OGH 1Ob635/94

OGH1Ob635/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr .Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch den auf seiten der klagenden Partei dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenienten Dr. Ronald I*****, Rechtsanwalt, *****, wider die beklagte Partei *****I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Melzer, Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkowits und Dr. Robert Steiner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1994, GZ 1 R 49/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 22. Oktober 1993, GZ 10 C 1565/93-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 3.12.1991 erwarb die klagende Partei von der beklagten Partei drei Liegenschaften mit Wohnhäusern; im Kaufvertrag ist unter anderem festgehalten:

„IV. ...... Der Stichtag zur Verrechnung der Erträgnisse und Lasten wird mit 1.12.1991 festgelegt.

V. Beide Vertragsparteien erklären, das Vertragsobjekt besichtigt und für gut befunden zu haben und begehrt insbesondere die Käuferin keine Adaptierungen, Investitionen etc. in die Vertragsobjekte und erklärt weiters, von dem bestehenden Bestandverhältnis Kenntnis zu haben.

........

VIII. Eine Hauptmietzinsreserve bzw Erhaltungsbeiträge sind nicht vorhanden, schlußendlich vereinbaren die Parteien, daß eine Übergabe solcher Beträge an die Käuferin nicht stattfindet.

.......“

Bestimmungen über eine Verpflichtung zur Rechnungslegung sind im Kaufvertrag nicht vorgesehen. Am selben Tag schlossen die Parteien eine Vereinbarung mit nachstehendem auszugsweisem Inhalt:

„In Ergänzung und Erläuterung des Kaufvertrags betreffend die Liegenschaften .... wird zwischen den vertragsschließenden Parteien vereinbart, daß der zugunsten der ... (beklagte Partei) .... bestehende Betriebskostensaldo in der Höhe von S 135.898,71 bei Vertragsabschluß bezahlt wird. Festgehalten wird, daß es sich dabei um Betriebskostenrückstände aus dem Jahr 1991 handelt, welche belegt werden können. ...... (die beklagte Partei) .... verpflichtet sich zur Übergabe der dementsprechenden Belege.“

Weitere schriftliche oder mündliche Nebenabreden zum Kaufvertrag gab es nicht. Einzelne Wohnungen auf den Liegenschaften waren bzw sind in Bestand gegeben.

Die klagende Partei begehrte zunächst die Verurteilung der beklagten Partei zur Rechnungslegung bezüglich der erzielten Erträgnisse aus den drei genannten Liegenschaften für den Zeitraum vom 1.12. bis 31.12.1991 (Punkt I.), behielt das Leistungsbegehren der Rechnungslegung vor (Punkt II.) und begehrte ferner die Rechnungslegung für den Zeitraum vom 1.12.1981 bis 1.12.1991 (Punkt III.). Sie brachte hiezu vor, die Rechnungslegungspflicht der beklagten Partei ergebe sich nicht nur als Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag, sondern auch aus der redlichen Verkehrssitte und auf Grund gesetzlicher Bestimmungen und bestehe auch dann, wenn die Verrechnung der Hauptmietzinsreserve zwischen den Streitteilen vertraglich ausgeschlossen worden sei. Die beklagte Partei habe bisher keine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende nachvollziehbare Rechnung gelegt.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe die klagende Partei bei Vertragsabschluß darauf hingewiesen, daß für die Liegenschaften keine Hauptmietzinsabrechnungen der letzten zehn Jahre zur Verfügung stünden; es lägen nur fragmentarische Abrechnungen vor. Eine ausdrückliche Vereinbarung über eine solche Rechnungslegungspflicht sei deshalb auch in den Kaufvertrag nicht aufgenommen worden. Sie sei beim Abschluß des Kaufvertrags selbst erst weniger als ein Jahr lang Eigentümerin der Liegenschaft gewesen, weshalb die klagende Partei auch nicht habe erwarten dürfen, daß sie überhaupt über Zinsabrechnungen der Voreigentümerin verfüge.

Bei der Tagsatzung vom 8.7.1993 ließ die klagende Partei das Teilbegehren zu I. fallen, ohne aber in der Folge das Leistungsbegehren zu Punkt II. näher zu bestimmen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es noch fest, daß die Mietzinse für Dezember 1991 für alle drei Häuser noch von der beklagten Partei vorgeschrieben und eingehoben worden seien. Welche Unterlagen betreffend die Hauptmietzinsabrechnungen übergeben worden seien und auf welchen Zeitraum sich diese erstreckten, könne dagegen nicht festgestellt werden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die klagende Partei habe ein unbestimmtes Leistungsbegehren erhoben, das nur im Zusammenhang mit einem Rechnungslegungsbegehren als Stufenklage zulässig sei; da die klagende Partei nach Einschränkung des Klagebegehrens das Leistungsbegehren nicht weiter präzisiert habe, sei dieses abzuweisen. Das Begehren der klagenden Partei auf Rechnungslegung betreffend alle Hausverwaltungsabrechnungen, insbesondere die Hauptmietzinsabrechnungen für die letzten zehn Jahre, sei gleichfalls unbestimmt und deshalb abzuweisen; auch sei die beklagte Partei auf Grund des Kaufvertrags zu der von der klagenden Partei begehrten Rechnungslegung nicht verpflichtet. Ein dem Begehren in diesem Punkt stattgebendes Urteil wäre auch nicht vollstreckbar.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die beklagte Partei zur Rechnungslegung betreffend alle den Liegenschaftseigentümern „zugeflossenen Gelder aus der Vermietung von auf diesen Liegenschaften befindlichen Wohnungen bzw alle ihnen erwachsenen Auslagen im Zusammenhang mit der Erhaltung und Verwaltung dieser Liegenschaft“ für den Zeitraum vom 1.12.1981 bis 30.11.1991 verurteilte, und das Leistungsbegehren abwies; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es führte aus, zunächst sei klarzustellen, daß mit Punkt III. des Klagebegehrens Rechnungslegung und nicht die Vorlage bestimmter Belege (Urkunden) verlangt werde. Dem Begehren der klagenden Partei sei zu entnehmen, daß diese für den genannten Zeitraum und die drei Liegenschaften eine Gegenüberstellung der vereinnahmten Gelder mit den im Zusammenhang mit deren Erhaltung und Verwaltung erwachsenen Auslagen fordere. Das Begehren sei damit auf die Darstellung einer Vermögensentwicklung innerhalb eines bestimmten Zeitraums gerichtet, was dem Wesen der Rechnungslegung entspreche. Ob die von der beklagten Partei bereits vorgelegten Belege ausreichten, um daraus die Rechtfertigung einer in der Hauptmietzinsabrechnung ausgewiesenen Ausgabe ableiten zu können, sei eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung. Im Verfahren auf Durchsetzung des formalen Anspruchs auf Rechnungslegung sei deren inhaltliche Richtigkeit nicht zu prüfen. Der erste Anwendungsfall des Art XLII EGZPO statuiere keinen neuen materiellrechtlichen Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung, sondern setze vielmehr voraus, daß eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht bestehe. Ob das zutreffe, sei daher ausschließlich aus dem der Klage zugrunde liegenden Rechtsverhältnis abzuleiten. Diese Verpflichtung könne sich entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechtes oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben. Die Vereinbarung müsse die ausdrückliche Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht unbedingt enthalten, der Anspruch könne sich auch als Hilfsanspruch aus der Natur der privatrechtlichen Beziehung zwischen den Parteien ergeben. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung sei aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ein Rechnungslegungsanspruch dann abzuleiten, wenn ein Teil in entschuldbarer Weise über Bestand und Umfang des Vermögens im Ungewissen, der andere aber unschwer imstande sei, eine solche Auskunft zu erteilen und ihm diese nach Treu und Glauben auch zugemutet werden könne. Dem Käufer eines Hauses sei daher grundsätzlich und auch ohne besondere Abrede gegen den Verkäufer ein Anspruch auf Rechnungslegung zuzubilligen, wenn sich auf der Liegenschaft verschiedene vermietete Objekte befänden; diese Verpflichtung bestehe selbst dann, wenn dem Käufer eine allenfalls vorhandene Hauptmietzinsreserve nicht zu übergeben sei. Die klagende Partei sei als Vermieterin in die bei Vertragsabschluß aufrechten Mietverhältnisse eingetreten; sie sei damit im Verfahren zur Erwirkung der Hauptmietzinsabrechnung gegenüber antragstellenden Mietern passiv legitimiert. Gleiches gelte für die vom Hauseigentümer eingehobenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge (§ 45 MRG), die derjenige zurückzuzahlen habe, der bei Ablauf der Verwendungsfrist Vermieter sei. Würden dem Käufer einer Liegenschaft Pflichten den Mietern gegenüber überbunden, müßte er auch in die Lage versetzt werden, diese Pflichten zu erfüllen, weshalb ein Rechnungslegungsanspruch dem Veräußerer gegenüber bejaht werde. Diese Rechnungslegungspflicht treffe die beklagte Partei unabhängig davon, ob sie die entsprechenden Unterlagen besitze oder nicht, weil es ihre Sache sei, sich die für die Rechnungslegung erforderlichen Unterlagen zu verschaffen. Da das Mietrechtsgesetz sowohl für Mietzinse als auch für Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge einen zehnjährigen Verrechnungszeitraum vorsehe, erstrecke sich demgemäß auch der Rechnungslegungsanspruch des Erwerbers der Liegenschaft dem Veräußerer gegenüber über einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem Verrechnungsstichtag. Das Rechnungslegungsbegehren bestehe daher zu Recht. Da die begehrte Leistung einwandfrei aus dem Vorbringen der klagenden Partei abgeleitet werden könne, habe ihm das Gericht eine klarerer und deutlichere Fassung geben dürfen, selbst wenn es damit von dessen Wortlaut abweiche; dies gelte auch für das Rechtsmittelverfahren.

Die von der beklagten Partei dagegen erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Rechtsmittelwerberin gegen die vom Gericht zweiter Instanz gewählte Fassung des Rechnungslegungsbegehrens wendet, weil das Begehren der klagenden Partei zu unbestimmt sei bzw gegen § 405 ZPO verstoße, sind ihre Ausführungen allerdings nicht stichhältig:

Vorauszuschicken ist, daß die beklagte Partei in der Revision ihre vom Gericht zweiter Instanz bejahte Verpflichtung als Verkäuferin von Liegenschaften mit Bestandobjekten zur Rechnungslegung grundsätzlich nicht mehr bezweifelt, sondern lediglich behauptet, die klagende Partei habe auf die Rechnungslegung ausdrücklich verzichtet. Die Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz über die Rechnungslegungspflicht ist auch unbedenklich: Wenn auch dem Kaufvertrag bzw den begleitenden Abreden zwischen den Streitteilen eine solche ausdrücklich abgemachte Verpflichtung nicht entnommen werden kann, ergibt sie sich häufig schon aus der Übung des redlichen Verkehrs als vertragliche Nebenpflicht; das trifft etwa dann zu, wenn der berechtigte Vertragspartner sonst seine Rechte nicht oder nicht ohne große Schwierigkeiten ausüben könnte oder über Art und Umfang seiner Rechte oder Pflichten im Unklaren bliebe und die Rechnungslegung dem anderen Teil zumutbar ist. So ist auch der Liegenschaftskäufer berechtigt, vom Verkäufer die Überlassung der erforderlichen Urkunden und Aufzeichnungen sowie Rechnungslegung zu verlangen, um seinen Verpflichtungen den Bestandnehmern gegenüber ordnungsgemäß nachkommen und seine Rechte gegen sie wahrnehmen zu können (Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht3 AT 20 f mwN aus der Rechtsprechung in FN 24 und 25).

Das Berufungsgericht durfte den Urteilsspruch auch vom Wortlaut des Begehrens abweichend deutlicher fassen, soweit dadurch dem Wesen des Begehrens kein Abbruch geschah (GesRZ 1988, 229 uva), ohne gegen seine im § 405 ZPO verankerte Bindung an das Klagebegehren zu verstoßen. Begehrte die klagende Partei, die beklagte Partei habe ihr alle „Hausverwaltungsabrechnungen“ für den genannte Zeitraum zu legen, so hat sie damit zweifellos die Abrechnung aller Einnahmen und Ausgaben aus der Verwaltung und Erhaltung der drei (im ursprünglichen Klagebegehren unter Punkt I. genannten) Liegenschaften für den angegebenen Zeitraum verlangt; mit der beispielsweise angeführten Hauptmietzinsabrechnung brachte sie bloß ihr vorwiegendes Interesse an diesem (wesentlichen) Teil der Rechnungslegung zum Ausdruck.

Berechtigt erweist sich die Revision nur insoweit, als die beklagte Partei darin rügt, sie habe schon in erster Instanz (ON 4) behauptet, die Streitteile seien im Zuge ihrer Abmachungen auch übereingekommen, daß nur die vorhandenen Abrechnungen und Belege zu übergeben seien, das Berufungsgericht habe dieses Vorbringen jedoch einfach übergangen. Diese Behauptung kann nur dahin verstanden werden, die klagende Partei habe auf die Rechnungslegung, soweit sie darüber hinausgeht, verzichtet, sodaß sie sich nun nicht auf eine darauf gerichtete vertragliche Nebenpflicht der beklagten Partei berufen könne. Die dieser zur Verfügung stehenden Aufzeichnungen und Belege seien jener bereits ohnehin ausgefolgt worden. Würde sich diese Behauptung bewahrheiten, hätten die Streitteile damit in der Tat die an sich zu bejahende Rechnungslegungspflicht der beklagten Partei abbedungen, sodaß das Klagebegehren jedenfalls im Umfang des allgemein gehaltenen Rechnungslegungsbegehrens abzuweisen wäre. Das Verfahren ist insofern mangelhaft geblieben; das Erstgericht wird die angebotenen Beweise aufzunehmen, entsprechende Feststellungen nachzuholen und neuerlich über das noch nicht erledigte Rechnungslegungbegehren abzusprechen haben. Zu beachten wird dabei sein, daß das Erstgericht die negative Feststellung getroffen hat, daß nicht festgestellt werden könne, welche Unterlagen bisher übergeben worden seien und auf welche Zeiträume sich die Hauptmietzinsabrechnungen erstreckten.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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