OGH 7Ob29/94

OGH7Ob29/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef R*****, vertreten durch Mag.Bernd Moser, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagte Partei A*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 7.März 1994, GZ 21 R 533/93-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am See vom 12.Oktober 1993, GZ 5 C 555/93b-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Vater des am 11.11.1979 geborenen Alexander R*****, der am 5.10.1992 während der 10-Uhr-Pause von der Schule weglief, obwohl der Unterricht an diesem Tag noch nicht beendet war. Er konnte trotz einer Suchaktion sich mehrere Tage im Raum S***** unentdeckt herumtreiben. Am 8.10.1992 suchte er gegen 20,30 Uhr das frei zugängliche Stallgebäude des landwirtschaftlichen Anwesens "Simonwirtsfeld" in S*****, welches vorwiegend zur Lagerung von Heu und Maschinen verwendet wurde, zum Übernachten auf. Das Stallgebäude war praktisch frei zugänglich; es konnte nicht festgestellt werden, daß das Tor abgeschlossen gewesen wäre. Dieses Anwesen steht im Eigentum von Norbert D***** in S*****, der dafür eine Feuerversicherung abgeschlossen hat. D***** hatte das Gebäude an Karl B***** verpachtet, der sich ebenfalls mit einer Feuerversicherung eingedeckt hatte.

Der mj. Alexander R***** legte sich ins Heu, zündete sich eine Zigarette an und schlief unmittelbar darauf ein. Als er kurze Zeit darauf wach wurde, bemerkte er, daß das umliegende Heu bereits brannte. Als seine Löschversuche nichts nützten, flüchtete er.

Sowohl der Eigentümer als auch der Pächter wußten bereits vor dem 8.10.1992, daß das Stallgebäude immer wieder von fremden Personen zum Schlafen benützt wurde, wobei sie auch vermuteten, daß es sich dabei um Kinder handeln könnte. Durch den Brand wurde das Gebäude vollständig vernichtet. Von der Feuerversicherung des Eigentümers wurde an diesen eine Entschädigungsleistung von S 406.735,-- geleistet, die Feuerversicherung des Pächters leistete an diesen eine Entschädigung von 114.065,--. Das Gebäude war unterversichert. Beide Feuerversicherungsgesellschaften traten zwischenzeitig an den Kläger mit der Aufforderung heran, die erbrachten Entschädigungsleistungen zu ersetzen. Desgleichen forderte der Pächter den Kläger auf, den von der Feuerversicherung nicht gedeckten Schaden von rund S 70.000,-- zu ersetzen.

Der Kläger hat vor dem 8.10.1992 mit der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, der die AHB 1984 zugrundeliegen. Die darin enthaltene Haftpflichtversicherung gewährt auch für im Haushalt des Versicherungsnehmers lebende mj. Kinder Versicherungsschutz. Gemäß Art.17 Abs.1 lit.a der AHB 1984 erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme einer betrieblichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind nach Art.21 Abs.2 der zitierten Bedingungen Schadenersatzverpflichtungen für Schäden, die vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt wurden, wobei dem Vorsatz eine Handlung oder Unterlassung gleichgehalten wird, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden mußte, jedoch in Kauf genommen wurde.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Deckungspflicht aufgrund der erwähnten Haushaltsversicherung.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Sie sei leistungsfrei, weil der Schaden nicht aus einer Gefahr des täglichen Lebens entstanden sei; das Verhalten des Sohnes des Klägers stelle eine gefährliche Beschäftigung dar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, daß dem Kläger keine Vernachässigung seiner Aufsichtspflicht über seinen Sohn vorzuwerfen sei, weil ein fast 13jähriges Kind nicht ständig beobachtet werden müsse. Dem Sohn des Klägers könne zwar im Sinne des § 1310 ABGB Verschulden zur Last gelegt werden, weil er ihm erfaßbare Vorsichtsmaßregeln, nämlich nicht in der Umgebung von leicht brennbaren Gegenständen zu rauchen, mißachtet habe. Sein Vergehen falle aber noch unter den Begriff der Gefahren des täglichen Lebens.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es bewertete den Wert des Streitgegenstandes als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die Revision für zulässig. Rechtlich folgerte es, daß aufgrund des Umstandes, daß das letztlich abgebrannte Gebäude praktisch frei zugänglich gewesen sei, sowie der Tatsache, daß Kinder im Alter des Sohnes des Klägers erfahrungsgemäß heimlich rauchen, eine Lausbubendummheit vorliege, die noch den Gefahren des täglichen Lebens zugeordnet werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, kann dem Kläger eine Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht über seinen Sohn nicht vorgeworfen werden. Nicht strittig ist, daß sich die Versicherung auch auf (gleichartige) Schadenersatzverpflichtungen des mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten und der minderjährigen Kinder erstreckt (Art 17 Abs 2 lit.a der ABH 1984).

Nach der Rechtsprechung ist der in Art.17 Abs.1 lit.a ABH 1984 beschriebene Begriff der "Gefahren des täglichen Lebens" nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin zu verstehen, daß der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren umfaßt, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muß. Es ist nicht erforderlich, daß solche Gefahren geradezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln. Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens nehmen den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens, weil für die von der Haftpflichtversicherung erfaßten Risken geradezu typisch ist, daß ihnen eine leichte oder grobe Fahrlässigkeit zugrundeliegt (Jabornegg, VR 1989, 211 f mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist daher immer eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (vgl. zuletzt EvBl. 1994/153 mwN). Ausgeschlossen sind nach Art.21 Abs.2 der AHB nur aus Vorsatz oder mit dolus eventualis verursachte Schäden.

Daß 13jährige Kinder immer wieder versuchen, in Verstecken zu rauchen, entspricht geradezu einer alltäglichen Erfahrung. Verstecken sie sich dabei in einem Heustadel und schlafen sie beim Rauchen ein, kann dies noch nicht als ein ungewöhnliches Ereignis angesehen werden. Dummheiten mit zuweilen schwerwiegenden Folgen sind typisch für das Verhalten von am Beginn der Pubertät stehenden Knaben. Zwar mußte auch aus der Sicht eines noch nicht 13jährigen Kindes diesem das Rauchen in einem Heustadel als leichtsinnig erscheinen; doch kann man dieser Vorgangsweise weder eine Boshaftigkeit noch einen sonstigen auf Schädigung gerichteten Vorsatz entnehmen oder ein bewußtes oder gewolltes Hinwegsetzen über eine erkannte Verbotsregelung (vgl ecolex 1993, 150 und 622). Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß der mj. Alexander einer Fehleinschätzung seiner Gefahrensituation unterlag. Er betrat, wie dies bei Kindern nicht unüblich ist, ein frei zugängliches Gebäude und ging davon aus, daß er die durch die brennende Zigarette gegebene Gefahr beherrschen werde. Daß er sich beim Rauchen, offensichtlich ermüdet, niederlegte, mag ihm zwar als grobe Fahrlässigkeit anzulasten sein, nimmt jedoch seiner Handlungsweise nicht den Charakter einer Fehlleistung, wie sie eben für die Gefahren des täglichen Lebens üblich ist. Für die von der Revisionswerberin angesprochene Herbeiführung einer außergewöhnlichen Gefahr wäre ein darauf gerichtetes bewußtes Handeln des mj. Alexander erforderlich gewesen. Der Revisionswerberin ist auch entgegenzuhalten, daß ein Versicherungsnehmer mit einer Haushaltsversicherung, die auch eine Privathaftpflicht umfaßt, auch die Abwendung von Schadensfolgen durch Fehlleistungen seiner Kinder, die immer wieder vorkommen und nicht ausgeschlossen werden können, bezweckt. Daß mj. Kinder aufgrund ihrer Unerfahrenheit, ihres Spiel- und Vergnügungstriebes sich in Gefahrensituationen begeben und dabei Schaden anrichten, entspricht einer der Sorgen von Eltern; der Versuch, die Folgen von derartigen Ereignissen zumindest zu mildern, schlägt sich auch im Abschluß einer Privathaftpflichtversicherung nieder.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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