OGH 3Ob164/94(3Ob165/94)

OGH3Ob164/94(3Ob165/94)30.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A*****, vertreten durch Dr.Michael Meyenburg, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen DM 250.458,82 sA (S 1,753.212,- sA), infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 29.Juni 1994, GZ 11 R 76, 77/94-9, womit die Exekutionsbewilligung des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19. November 1993, GZ 1 Nc 107/93-1, bestätigt und der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11.Februar 1994, GZ 1 Nc 107/93-3, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den die Exekutionsbewilligung bestätigenden Teil 1.) des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet, nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Entscheidung über den Antrag, dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Punkt 2 des Beschlusses des Rekursgerichtes), richtet, zurückgewiesen.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die betreibende Gläubigerin brachte am 18.11.1993 den Antrag ein, ihr auf Grund der vollstreckbaren Entscheidung des Schiedsgerichtes bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in Moskau in der Gerichtssache Nr.144/1990 vom 19.2.1993 zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von DM 250.458,82 im Gegenwert in österreichischen Schilling zum Devisenbriefkurs der Wiener Börse am Zahlungstag sowie der Kosten von S 6.532,80 und der Kosten des Exekutionsantrags wider die Verpflichtete die Exekution durch Pfändung und Überweisung von zwei Forderungen der Verpflichteten gegen zwei Drittschuldner zu bewilligen und gegen die Drittschuldner Zahlungsverbot zu erlassen. Weiters beantragte die betreibende Gläubigerin, auf Grund dieser Forderung gegen die Verpflichtete die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der in ihrer Gewahrsame befindlichen beweglichen Sachen zu bewilligen.

Dem Exekutionsantrag war der Vertrag über die Lieferung von Waren zwischen der betreibenden Gläubigerin und der Verpflichteten Nr. III/8021209/80204 vom 2.12.1988 im Original in russischer Sprache mit einer beglaubigten Übersetzung die deutsche Sprache angeschlossen.

Dieser Vertrag enthält folgende Klausel:

"Alle Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die aus dem vorliegenden Vertrag oder im Zusammenhang mit seiner Erfüllung auftreten können, unterliegen der Behandlung durch das Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der UdSSR in Moskau in Übereinstimmung mit den Regeln des Verfahrens beim genannten Gericht. Die Entscheidung des genannten Gerichts ist für beide Seiten endgültig und verbindlich. Die Anrufung ordentlicher Gerichte ist ausgeschlossen".

Neben weiteren Urkunden wurde mit dem Exekutionsantrag eine Ausfertigung der Entscheidung des Schiedsgerichtes bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in Moskau vom 19.2.1993, Gerichtssache Nr.144/1990, mit beglaubigter Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt. Danach wurde die Verpflichtete zur Zahlung von DM 245.918,27 sowie der Schiedsgerichtsgebühr von DM 4.540,62, "insgesamt DM 250.458,82", an die betreibende Gläubigerin verpflichtet; die Entscheidung ist abschließend und kann nicht angefochten werden.

Das Erstgericht bewilligte antragsgemäß die Exekution.

Die Verpflichtete erhob dagegen Rekurs mit dem Antrag, die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rekurs aufzuschieben.

Das Erstgericht faßte den Beschluß, daß diesem Rekurs "aufschiebende Wirkung zuerkannt" werde.

Gegen diesen Beschluß erhob die betreibende Gläubigerin Rekurs.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Gläubigerin Folge und änderte den Aufschiebungsbeschluß dahin ab, daß der Aufschiebungsantrag der Verpflichteten abgewiesen wird.

Ein Antrag auf Aufschiebung der Exekution setze neben einem gesetzlichen Aufschiebungsgrund unter anderem auch die Behauptung und die Bescheinigung der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles für den Verpflichteten voraus. Diese Gefahr habe der Verpflichtete zu behaupten und zu bescheinigen. Hier habe die Verpflichtete nicht einmal einen drohenden Vermögensnachteil behauptet. Bei einer Forderungsexekution müßte eine konkrete Tatsachenbehauptung zur Gefahr von Vermögensnachteilen aufgestellt werden, während bei der Fahrnisexekution die Gefahr des schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles erst nach erfolgter Pfändung als offenbar bestehend angesehen werde. Wenn - wie hier - die Exekution noch nicht vollzogen worden sei, stehe noch nicht fest, welche Gegenstände gepfändet werden sollen und ob deren Verkauf in Frage komme. Die Gefahr des Vermögensnachteiles sei daher bei der Fahrnisexekution vor der Pfändung nicht offenkundig. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil hinsichtlich der Offenkundigkeit der Gefahr eines Vermögensschadens bei Fahrnisexekution von der Entscheidung SZ 59/204 abgegangen werde.

Dem Rekurs der Verpflichteten gegen die Bewilligung der Exekution gab das Rekursgericht nicht Folge. Der Präsident der Russischen Föderation habe am 24.12.1991 beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen eine Note hinterlegt, wonach sich die Russische Föderation zum Rechtsnachfolger der UdSSR erklärt habe und nunmehr diesen Namen anstelle "UdSSR" führe. Die Russische Föderation verbleibe voll verantwortlich für alle Rechte und Pflichten, welche die UdSSR gegenüber den vereinten Nationen übernommen habe. Auf Grund dieser Erklärung stehe fest, daß die Russische Föderation und insoweit als Rechtsnachfolger der UdSSR anzusehen sei. Die von der UdSSR im Rahmen der Vereinten Nationen abgeschlossenen multilateralen Abkommen stünden somit für die Russische Föderation in Geltung, so das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958, BGBl 1961/200. Damit sei der Einwand der Verpflichteten, es fehle an der Gegenseitigkeit, widerlegt. Nach Art III des Übereinkommens verpflichte sich nämlich jeder Vertragsstaat zur Vollstreckung von Schiedssprüchen unter den Voraussetzungen dieses Übereinkommens; damit sei die Gegenseitigkeit durch einen multilateralen Vertrag im Sinn des § 79 EO verbürgt. Der Vorbehalt Österreichs, dieses Übereinkommen nur auf die Anerkennung und Vollstreckung solcher Schiedssprüche anzuwenden, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangen sind, habe auf den vorliegenden Fall keine Auswirkung. Verfehlt sei auch die Auffassung der Verpflichteten, sie habe sich dem Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der UdSSR in Moskau unterworfen, und nicht jenem der Russische Föderation, weswegen der Versagungsgrund für die Vollstreckung des Schiedspruches nach Art V Abs 1 lit d des Übereinkommens vorliege. Die nur den neuen Verhältnissen angepaßte Bezeichnung des Schiedsgerichtes entspreche der Rechtsnachfolge und habe auf die Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches keinen Einfluß.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil eine Judikatur zu dieser Frage der Rechtsnachfolge mit ihren exekutionsrechtlichen Konsequenzen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs gegen die Exekutionsbewilligung ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958, BGBl 1961/200, ist auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen anzuwenden, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen natürlichen oder juristischen Personen in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates als desjenigen ergangen sind, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird (Art I Abs 1 Satz 1). Jeder Staat, der dieses Übereinkommen unterzeichnet oder ratifiziert, im Beitritt oder dessen Ausdehnung gemäß Art X notifiziert, kann gleichzeitig auf der Grundlage der Gegenseitigkeit erklären, daß er das Übereinkommen nur auf die Anerkennung und Vollstreckung solcher Schiedssprüche anwenden werde, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangen sind (Art I Abs 3 Satz 1). Der von der Republik Österreich gemäß Art I Abs 3 Satz 1 des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche erklärte Vorbehalt (kundgemacht in BGBl 1961/200) wurde mit Wirkung vom 25.2.1988 zurückgezogen (BGBl 1988/161). Die Universalität des Übereinkommens, das auch auf Schiedssprüche Anwendung findet, die in einem Nichtvertragsstaat ergangen sind (Gottwald in Münch Komm zur ZPO, Schlußanh 6a, Rz 8 zu Art I; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO52, Schlußanh VI A, Rz 1 zu Art I), wird von Österreich nicht mehr ausgeschlossen. Österreich anerkennt und vollstreckt auf der Grundlage dieses Abkommens jeden, woher auch immer stammenden Schiedsspruch (Bajons in Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 104).

Ob die Russische Föderation Vertragsstaat des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist, ist somit für die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches ohne Bedeutung.

Der Einwand der Verpflichteten, das Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Russische Föderation in Moskau sei mit dem in der Schiedsgerichtsvereinbarung genannten Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der UdSSR in Moskau nicht identisch, ist nicht stichhaltig. Wie aus der mit dem Exekutionsantrag vorgelegten Entscheidung des Schiedsgerichtes hervorgeht, wurde der Klageantrag der Betreibenden am 16.5.1990 beim Schiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der UdSSR eingebracht. Es bestehen keine Zweifel, daß die Kammer für Handel und Industrie der Russische Föderation als Rechtsnachfolgerin alle Funktionen der vormaligen Kammer der UdSSR übernommen hat (Bericht in IPRAX 1993, 428 [430]). Im übrigen ist die Verpflichtete, soweit sie den Versagungsgrund nach Art V Abs 1 lit d des New Yorker UN-Übereinkommens geltend macht, auf die Entscheidung über den von ihr ebenfalls erhobenen Widerspruch gegen die Exekutionsbewilligung zu verweisen (EvBl 1963/365).

Dem Revisionsrekurs gegen die Exekutionsbewilligung war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Revisionsrekurs über die Entscheidung über den Aufschiebungsantrag ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

Die Aufschiebung der Exekution nach § 42 Abs 1 Z 7 EO hatte schon deshalb zu unterbleiben, weil der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung von vornherein offenbar aussichtslos war (vgl SZ 63/49; RdW 1989, 160; RdW 1986, 113; JBl 1950, 291 u.a.).

Über den Antrag, dem - nun vom Erstgericht zu behandelnden - Widerspruch gegen die Exekutionsbewilligung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hat das Erstgericht bisher nicht entschieden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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