Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit S 3.987,45 (darin enthalten S 664,57 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.236,48 (darin enthalten S 406,08 Umsatzsteuer und S 1.800 Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger als Vermieter kündigten dem Beklagten das von ihm im Hause ***** im Dachgeschoß befindliche gemietete Bestandobjekt aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG auf, weil der Beklagte von seinem Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch mache und sich den Mitbewohnern gegenüber grob ungehörig verhalte. Er schließe nicht nur speziell in den Nachtstunden die Türen in seinem Bestandobjekt äußerst geräuschvoll, sondern verschütte mit Regelmäßigkeit übelriechende Flüssigkeiten im Stiegenhaus.
Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und bestritt ein unleidliches Verhalten.
Das Bestandobjekt liegt in einem Zweifamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoß, in dem sich das Mietobjekt des Klägers befindet. Der Vorraum bzw Stiegenaufgang im Parterre hat ein Ausmaß von rund 4 x 4 m, der Vorraum im ersten Stock von rund 2,5 x 4 m. Im Stiegenraum sowie im ersten Stock befindet sich ein Fenster im Ausmaß von 1 x 1,5
m. Dieses ist durch ein Schloß versperrbar. Sowohl vom Parterre als auch vom ersten Stock ins Dachgeschoß führt eine gewendelte Treppe. Am Beginn derselben befindet sich jeweils ein Fußabstreifer. Die Treppe endet am Wohnungseingang des Beklagten. Im Parterre wohnt der Mieter Franz H***** mit seiner Lebensgefährtin, im ersten Stock rechts vom Stiegenaufgang befindet sich die Wohnung der erst- und zweitklagenden Partei. Seit dem Einzug des Mieters H***** am 1.1.1989 begann der Beklagte das Fenster im Vorhaus im ersten Stock zu öffnen bzw offenzulassen, weil er sich durch den Nikotingeruch der Zigaretten, die H***** meist im Gang des Vorhauses rauchte, extrem gestört gefühlt hat. Dabei ist es öfters vorgekommen, daß das Fenster auch ab und zu die ganze Nacht offengeblieben ist. Der Beklagte wurde in der Folge aufgefordert, das ständige Öffnen der Gangfenster, das die übrigen Mitbewohner störe, zu unterlassen. In weiterer Folge wurde ein verschließbares Fenster angebracht. Daraufhin begann der Beklagte übelriechende Essenzen im Stiegenhaus zu versprühen, wobei er diese mindestens 15mal auf seine eigene Fußmatte träufelte. Die zweitklagende Partei bzw die Mitbewohner H***** und S***** bemerkten den Geruch von faulen stinkenden Eiern im Stiegenhaus zum ersten Mal im Jänner 1992. Diese Geruchsbelästigungen sind dann das ganze Jahr über erfolgt. Zu Weihnachten 1992 gingen H***** und dessen Vater hinaus, um eine Zigarette zu rauchen. Als sie wieder ins Haus zurückkamen, bemerkten sie einen penetrant riechenden Geruch. Im Jänner 1993 spielte die Zweitklägerin mit Antonia U***** und Franziska H***** in ihrer Wohnung Karten. Der Beklagte begann daraufhin die Fenster seiner Wohnung auf- und zuzuschlagen. Er war damals zornig und richtig grantig, weil die Zweitklägerin bzw Franziska H***** in der Wohnung der Zweitklägerin rauchten und er sich durch den Rauch, der durch sein Fenster von außen in seine Wohnung drang, gestört fühlte. "Ihm ist die Galle übergelaufen", er wollte der Zweitklägerin sein Mißfallen dadurch zeigen, daß diese sein Lüften wahrnimmt. Die Zweitklägerin raucht täglich ca ein Päckchen Zigaretten in ihrer Wohnung bei gekipptem Fenster. Am Mittwoch nach Ostern 1993 bemerkte die Zweitklägerin einen beißenden Geruch im Stiegenhaus, konnte ihn aber nicht identifizieren. Der Geruch wurde intensiver, wenn man zur Wohnung der Kläger in den ersten Stock ging, er konnte aber bereits beim Eingang des Hauses wahrgenommen werden. Die Zweitklägerin verließ gegen Mittag das Haus und kam gegen 19 Uhr 30 zurück. Zu diesem Zeitpunkt war im Haus ebenfalls wieder ein beißender Gestank bemerkbar. Um 23 Uhr, als ein Gast der Zweitklägerin ging, kam der Beklagte von seiner Wohnung aus dem zweiten Stock herunter, ging bis zur Wohnungstür der Zweitklägerin und dann wieder in seine Wohnung zurück. Als der Beklagte neuerlich von seiner Wohnung herunterkam, riß die Zweitklägerin die Wohnungstür auf und beobachtete den Beklagten, als er auf den Fußabstreifer auf der ersten Treppe zum Stiegenaufgang des Beklagten ein Parfumerieprobefläschchen entleerte, worauf sich wieder ein beißender Geruch verbreitete. Der Beklagte hat sich dann noch geäußert, die Zweitklägerin solle ihre Gestanktüre schließen und ging wieder in seine Wohnung zurück. Am 22.4.1993 gegen 19 Uhr 15 bemerkte die Zweitklägerin, nachdem der Beklagte mehrmals das Stiegenhaus auf- und abgegangen war, wieder einen beißenden Geruch, der vom Vorhaus des Hauses in die Wohnung der Zweitklägerin eindrang. Der unangenehme Geruch konnte auch im Wohnzimmer der Zweitklägerin wahrgenommen werden. Auch am nächsten Tag war der stinkende Geruch noch leicht wahrnehmbar. Der Erstkläger versuchte anläßlich eines Vorfalles vor Ostern, bei dem er den Beklagten im Vorraum mit einem penetrant riechenden Fläschchen angetroffen hatte, mit ihm zu sprechen und hatte ihn aufgefordert, daß er die Belästigung der Mieter unterlassen solle. Der Beklagte hat sich jedoch lediglich abgewendet.
Das wiederholte Versprühen penetrant riechender Essenzen im Vorraum, das unangemessen lange Lüften des Vorraumes sowie das Beschimpfen der Zweitklägerin und das Schlagen der Türen und Fenster wertete das Erstgericht als Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens und erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam.
Das Gericht der zweiten Instanz hob über Berufung des Beklagten die Aufkündigung auf, wies das Räumungsbegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß das Verhalten des Beklagten wohl unangemessen sein möge, um sein Mißfallen gegen die ihn störenden Nikotingerüche zu kompensieren, daß aber das Verhalten im fraglichen Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren und die Anzahl der Geruchsbelästigungen (mindestens 15) noch nicht als ein rücksichtsloses anstößiges und sonst grob ungehöriges Verhalten qualifiziert werden könne. Es sei zu berücksichtigen, daß für den Beklagten Nikotingeruch subjektiv grob störend sei und andere Mitbewohner darauf keine Rücksicht nehmen und am Gang des Hauses rauchen. Das Zuschlagen der Fenster und Türen vermöge auch bei einer Gesamtbeurteilung die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Da fortgesetzte Störungen des Beklagten nach Zustellung der Kündigung nicht angenommen wurden, sei die Prognose zu erstellen, daß auch künftig willkürliche Geruchsbelästigungen unterbleiben würden.
Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, in Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen bzw wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, der Revision der Kläger keine Folge zu geben.
Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig. Wenn auch der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten im Hinblick auf die im Einzelfall festgestellten Umstände um ein unleidliches im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt, in der Regel keine erhebliche Bedeutung zukommt (2 Ob 578/90), so geht doch die Frage, ob eine wiederholte, wenn auch im Einzelfall unbedeutende Belästigung der Mitbewohner des Hauses durch vorsätzliche Verbreitung von Gerüchen unleidliches Verhalten ist, über den Einzelfall hinaus.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist auch berechtigt.
Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhalten setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen zu duldende Ausmaß übersteigt. Vor allem ist entscheidend, ob ein gedeihliches Zusammenleben der Mitbewohner weiterhin gewährleistet ist (MietSlg 42.309/13).
Zur Beurteilung ist das Gesamtverhalten des Mieters heranzuziehen (MietSlg 37.406, 41.324 f), wobei es für die Berechtigung der Aufkündigung wesentlich ist, ob der Tatbestand zur Zeit der Zustellung der Aufkündigung erfüllt war (MietSlg 40.435 mwN). Das Verhalten nach Zustellung der Aufkündigung hat dann keinen Einfluß auf das Schicksal der Kündigung, wenn es nicht den zuverlässigen Schluß zuläßt, daß die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist (MietSlg 38.444/4; 40.435; 7 Ob 628/91).
Das rund 15malige bewußte Versprühen von den Mitbewohnern als übelriechend empfundener Substanzen auch durch einen ansonsten ruhigen und zurückgezogen lebenden, Zigarettenrauch als störend empfindenden Mieter als Reaktion auf für ihn unagenehme durchaus allgemein übliche Gerüche (zB Zigarettenrauch) im Haus verwirklicht im vorliegenden Fall den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG.
Gerade in einem Zweifamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoß, also einem Wohnhaus mit einer stark eingeschränkten Anzahl an Mietobjekten, ist gegenseitige Rücksichtnahme schon im Hinblick auf die eingeschränkten räumlichen Verhältnisse auch der allgemeinen Teile des Hauses (wie Gänge und Stiegen) unumgänglich. Die Unleidlichkeit des Verhaltens eines Mitbewohners ist daran zu messen, inwieweit sein Verhalten über das allgemein übliche und unvermeidliche Ausmaß zu tolerierender Verhaltensweisen hinausgeht (Mietslg 36.394).
Allgemein zu duldende, weil das Benützungsrecht des Mieters an seinem Bestandobjekt nicht wesentlich beeinträchtigende Geruchsbelästigungen durch andere Mieter wie Küchengerüche, Zigarettenrauch aus deren Wohnungsfenster bzw vom Gang her gehen über das übliche und unvermeidbare bzw zu duldende Ausmaß nicht hinaus und können nicht als Provokation zu einem völlig unüblichen und vermeidbaren Verhalten eines Mieters durch Versprühen von übelriechenden Stoffen am Gang angesehen werden. Sie stellen eine nicht adäquate übertriebene rücksichtslose und mutwillige Reaktion dar, die sich in geradezu boshafter Weise gegen die in üblicher Weise ihr Bestandobjekt und die allgemeinen Teile des Hauses benützenden Mitbewohner richtet.
Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt regelmäßig kein Verschulden voraus (MietSlg 37.412), weil der Kündigungsgrund schon dann hergestellt ist, wenn dem Mieter die Unleidlichkeit und Unverhältnismäßigkeit seines Verhaltens ohne weiteres erkennbar sein mußte (MietSlg 42.307). Dies ist hier der Fall, weil einerseits die vom Beklagten als störend empfundenen Gerüche nur aus der üblichen Benützung der Bestandobjekte bzw der allgemeinen Teile des Hauses entstanden und andererseits der Beklagte bereits anläßlich eines Vorfalles vor Ostern 1993 vom Erstkläger aufgefordert wurde, die Belästigung der Mieter zu unterlassen, er aber entgegen der Behauptung der Revisionsbeantwortung dennoch weitere Geruchsbelästigungen verursachte. Ob er selbst die von ihm herbeigeführten Geruchsbelästigungen angenehm empfunden hat, darauf kommt es bei den von den übrigen Mitbewohnern als übelriechend angesehenen Geruchsstoffen nicht an.
Es ist auch nicht von Belang, daß nach Zustellung der Kündigung keine Belästigung mehr festgestellt werden konnte, weil dies allein nicht den zuverlässigen Schluß erkennen läßt, daß die jederzeit mögliche Wiederholung von Belästigungen auch für die Zukunft auf Dauer auszuschließen ist (MietSlg 40.435).
Da es nicht auf die chemische Zusammensetzung der vom Beklagten in seiner Berufung zugegebenermaßen versprühten, von ihm als Essigsäure-Äthylester bezeichneten Geruchsstoffe und den Zweck, den der Beklagte damit verfolgte, ankommt und auch wiederholt feststellbarer Kanalgeruch nichts an den durch den Beklagten verursachten und festgestellten Geruchsbelästigungen ändert, das Berufungsgericht die in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes enthaltene Feststellung, daß der Beklagte die Zweitklägerin beschimpft habe, ohnehin nicht übernahm, ist die Rechtssache auch ohne Erledigung der nur in der aufgezeigten Weise angeführten Beweisrüge durch das Berufungsgericht im Sinne einer Herstellung des Urteiles des Erstgerichtes spruchreif.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.
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