OGH 7Ob635/94

OGH7Ob635/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna K*****, vertreten durch Dr.Franz Wallentin, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wider die beklagte Partei Johann K*****, vertreten durch Dr.Florian Lackner, Rechtsanwalt in Braunau, wegen Unterhalts (Streitwert S 360.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 8.März 1994, GZ R 63, 64/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Braunau vom 18.Oktober 1993, GZ 1 C 46/93-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine nach Verfahrensergänzung zu treffende neue Entscheidung aufgetragen.

Die Berufungs- und Revisionskosten bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Beklagte hat aus erster Ehe noch drei großjährige Kinder, aus der zweiten Ehe mit der Klägerin einen (ebenfalls großjährigen) Sohn. Die Streitteile sind miteinander aufrecht verheiratet und leben im gemeinsamen Haushalt in einem "Zuhaus" (Ausgedingswohnung). Diese steht auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, der ursprünglich zur Gänze, dann zu 3/4 im Eigentum des Beklagten, der die Klägerin zu einem Viertel anschreiben ließ, stand und von beiden dem gemeinsamen Sohn übergeben wurde. Laut Übergabsvertrag steht den Streitteilen unentgeltlich ein lebenslängliches Wohnrecht sowie freie Kost und Verpflegung zu. Diese Leistungen repräsentieren mtl. je S 3.000,-- und werden mit Ausnahme der Stromkosten auch in Anspruch genommen. Der Beklagte ließ über Begehren der Klägerin seine Bauernpension teilen, sodaß der Klägerin davon die Hälfte, d.s. monatlich durchschnittlich S 5.705,35 zukommt. Der Beklagte war Eigentümer eines bäuerlichen Anwesens samt umliegenden Liegenschaften in Tirol. Um einer drohenden Enteignung aufgrund eines Bauvorhabens der Verbundgesellschaft zu entgehen, hat er dieser einen Teil der ohnedies keinen Gewinn abwerfenden Liegenschaften in Tirol zu einem Preis von etwas mehr als S 16 Mill. verkauft. Den Hof hat der Beklagte in der Folge seinem Sohn aus erster Ehe namens Wilfried samt den restlichen Liegenschaften gegen ein monatliches Handgeld von S 1.000,-- übergeben, das er jedoch nicht einhebt. Die Streitteile waren sich stets darüber einig, daß die Besitzungen in Tirol an Wilfried übergehen sollen. Ansonsten haben die Streitteile kein Einkommen.

Mit dem Erlös aus dem Verkauf von Grundstücken an die Verbundgesellschaft erwarb der Beklagte kurze Zeit später zwei Liegenschaften in N***** zum Preis von S 3,050.000,--, die er samt der darauf befindlichen Diskothek an seine Töchter aus erster Ehe, Maria und Regina, in Anrechnung auf deren erbrechtliche Ansprüche übergab. Am 23.9.1993 kaufte er eine landwirtschaftliche Liegenschaft in L***** zum Preis von S 13,6 Mill. Nicht festgestellt wurde aus der Aussage des Beklagten, daß er diesen Betrieb (ebenfalls) seinem Sohn Wilfried bzw. seinem Enkel übergeben will.

Die Klägerin begehrt eine monatliche Unterhaltsleistung von S 10.000,--, weil der Beklagte als ihr Ehegatte trotz wiederholter Mahnungen seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Bei entsprechender Veranlagung des Kaufpreises von S 16 Mill. könne der Beklagte einen monatlichen Ertrag von mindestens S 100.000,-- erwirtschaften. Einziges Motiv für den Kauf der "Ersatzliegenschaften" sowie deren teilweise Weitergabe sei es, der Klägerin die ihr zustehende Alimentierung zu verweigern. Zur Weitergabe der gekauften Liegenschaften bestehe weder eine tatsächliche noch eine rechtliche Verpflichtung. Zumindest müsse der Beklagte diese Liegenschaften verpachten, um mit dem Pachterlös die Klägerin zu alimentieren. Die Kauf- und Schenkungsverträge unterlägen der Anfechtung und stellten eine Vollstreckungsvereitelung dar.

Der Beklagte wendet im wesentlichen ein, daß er seine halbe Pension der Klägerin zur Verfügung stelle und diese so wie er Anspruch auf freie Kost und Wohnung aus einem mit seinem Sohn geschlossenen Übergabsvertrag habe. Der Liegenschaftsverkauf sei durch eine drohende Enteignung erforderlich geworden, der Kläger habe zwischenzeitig aus dem Verkaufserlös Ersatzliegenschaften erworben und diese - wie zwischen den Streitteilen schon seit jeher vorgesehen - an seine Kinder in Anrechnung auf deren Erbansprüche übergeben. Der Beklagte habe die Liegenschaft in L***** gekauft, um sie ebenso wie die Liegenschaft in Tirol seinem Sohn aus erster Ehe zu übergeben. Dieser erhalte damit nur einen ungefähren Wertersatz für den Grundabverkauf der Tiroler Liegenschaften. Der Beklagte werde aus der Liegenschaft in L***** keine Erträgnisse aus Eigenbewirtschaftung erzielen, weil er in diesem Fall seinen Pensionsanspruch verlieren würde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin sei von Anfang an mit der Übergabe der Tiroler Liegenschaften an die Kinder einverstanden gewesen. Dies habe daher auch für die Ersatzgrundstücke zu gelten, die der Beklagte aus dem Verkauf der Liegenschaften erworben habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem angefochtenen Urteil. Es erklärte die Revision für unzulässig. Unter Korrektur eines Rechenfehlers des Erstgerichtes ging es davon aus, daß die Klägerin monatlich an Pension und Ausgedingsleistungen S 8.705,-- beziehe, der Beklagte die gleiche Summe, jedoch vermehrt um S 1.000,--, die er noch an Einkommen von seinem Sohn Wilfried beziehen könnte. Bei ausreichendem Einkommen, das heiße, wenn die den bisherigen Lebensverhältnissen entsprechenden Bedürfnisse der Ehegattin befriedigt werden können, bestehe nach der überwiegenden Rechtsprechung kein Anlaß, auch die Substanz des Vermögens für die Alimentierung heranzuziehen. Eine solche Verwertungspflicht bestehe nur dann, wenn die Befriedigung der angemessenen Bedürfnisse des Berechtigten gefährdet sei und die Verwertung dem Verpflichteten auch zumutbar erscheine. Dies sei nach den besonderen Verhältnissen im Einzelfall zu prüfen. Ein Betrag von S 8.705,-- sei für die Bestreitung des Unterhalts der Klägerin ausreichend. Zu einer höheren Leistung wäre der Beklagte nur zu verpflichten, wenn er selbst einen höheren Lebensaufwand betreibe und diese Art der Lebensführung ihn zwinge, die Substanz seines Vermögens anzugreifen. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Streitteile vereinbart hätten, die Tiroler Liegenschaften dem Sohn des Klägers zukommen zu lassen. Dies müsse auch für den Fall des Zwangsverkaufes gelten, sodaß es dem Beklagten zugestanden sei, die vom Erlös angeschafften Ersatzliegenschaften seinen Kindern zukommen zu lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revision ist im Sinne einer Aufhebung berechtigt.

Weder zur Frage, ob für den Ehegattinnenunterhalt nach § 94 ABGB vom Unterhaltspflichtigen auch die Substanz seines Vermögens in Form der Verwertung heranzuziehen ist, noch zu jener, ob im Fall des Verkaufs der Substanz der Ehegattin ein Einfluß auf die Art der Verwertung des Erlöses zusteht, ist bislang eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ergangen. In der Lehre (vgl. Pichler in Rummel ABGB2 § 94 Rz 2 ff sowie § 140 Rz 4, weiters Schlemmer in Schwimann ABGB § 140 Rz 36) wird in diesem Punkt die Rechtsprechung zum Kindesunterhalt wiedergegeben. Zur Heranziehung der Substanz des Vermögens ist die Entscheidung SZ 54/52 (derselbe Fall im 2. Rechtsgang ÖA 1985, 23) zum Unterhaltsanspruch des Enkels gegen seine Großeltern ergangen. Den Entscheidungen 6 Ob 545/91 und 7 Ob 614, 615/92 (insoweit nicht veröffentlicht) lagen andere Fallkonstellationen zugrunde. In der Entscheidung EFSlg. 50.220 sprach das Oberlandesgericht Wien ohne nähere Begründung aus, daß die Substanz des Vermögens für den Ehegattinnenunterhalt heranzuziehen sei. Die weiteren vom Berufungsgericht zitierten zweitinstanzlichen Entscheidungen betreffen die Heranziehung der Substanz des Vermögens bei Ausmittlung des Kindesunterhaltes und die Frage der Zumutbarkeit. All diese Entscheidungen sind nur bedingt für die Lösung des vorliegenden Falles heranzuziehen, weil sich der Kindesunterhalt zwischen Durchschnittsbedarf und "Playboygrenze" einpendelt und, solange ausreichendes Einkommen aus laufenden Einkünften des Unterhaltspflichtigen vorhanden ist, kein Anlaß für die Inanspruchnahme der Substanz des Vermögens gegeben ist; anders verhält sich der Fall aber beim Ehegattinnenunterhalt, weil diese an den Einkommens- und Lebensverhältnissen ihres Gatten teilhaben soll.

Der in der Entscheidung 6 Ob 545/91 ausgesprochene Rechtssatz, daß gemäß § 94 ABGB tatsächlich nicht gezogene Einkünfte an Kapitalerträgen, die der unterhaltsfordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte ziehen können, angemessen zu berücksichtigen sind; was vertretbar oder unvertretbar sei, bestimme sich nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung, die partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten, hat auch für den vorliegenden Fall Anwendung zu finden.

Zunächst ist davon auszugehen, daß es sich bei den Vermögenswerten, auf die die Klägerin Zugriff gewinnen will, um im Alleineigentum des Beklagten stehendes Betriebsvermögen handelt bzw. handelte, das er im Sinne einer mit der Klägerin getroffenen Absprache ursprünglich seinem Sohn überlassen wollte. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß der Verkauf von landwirtschaftlich genutzten Teilen eines bäuerlichen Anwesens zur Unterhaltsbemessung dann unzumutbar ist, wenn dadurch die Existenzgrundlage des Betriebes systematisch geschmälert oder gar vernichtet wird. Die Inanspruchnahme der Substanz eines Vermögens sollte immer dem Notfall vorbehalten bleiben und darf daher nicht einer unnotwendigen Standardaufbesserung dienen. Ebenso entspricht es der Lebenserfahrung, daß von Bauern versucht wird, zu Lebzeiten die Erbteilung vorwegzunehmen, so daß die Bewirtschaftung des Hofes durch das eine Kind nicht durch die Pflichtteilsansprüche der anderen Kinder in Frage gestellt wird. Zweifellos bedarf dies der bereits erwähnten partnerschaftlichen Einigung der Ehegatten, damit im Übergabsfall die dadurch möglicherweise in ihrer materiellen Lage betroffene Ehegattin nicht eine dadurch bewirkte Verschlechterung ihres Lebensstandardes hinnehmen muß. Läge keine derartige Einigung vor, so wäre zu prüfen, ob die Anlage des Erlöses für den Ankauf eines neuen Anwesens für den Beklagten zur Erhaltung seiner bäuerlichen Existenzgrundlage wirtschaftlich zwingend war. Ob sich die hier gegebene partnerschaftliche Einigung der Streitteile aber auch auf die Verwertung des Erlöses aus dem hier eher glücklichen Fall eines Notverkaufes von Teilen, die bisher keinen Ertrag abgeworfen haben, erstreckte, kann nicht abschließend beurteilt werden. Sollte der durch den Abverkauf von Liegenschaften an die Verbundgesellschaft geschmälerte Tiroler Betrieb dem Sohn des Beklagten nunmehr nicht mehr die notwendige Existenzgrundlage als Bauer bieten, so wäre der Ersatzankauf einer zweiten Liegenschaft, die dann die erforderlichen Erträgnisse zuschießen kann, sehr wohl von der ursprünglichen partnerschaftlichen Einigung miterfaßt. Anders stellt sich diese Frage aber dann, wenn der Sohn aus erster Ehe auch ohne die nunmehr verkauften Liegenschaften mit den Restgrundstücken seine wirtschaftliche Existenz als Bauer sichergestellt hat. Da genauere Feststellungen über die Art und den Umfang der getroffenen partnerschaftlichen Einigung für einen derartigen Fall fehlen, kann nicht beurteilt werden, ob die Klägerin auch der Verwertung dieses "außerordentlichen" Erlöses durch Ankauf eines neuen Anwesens - all dies unter der Voraussetzung, daß dies vom wirtschaftlichen Standpunkt her nicht erforderlich war - zugestimmt hätte. War ein derartiger Ankauf vom wirtschaftlichen Standpunkt für den bereits in Pension befindlichen Beklagten nicht erforderlich, dann wäre er als eine Art Wertanlage zu werten und käme dem Einwand der Beklagten, daß diese nur in dieser Form erfolgt sei, um sie um eine höhere Unterhaltszahlung zu bringen, Relevanz zu. Zieht ein unterhaltspflichtiger Pensionist in einem derartigen Fall nicht die Konsequenz daraus, seinen doch eher bescheidenen Lebensstandard durch Erträgnisse aus einem derartigen Erlös aufzubessern, so kann er diese Art der Lebensführung der unterhaltsberechtigten Ehegattin nicht vorschreiben, soweit diese damit nicht einen über die üblichen bäuerlichen Verhältnisse hinausgehenden Lebensstandard wünscht. Vom Beklagten kann daher in einer solchen Situation verlangt werden, daß er der Klägerin zumindest aus erzielbaren Pachterlösen eine Unterhaltserhöhung gewährt und derzeit von einer Übergabe und damit faktisch schenkungsweisen Überlassung der Liegenschaft in L***** an seinen Sohn oder seinen Enkel absieht. Allerdings ist bei einer solchen Vorgangsweise stets zu berücksichtigen, welche Auswirkungen eine solche Verpachtung auf die Pension des Beklagten hat. Nach der derzeitigen Feststellungslage steht der Betrieb in L***** noch im außerbücherlichen Eigentum des Beklagten. Das Erstgericht wird daher in der Folge zu erheben haben, ob das Anwesen in L***** für den Tiroler Betrieb des Sohnes des Beklagten eine notwendige wirtschaftliche Ergänzung darstellt, falls dies aber nicht der Fall sein sollte, ob und welcher Pachtertrag aus diesem Anwesen zu erzielen wäre. Sodann wären die Absprachen der Streitteile über ihre gemeinsame Lebensführung genauer - ebenso wie Art und Umfang ihrer bisherigen Wirtschaftsführung - zu erheben. Zu erheben wäre auch, inwieweit ihre Wirtschaftsführung unter dem in ihrer Wohngegend üblichen bäuerlichen Lebensstandard liegt oder nicht.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren deshalb zur Ergänzung des Verfahrens in der aufgezeigten Richtung aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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