OGH 5Ob128/94

OGH5Ob128/9422.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Marianne F*****, vertreten durch Dr.Paul Appiano und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin S***** Gemeinnützige Wohnbau- und Siedlungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 6, 7, 10 und 11 WGG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21.Juli 1994, GZ 48 R 329/94-22, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 21.Dezember 1993, GZ 10 Msch 2/91-16, teils aufgehoben, teils bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit dem am 25.9.1990 bei der Schlichtungsstelle eingelangten Sachantrag begehrte die Antragstellerin, den zulässigen Verteilungsschlüssel gemäß § 14 Abs 1 WGG (Nutzflächenschlüssel) festzustellen, die Angemessenheit des begehrten, im Sachantrag als "Benützungsentgelt" bezeichneten Entgeltes für die Zinsperioden 1/87 bis 9/90 zu überprüfen (sei doch im Mietvertrag vom 14.7.1955/31.7.1956 lediglich ein Mietzins von monatlich S 303,81 vereinbart worden), weiters die Unterlagen betreffend Zahlungsvorschreibungen im Zeitraum 1956 bis 1986 von der Antragsgegnerin abzuverlangen, die Unzulässigkeit der vorgenommenen Vorschreibungen festzustellen und für die festzustellenden Überzahlungsbeträge einen Rückforderungstitel zu schaffen, schließlich die Zulässigkeit des begehrten Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages gemäß § 14d WGG in Höhe von S 221,20 in den Zinsperioden 1/90 bis 9/90 zu prüfen und zu Unrecht vereinnahmte Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge rückzuzahlen.

Das Erstgericht stellte spruchmäßig das Ausmaß der Wohnfläche des von der Antragstellerin genützten Objekts Top Nr. 9 im Haus *****, und den Anteil der Wohnfläche an der Gesamtnutzfläche des Hauses fest. Es sprach weiters aus, daß die Antragsgegnerin als Vermieterin dieser Wohnung durch die Vorschreibung von Benützungsentgelt für bestimmte Zinsperioden das gesetzlich zulässige Ausmaß in bestimmter Höhe überschritten habe und verpflichtete die Antragsgegnerin zum Rückersatz. Die weiteren Anträge der Antragstellerin wies es ab.

Das Erstgericht stellte unter anderem fest, daß das Gebäude im Jahr 1955 von einer anderen gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft errichtet worden war. Die Antragsgegnerin ist als deren Rechtsnachfolgerin Eigentümerin von 2.420/3.221 Liegenschaftsanteilen, mit denen Wohnungseigentum an den Wohnungen 1 bis 5 und 7 bis 30 verbunden ist. Die Antragstellerin ist seit 1955/1956 Mieterin.

Gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluß erhoben beide Teile Rekurs.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß der Rekurse die Feststellung der "Wohnfläche" des Mietobjektes der Antragstellerin als nichtig auf. Es hob weiters die Feststellung, daß der Anteil der "Wohnfläche" an der Gesamtnutzfläche des Hauses 4,42 % betrage, als nichtig auf und verwies diesbezüglich die Rechtssache zur Entscheidung über den Sachantrag auf Feststellung des Verteilungsschlüssels gemäß § 14 Abs 1 WGG an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Beachtung der Parteistellung sämtlicher Mieter der Liegenschaft zurück. Den Revisionsrekurs erklärte es insoweit für jedenfalls unzulässig. In Ansehung der Sachanträge auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen "Ausmaßes gemäß §§ 13, 14 WGG" in den Zinsperioden 1/87 bis 9/90 sowie des Sachantrages auf Überprüfung der Angemessenheit des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages gemäß § 14d WGG in der Höhe von S 221,20 in den Zinsperioden 1/90 bis 9/90 und Rückzahlung der Überschreitungsbeträge sowie in Ansehung des vom Erstgericht geschaffenen Rückforderungstitels wurde den Rekursen Folge gegeben, der angefochtene Sachbeschluß aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde insoweit für zulässig erklärt. Schließlich bestätigte das Rekursgericht die Abweisung des Sachantrages, "die Zahlungsvorschreibungen und die von der Antragstellerin geleisteten Zahlungen betreffend den Zeitraum von 1956 bis 1986 durch Abforderung der erforderlichen Unterlagen von der Antragsgegnerin zu erheben, die Unzulässigkeit der vorgenommenen Vorschreibungen sowie das Ausmaß derselben und die geleisteten Überzahlungsbeträge festzustellen, schließlich die Antragsgegnerin zum Rückersatz sämtlicher zu Unrecht geleisteter Beträge im festgestellten Ausmaß seit dem 1.8.1956 bei Exekution zu verhalten" mit Teilsachbeschluß. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde insoweit für nicht zulässig erklärt.

Jenen Teil seiner Entscheidung, hinsichtlich dessen es den ordentlichen Revisionsrekurs zugelassen hatte, begründete das Rekursgericht folgendermaßen:

Ihren Sachantrag auf Prüfung der Angemessenheit des "Benützungsentgeltes" habe die Antragstellerin darauf gestützt, einen monatlichen Mietzins von S 303,81 vereinbart zu haben. Ohne daß das Erstgericht die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des WGG geprüft hätte, ohne daß eine der Parteien die Voraussetzungen behauptet hätte (MietSlg 39.215), stritten die Parteien über die Anwendbarkeit einer bestimmten Fassung des WGG und der Übergangsbestimmungen, wünsche die Antragstellerin die Feststellung der Unzulässigkeit der "Benützungsentgelt" -Vorschreibungen (unter diesem Titel sei allerdings den Feststellungen nach nie etwas vorgeschrieben worden) als einer bestimmten Gesetzesstelle des WGG widersprechend. Dem Argument, lediglich S 303,81 als Mietzins vereinbart zu haben, halte die Antragsgegnerin die Vorschreibung nicht von Mietzins, sondern anders benannter Entgeltbestandteile (nur nicht Mietzins) entgegen. Auch den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag wünsche die Antragstellerin an Hand der Bestimmung des § 14d WGG überprüft zu sehen.

Der Sachantrag sei am 25.9.1990 gestellt worden. Artikel V Abs 3 Z 3 des 2. WÄG ordne an, daß, mit hier nicht gegebenen Ausnahmen, am 1.3.1991 bei Gericht oder der Gemeinde anhängige Verfahren nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen seien. Auf diese Verfahren seien die bisherigen materiellen Rechtsvorschriften anzuwenden (Würth-Zingher, WohnR 91 Anm 4 zu Art V WÄG). Dies bedeute, daß der offenbar von den Parteien stillschweigend unterstellte Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 3 MRG in der anzuwendenden Fassung folgenden Wortlaut habe: "Für Mietgegenstände in Gebäuden, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden sind und im Eigentum einer gemeinnützigen Bau- oder Verwaltungsvereinigung stehen, gelten die §§ 3 bis 6, 15 bis 20, 21 Abs 1 Z 7, 22, 43 bis 47 nicht; die §§ 37 bis 40 gelten nur nach Maßgabe des § 22 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes in der Fassung des V. Hauptstückes". Die Anwendbarkeit der von der Antragstellerin herangezogenen Bestimmungen des WGG hänge also zunächst davon ab, ob der Mietgegenstand in einem Gebäude liege, das von einer gemeinnützigen Bauvereinigung (im eigenen Namen) errichtet worden sei. Der vorgelegte Kaufvertrag ./9, in welchem die "Ö*****" gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH Miteigentumsanteile an der Liegenschaft erworben habe (nicht die gesamte Liegenschaft!), habe nun auch die Errichtung eines Neubaues auf dem Grundstück vorgesehen. Ob tatsächlich allerdings das Gebäude, in welchem das Mietobjekt der Antragstellerin liege, von jener Gesellschaft im eigenen Namen oder, weil die genannte Gesellschaft bloß Miteigentümerin gewesen sei, auch im eigenen Namen errichtet worden sei, könne sich aus dem Kaufvertrag nicht ergeben. Aus dem Grundbuchsauszug ON 4 lasse sich zwar entnehmen, daß das Mietobjekt der Antragstellerin bereits im Vermietungszeitpunkt im Wohnungseigentum der Vermieterin, nämlich der "Ö*****" gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH gestanden sei, es lasse sich allerdings auch entnehmen, daß hinsichtlich der Werkshallen I und II Wohnungseigentum zugunsten weiterer Miteigentümer einverleibt gewesen sei. Die Frage der räumlichen Anordnung des Neubaues einerseits und der Werkshallen andererseits sei nicht geprüft worden. Selbst wenn dem Kaufvertrag ./9 auch eine räumliche Trennung auf ein und derselben Liegenschaft entnommen werden könnte, würde dies nicht zur Ausnahme von den Bestimmungen des MRG und zur Anwendbarkeit des WGG führen. Mangels Alleineigentums der Antragsgegnerin an dem Gebäude, in welchem sich das Objekt befinde, und damit auch mangels Alleineigentums der Antragsgegnerin an dem vermieteten Objekt - die Antragsgegnerin habe ja lediglich ein ausschließliches, verdinglichtes Nutzungs- und Verfügungsrecht (§ 1 Abs 1 WEG) - fehle es an der Voraussetzung des Eigentums am Gebäude. Die Ausführungen Würths in Würth-Zingher MRG (1984) Anm 21 zu § 1, wonach dem Eigentum am Gebäude Wohnungseigentum und Baurecht gleichgestellt werden müßten (derselbe in Rummel1 Rz 12 zu § 1 MRG:

Es müsse dem geforderten Eigentum am Gebäude das Baurecht und sogar das Wohnungseigentum gleichgestellt werden) könnten nur in Ansehung des Baurechtes (MietSlg 40.221) geteilt werden. Der Bauberechtigte und Eigentümer des Gebäudes verfüge über das Gebäude und sei auch bei außerordentlichen Maßnahmen der Verwaltung an keinerlei Zustimmung gebunden. Möge auch die Antragsgegnerin ordentliche Verwaltungsmaßnahmen der Liegenschaft deshalb setzen können, weil zufällig sie Mehrheitseigentümerin sei, für außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen bedürfe sie jedenfalls der Zustimmung der Minderheit. Die Ausnahmebestimmung erfordere aber Alleineigentum der gemeinnützigen Gesellschaft (5 Ob 117/92).

Zur Frage der Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestandes auch auf bloßes Miteigentum der gemeinnützigen Genossenschaft, sofern diese Wohnungseigentümerin der vermieteten Wohnung ist, sei der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof zu eröffnen gewesen. Soweit überblickbar, fehle hiezu eine Rechtsprechung. Im fortzusetzenden Verfahren werde das Erstgericht hinsichtlich des Zinsprüfungsantrages für 1/87 bis 9/90 und hinsichtlich des Überprüfungsantrages betreffend den Erhaltungsbeitrag mit der Antragstellerin die (Un-)Anwendbarkeit des WGG zu erörtern haben, stellten doch die Anträge ausschließlich auf das (Nicht)Übereinstimmen der Zinsvorschreibungen mit den Bestimmungen des WGG ab.

Gegen diesen Entscheidungsteil richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, diesen Spruchpunkt der Rekursentscheidung als nichtig aufzuheben und den Sachantrag der Antragstellerin wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Sie regt an, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung des WGG zu stellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin setzt sich in ihrem Revisionsrekurs lediglich mit Bestimmungen des WGG, insbesondere dessen § 39 Abs 8 auseinander. Gegen die in der Rekursentscheidung erfolgte Heranziehung des § 1 Abs 3 MRG idF vor dem 2. WÄG bringt sie nicht vor.

Zutreffend hat das Rekursgericht auf die Übergangsbestimmung des Art V Abs 3 Z 3 2. WÄG hingewiesen. Auch Art II Abschnitt II Z 10 3. WÄG, auf welches Gesetz sich die Antragstellerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung beruft - § 1 Abs 3 MRG erfuhr hiedurch freilich keine neuerliche Änderung-, sieht vor, daß bei Inkrafttreten bereits anhängige Verfahren grundsätzlich nach den bisher in Geltung gestandenen Bestimmungen durchzuführen sind. Darunter sind auch materiellrechtliche Normen zu verstehen (vgl Würth-Zingher 55, WohnR 91, 178; dieselben, WohnR 94, 358 Anm 15; 5 Ob 117/92; 5 Ob 154/92).

Zieht man aber im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens seit 1990 § 1 Abs 3 MRG idF vor dem 2. WÄG heran, kann nach der bisherigen Aktenlage nicht von der Anwendbarkeit des WGG ausgegangen werden. Fehlt nämlich nur eine der dort genannten Voraussetzungen (und liegt auch kein anderer Ausnahmetatbestand vor), so ist das MRG voll anzuwenden (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 1 MRG Rz 44; 5 Ob 154/92).

Schon in 5 Ob 117/92 hat der erkennende Senat dargelegt, daß unter "Eigentum" im Sinne der zitierten Vorschrift Alleineigentum der gemeinnützigen Vereinigung zu verstehen ist. Die Antragsgegnerin ist aber lediglich Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft. Daß die an die Antragstellerin vermietete Wohnung in ihrem Wohnungseigentum steht, ändert hieran nichts. Ebensowenig würde - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - eine allfällige räumliche Trennung der Wohnungseigentumsobjekte der anderen Miteigentümer zu einer abweichenden Beurteilung führen, weil es nicht auf die Zusammenfassung von Wohnungseigentumsobjekten einer gemeinnützigen Bauvereinigung in einer baulichen Einheit, sondern auf das Alleineigentum an der Liegenschaft (einem Grundbuchskörper) ankommt.

Das Rekursgericht, auf dessen Begründung im übrigen verwiesen wird, hat somit die Rechtsfrage richtig gelöst, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war. Auf die von beiden Teilen aufgeworfenen Fragen des Übergangsrechtes des WGG und die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerin wegen Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit des Gesetzes mußte nicht mehr eingegangen werden.

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