaufvertrag anfechtbar ist, ob die Kaufpreisforderung fällig ist und ob die Lieferung der Anlage überhaupt "vertragskonform" erfolgte, zumal die Anlage nach dem Parteiwillen - abgesehen von der Stromzufuhr - zumindest funktionstüchtig hätte sein sollen (Erstgericht S.176 dA). Dieser Umstand ist auch für die Frage der durch die "Lieferung" ausgelösten Fristen bedeutsam.

Das Berufungsgericht wird daher auf die Berufung des Beklagten, die unter anderem eine eingehende Mängel- und Beweisrüge enthält, einzugehen und allenfalls nach Verfahrensergänzung (§ 496 Abs 3 ZPO) neuerlich über den noch offenen Anspruch zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.

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