Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei anläßlich des Versicherungsfalles der Mutterschaft Wochengeld für die Zeit vom 19.3.1993 bis 19.8.1993 zu leisten.
Das weitere Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin Wochengeld über den 19.8.1993 hinaus bis 13.9.1993 zu gewähren, wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz selbst zu tragen."
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei der Klägerin bestand ab 19.3.1993 ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs 3 MSchG. Der vorgesehene Entbindungstermin war der 21.6.1993. Die Geburt der Tochter der Klägerin Theresa Sophie erfolgte am 27.5.1993. Es handelte sich um eine Frühgeburt.
Mit Beschied vom 27.9.1993 gewährte die beklagte NÖ Gebietskrankenkasse der Klägerin Wochengeld für die Zeit vom 19.3.1993 bis 19.8.1993 und wies das Begehren auf Gewährung der Leistung über dieser Zeitpunkt hinaus ab. Anspruch auf Wochengeld bestehe für einen Zeitraum von 8 Wochen vor der Geburt und, da es sich um den Fall einer Frühgeburt handle, für einen Zeitraum von 12 Wochen nach der Geburt, sohin insgesamt für zwanzig Wochen. Wohl sei die Geburt vor dem errechneten Zeitpunkt erfolgt, doch habe die Klägerin unter Einrechnung der Zeit des Wochengeldbezuges gemäß § 3 Abs 3 MSchG insgesamt für mehr als zwanzig Wochen Wochengeld bezogen, sodaß eine Verlängerung des Bezuges gemäß § 162 Abs 2 ASVG nicht eintrete.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Leistung des Wochengeldes über den 19.8.1993 hinaus im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten, wobei sich die Klägerin vor allem auf die Neufassung des § 5 Abs 1 MSchG stützt und die Ansicht vertritt, daß dadurch der früheren Judikatur der Boden entzogen sei.
Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt. Die Frist, für die Wochengeld zu gewähren sei, verlängere sich bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Beschäftigungsverbot nach den Vorschriften des MSchG ende. Nach § 5 Abs 1 MSchG idF BGBl 1992/833 dürften Dienstnehmerinnen bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden. Sei eine Verkürzung der Achtwochenfrist (§ 3 Abs 1) vor der Entbindung eingetreten, so verlängere sich die Schutzfrist nach der Entbindung im Ausmaß dieser Verkürzung, höchstens jedoch auf sechzehn Wochen. Durch die Einfügung des Klammerzitates "§ 3 Abs 1" durch die Novelle sei ein konkreter Hinweis auf die Acht-Wochen-Frist dieser Bestimmung getroffen worden. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle sollte damit für alle Fälle der Verkürzung der Schutzfrist vor der Entbindung ebenso wie den Normalfällen eine Insgesamtdauer von sechzehn Wochen vorgesehen werden, um alle Fälle gleich zu behandeln. Ausgehend von dieser Neuregelung könne die frühere Rechtsprechung (SSV-NF 6/32 ua), wonach in diese Fristen auch die Zeiten von Beschäftigungsverboten nach § 3 Abs 3 MSchG einzubeziehen seien, nicht aufrechterhalten werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wobei es im wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes beitrat. Die Fassung des novellierten Textes, die Entstehungsgeschichte der Novelle und auch die Gesetzesmaterialien wiesen deutlich darauf hin, daß von der Regelung über die Verlängerung der Schutzfrist auch Fälle umfaßt sein sollten, in denen die besondere Schutzfrist gemäß § 3 Abs 3 MSchG in Anspruch genommen worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren der Klägerin auf Gewährung von Wochengeld über den 19.8.1993 hinaus abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt die Frage, ob bei Verkürzung der Achtwochenfrist des § 3 Abs 1 MSchG infolge eines unrichtigen Geburtstermines Zeiten eines vorgezogenen individuellen Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 3 MSchG bei Verlängerung der Schutzfristen nach § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG außer Betracht zu bleiben, sohin eine Zusammenrechnung der verkürzten Schutzfrist vor der Geburt mit einer vorgezogenen Schutzfrist nach § 3 Abs 3 MSchG nicht stattzufinden hat, verneint (SSV-NF 3/85 = DRdA 1990/18 [krit Knöfler]; SSV-NF 6/32, 10 ObS 269/92, 10 ObS 1/93).
Von dieser Rechtsprechung abzugehen bietet auch die Neufassung des § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG durch Artikel I Z 7 des Arbeitsrechtlichen Begleitgesetzes keinen Anlaß.
§ 5 Abs 1 Satz 3 MSchG nF lautet:
"Ist eine Verkürzung der Achtwochenfrist (§ 3 Abs 1) vor der Entbindung eingetreten, so verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung im Ausmaß dieser Verkürzung, höchstens jedoch auf 16 Wochen". Im Normalfall dauert die Schutzfrist und der nach § 162 Abs 2 ASVG davon abhängige Wochengeldbezug vor und nach der Entbindung insgesamt 16 Wochen. Bei Frühgeburten bleibt jedenfalls die 12-wöchige Schutzfrist nach der Entbindung gewahrt. Wenn aber die Frühgeburt vor der Schutzfrist (Siebenmonatskind) oder zwischen Beginn der Schutzfrist und vier Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin erfolgte, verlängerte sich bis zum ArbBG die Schutzfrist nach der Geburt zwar auf höchstens 12 Wochen, jedoch trat eine soziale Benachteiligung gegenüber Normalfällen, in denen die Schutzfrist insgesamt 16 Wochen betrug, ein. Um diese sozialpolitisch als verfehlt empfundene Regelung bei Problemfällen zu beseitigen, ist es sachgerecht, daß § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG nF nun für alle Fälle der Verkürzung der Schutzfrist vor der Entbindung ebenso wie für den Normalfall eine einheitliche Gesamtdauer der Schutzfrist von 16 Wochen vorsieht, um auch diese besonders gravierenden im § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG genannten Fälle nicht schlechter zu behandeln als die Normalfälle (735 BlgNR 18. GP, 22).
Auch bei Problemfällen, in denen ein individuelles Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs 3 MSchG bestand, bedingt die Geburt vor dem der Berechnung der Achtwochenfrist des § 3 Abs 1 MSchG zugrundezulegenden Zeitpunkt keine Verlängerung der Schutzfrist nach der Entbindung über insgesamt 16 Wochen hinaus. Es ergibt sich aus dem Gesetz kein Hinweis darauf, daß auch eine Verkürzung des individuellen Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs 3 MSchG (dieses ist nach dem Übereinkommen Nr 103 der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation über den Mutterschutz [BGBl 1970/31] als zusätzlicher Urlaub zur Vermeidung einer Gefährdung von Leben und Gesundheit von Mutter und Kind während der Schwangerschaft zu gewähren) zu einer Verlängerung der Schutzfrist im Sinne des § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG führen soll.
Der Oberste Gerichtshof wies schon in SSV-NF 6/32 darauf hin, daß die Beziehung des Begriffes der Achtwochenfrist in § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG ausschließlich auf § 3 Abs 1 MSchG, wie dies nun der Wortlaut des § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG nF ausdrücklich vorsieht, nur im Rahmen einer reinen Wortauslegung bei Außerachtlassung des Zusammenhanges und des Zweckes der Regelungen dahin verstanden werden könnte, daß bei Berechnung einer allfälligen Verkürzung der Schutzfrist vor der Entbindung auch dann vom Tag auszugehen ist, von dem nach ärztlichen Zeugnis das allgemeine Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MSchG einzusetzen hat, wenn zuvor bereits ein durchgehendes individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 3 MSchG bestand. § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG will jedoch nicht wie § 5 Abs 1 Satz 2 MSchG eine wegen eines besonderen Schonungsbedürfnisses der Frau nach der Geburt zu gewährende Schutzfrist einräumen, sondern gewährleistet der Frau im Falle einer Verkürzung der Schutzfrist vor der Geburt höchstens gesamte Schutzfrist von 16 Wochen.
Daß der Gesetzgeber den Begriff Achtwochenfrist in § 5 Abs 1 Satz 3 MSchG ausschließlich auf das generelle Beschäftigungsverbot vor der voraussichtlichen Entbindung des § 3 Abs 1 MSchG durch die nunmehrige Aufnahme des Klammerzitates bezog, bedeutet entgegen der Ansicht Knöflers (MSchG10 89, 117) nicht, daß die vorgezogene Schutzfrist nach § 3 Abs 3 MSchG bei Berechnung der Verlängerung der Schutzfrist nach § 5 Abs 1 MSchG außer Betracht zu lassen wäre. Es handelt sich dabei nur um einen Hinweis dafür, daß nur die Verkürzung des absoluten in § 3 Abs 1 MSchG genannten Beschäftigungsverbotes von acht Wochen zu einer Verlängerung der Schutzfrist nach der Entbindung führen kann. Es ist dabei gleichgültig, ob dieses absolute Beschäftigungsverbot von der Schwangeren in Form des allgemeinen Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MSchG oder des individuellen Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 3 MSchG konsumiert wird.
Nur die Verkürzung der Dauer des absoluten Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MSchG (Achtwochenfrist) durch die Geburt führt zu einer Verlängerung der Schutzfrist des § 5 Abs 1 erster Satz MSchG nach der Geburt. Der Zweck dieses individuellen Beschäftigungsverbotes, eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung vor der Niederkunft auszuschalten, wird nicht dadurch vereitelt, daß eine vorgezogene Geburt stattfindet, weil ja die Beschäftigung als Gefährungsfaktor bis dahin entfällt. Entgegen der Meinung Knöflers (DRdA 1990/18 [221] führt daher eine Verkürzung des individuellen Beschäftigungsverbotes in diesem Fall nicht zu einer Verlängerung der Schutzfrist, wenn damit nicht auch die Achtwochenfrist des § 3 Abs 1 MSchG verkürzt wird (10 Ob S 242/94).
Die der Klägerin tatsächlich zugekommene Schutzfrist betrug insgesamt mehr als 16 Wochen. Die bei Frühgeburten zu gewährende Frist von 12 Wochen nach der Entbindung ist ebenfalls eingehalten.
Die Klägerin hat daher nur Anspruch auf Wochengeld in der bescheidmäßigen Höhe; das darüber hinausgehende Begehren war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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