OGH 14Os178/94

OGH14Os178/9410.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Jänner 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schaffer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred Roman W* wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung während einer Lebensgemeinschaft nach §§ 201 Abs 2, 203 Abs 1 und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. September 1994, GZ 9 Vr 520/93‑26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Schulz zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00178.9400000.0110.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred Roman W* - im zweiten Rechtsgang neuerlich ‑ des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung während einer Lebensgemeinschaft nach §§ 201 Abs 2, 203 Abs 1 und § 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 9. Jänner 1993 in B* seine (damalige) Lebensgefährtin Elisabeth K* mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, und zwar

a) der Weiterführung des Oralverkehrs genötigt, indem er ihren Kopf auf sein erigiertes Glied weiter niederdrückte;

b) eines Analverkehrs zu nötigen versucht, indem er sie mit der Schulter niederdrückte und in den Anus einzudringen versuchte.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den Schuldspruch lt Pkt a) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Er wendet ein (Z 5), daß der Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen undeutlich, unvollständig und mit sich selbst im Widerspruch sei, doch vermag er einen solchen Mangel auch nicht ansatzweise aufzuzeigen. Soweit er Feststellungen darüber vermißt, daß er das Opfer nicht bedroht habe, verkennt er, daß das Erstgericht ausschließlich Gewalt als Nötigungsmittel angenommen hat, weshalb ein Beschwerdegrund insoweit nicht erkennbar ist (§ 285 a Z 2 StPO). Die "Form der Gewalt" (das als solche zu beurteilende Tatsachensubstrat) ist aber im Urteil deutlich beschrieben und einwandfrei begründet.

Indem der Beschwerdeführer eine Nötigung des Opfers überhaupt bestreitet, gleitet er in den Bereich einer Schuldberufung ab, die gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht zulässig ist.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteilsannahme, daß er sowohl mit einem Fuß als auch mit der Hand den Kopf seiner damaligen Lebensgefährtin zu seinem erigierten Glied drückte und diese daher gezwungen war, den von ihr nicht gewollten Oralverkehr fortzusetzen (US 7 f). Das Erstgericht hat diese, wie auch alle anderen Feststellungen zum tatsächlichen Geschehnisablauf auf die Aussage der Elisabeth K* gegründet und hinlänglich dargelegt, warum es dieser Zeugin vollen Glauben geschenkt hat. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieser entscheidenden Tatsachen haben sich bei der Überprüfung des Beschwerdevorbringens an Hand der Akten nicht ergeben.

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten, daß das vom Erstgericht festgestellte, auf Fortsetzung des Oralverkehrs gerichtete Nötigungsverhalten keine Gewaltanwendung im Sinne des § 201 Abs 2 StGB darstelle, versagt. Beim Verbrechen der (minderschweren) Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB reicht jede Art von Gewalt im Sinne des Einsatzes nicht ganz unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstandes aus. In diesem Sinne stellt sich das Drücken des Opfers sowohl mit einem Fuß als auch mit der Hand zum erigierten Glied des Täters als Anwendung von ‑ wenn auch im untersten Bereich gelegener ‑ Gewalt zum Zwecke der Abnötigung eines Oralverkehrs dar.

Der Einwand schließlich, es sei eine Willensbeugung des Opfers nicht festgestellt worden, geht über die ausdrückliche Urteilskonstatierung hinweg, daß die Frau durch das beschriebene Vorgehen des Angeklagten gezwungen war, den von ihr abgelehnten Oralverkehr "unfreiwillig" fortzusetzen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB (im Hinblick auf den im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruch wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB) ein Jahr Freiheitsstrafe, die es für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es die "zweifache" Wiederholung der Tat, das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen, das Ausnützen der Zwangslage des Opfers und die Verletzungen desselben (die nicht Gegenstand des rechtskräftigen Schuldspruches sind) als erschwerend; als mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten, und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Die auf eine Strafherabsetzung gerichtete Berufung des Angeklagten ist berechtigt.

Das Ausnützen einer Zwangslage des Tatopfers im hier ersichtlich gemeinten Sinn liegt schon in der Natur einer Vergewaltigung während einer Lebensgemeinschaft und ist daher nicht gesondert als erschwerend zuzurechnen. Der Tatwiederholung hinwieder kommt im Hinblick auf die faktische Einheit des Gesamtgeschehens keine besondere Bedeutung zu. Nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung des minderen Grades der eingesetzten Gewalt sah sich der Oberste Gerichtshof sohin zu der ausgesprochenen Ermäßigung der Strafe bestimmt.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

 

Stichworte