OGH 13Os149/94

OGH13Os149/949.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zlatomir F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Juni 1994, GZ 5 b Vr 10630/93-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten Zlatomir F***** und des Verteidigers Dr.Dunst zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Zlatomir F***** (A 1) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, (A 2) des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (US 3 iVm US 17; irrig US 4: "Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach den §§ 201 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB") und (B) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den für die Nichtigkeitsbeschwerde relevanten Schuldsprüchen hat er in Wien vorsätzlich

(A 1) am 1.Juli 1993 Monika M***** mit Gewalt, nämlich dadurch, daß er ihr in das Gesicht schlug, sie würgte und versuchte, ihr einen Polster auf das Gesicht zu drücken, und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr drohte, er werde sie umbringen, sie auszog und mit seinem Geschlechtsteil in ihre Scheide einzudringen trachtete, wobei es bereits zur Berührung der Geschlechtsteile kam, zur Duldung des Beischlafes genötigt,

(A 2) am 23.April 1994 Halina K***** durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für ihr Leben, und zwar mit der unmittelbar bevorstehenden Tötung, indem er eine Pistole an ihre Schläfe anhielt, wobei er sie aufforderte, sich auszuziehen, und in der Folge äußerte, wenn sie nicht freiwillig geküßt werden wolle, müsse er sie vergewaltigen, und durch Gewalt, nämlich durch Wegreissen ihrer Hände von ihrer nackten Brust, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht, wobei die Tatvollendung nur wegen der Annäherung eines Passanten unterblieb.

Die gegen diese Schuldsprüche A 1 und A 2 erhobene und (formell) auf die Gründe der Z 5 a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Zum Schuldspruch A 1:

Der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider finden die Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte mit seinem Glied in die Scheide der Monika M***** einzudringen versuchte (US 7 Mitte), durchaus ihre aktenmäßige Deckung in den Beweisergebnissen. Denn betrachtet man die Aussagen dieser Zeugin in ihrer Gesamtheit, insbesondere auch in ihrem Bezug zu den von der Zeugin (AS 227 ganz unten) als wegen des seinerzeit noch besseren Erinnerungsvermögens zuverlässiger bezeichneten Angaben vor der Polizei (AS 27 f, S 241), so ist in den Aussagepassagen kein Widerruf der Anschuldigungen erkennbar. Vielmehr brachte die Zeugin zum Ausdruck, daß der Angeklagte von der für die Defloration als erforderlich angesehenen zusätzlichen Gewaltanwendung Abstand nahm (vgl AS 235, 227 und 228). Der Beschwerdeführer vermag mithin keine sich aus dem Akteninhalt ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der von ihm bekämpften Urteilsfeststellungen darzutun.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), derzufolge die Urteilstat A 1 nur als Versuch der Vergewaltigung (§§ 15, 201 Abs 2 StGB) zu werten gewesen sei, ist unbegründet. Abgesehen davon, daß nach den Urteilsfeststellungen das Vorhaben des Angeklagten an der Jungfräulichkeit der Zeugin M***** scheiterte (US 7 Mitte), demnach die vom Erstgericht jedenfalls festgestellte Berührung der Geschlechtsteile nicht bloß flüchtig war, sind die Nötigungstatbestände nach § 201 Abs 1 oder 2 StGB nF dann vollendet, wenn das Opfer zumindest begonnen hat, sich in der vom Täter angestrebten Weise zu verhalten. Der Beginn dieses Verhaltens, also der Duldung des Geschlechtsverkehrs durch M*****, ist aber mit der - vorliegend keinesfalls nur flüchtigen und oberflächlichen, sondern nach dem Täterwillen die Vereinigung einleitenden - Berührung der Geschlechtsteile bereits gegeben. Mit diesem Unternehmen des Beischlafs - nicht erst mit der Penetration - ist der äußere Tatbestand der Vergewaltigung vollendet (Leukauf-Steininger, Komm3, § 201 RN 8 und 24; Foregger-Serini, StGB5, Erl V).

Da das Vergewaltigungsdelikt aus dem Schuldspruch A 1 sohin bereits bis zur Vollendung gediehen ist, erübrigt sich eine Erörterung des auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten, von urteilsfremden Annahmen ausgehenden Einwandes der Strafaufhebung infolge Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB).

Zum Schuldspruch A 2:

Auch die Tatsachenrüge gegen die diesem Schuldspruch zugrunde liegende Feststellung, wonach der Angeklagte, als sein Opfer Halina K***** sich nicht auszog, wieder seine Pistole nahm, sie an den Kopf hielt und plötzlich einen ganz anderen, bedrohlichen Gesichtsausdruck hatte (US 11 ganz unten), beruht auf einer nicht den (durchaus belastenden) Gesamtgehalt der Angaben des Opfers berücksichtigenden Würdigung dieses Verfahrensergebnisses durch den Beschwerdeführer. Die Annahme zweimaliger Drohung mit der Waffe findet in der Aussage der Belastungszeugin K***** vor der Polizei (AS 115) Deckung. Daß die Zeugin bis zur Aufgabe des auf Geschlechtsverkehr gerichteten Vorhabens seitens des Angeklagten unter dem Eindruck seiner von entsprechender Mimik unterstützten Drohung mit der Pistole stand, ergibt sich zudem auch aus ihren Angaben in der Hauptverhandlung (AS 175 und verso). Ob ein ähnlich bedrohliches Verhalten vom Angeklagten überdies schon vorher gesetzt worden ist, bleibt unbeachtlich. Seine Tatsachenrüge ist sohin nicht geeignet, erhebliche Bedenken in bezug auf entscheidende Tatsachenfeststellungen hervorzurufen.

Die vom Angeklagten gegen den Schuldspruch A 2 erhobenen Rechtsrügen sind in keiner Richtung gesetzmäßig ausgeführt: Das auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte, auf eine Tatbeurteilung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB abzielende Vorbringen, wonach der Angeklagte die Pistole "lediglich im Vorfeld der Tatbegehung" und nicht zur Deliktsvollendung einsetzte, vernachlässigt die Urteilsbegründung (US 11 f). Der auch hinsichtlich dieser Tat (unter Berufung auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) erhobene Einwand, die Strafbarkeit der Tat sei infolge (freiwilligen) Rücktritts vom Versuch aufgehoben, geht gleichfalls nicht von der insoweit entscheidenden Urteilsfeststellung, wonach es dem Angeklagten angesichts der Störung durch einen Passanten nicht mehr möglich war, Halina K***** "ungestört" zu vergewaltigen (US 14), sondern - der Prozeßordnung zuwider - von der urteilsfremden Vermutung aus, der Angeklagte habe sich trotz des Erscheinens des Passanten imstande gesehen, sein Vorhaben weiter zu verfolgen, hievon aber aus freien Stücken Abstand genommen.

Die nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, insoweit aber inhaltlich nicht begründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zlatomir F***** mußte daher gänzlich erfolglos bleiben.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Es wertete dabei als mildernd, daß die Vergewaltigung der Halina K***** und die Nötigung beim Versuch blieben und es bei der Vergewaltigung der Monika M***** zu keinem Eindringen in die Scheide kam. Als erschwerend berücksichtigte es das Zusammentreffen zweier gleichartiger Verbrechen mit einem Vergehen, den Vergewaltigungsversuch während eines anhängigen Verfahrens wegen eines gleichartigen Deliktes und daß der Angeklagte die mangelnden Sprach- bzw Ortskenntnisse und die daraus resultierende Unsicherheit der beiden ausländischen Opfer in Österreich ausnützte.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung und eine teilweise bedingte Nachsicht der Strafe anstrebt, ist nicht berechtigt.

Unzutreffend erblickt der Berufungswerber einen Milderungsumstand darin, daß seine Straftaten im Widerspruch zu seinem sonstigen bisherigen Lebenswandel stünden. Denn der hier der Sache nach angesprochene Milderungsumstand nach § 34 Z 2 StGB erfordert zunächst einen ordentlichen Lebenswandel, wie er jedoch beim Angeklagten, dessen Vorleben eine Verurteilung nach § 88 Abs 1 StGB belastet, nicht vorliegt. Diese Verurteilung (obwohl auch gegen die körperliche Integrität gerichtet) wurde vom Schöffengericht ohnehin nicht als auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend und damit als strafschärfend (§ 33 Z 2 StGB) gewertet.

Vom Milderungsgrund eines reumütigen Geständnisses oder wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung (§ 34 Z 17 StGB) kann bei der Verantwortung des Angeklagten ebenfalls nicht die Rede sein.

Schließlich ist auch mit dem Berufungseinwand nichts zu gewinnen, daß der Angeklagte Halina K***** nach der Tat zum Praterstern zurückführte und ihr noch 300 S für die Taxifahrt nach Hause gab. Dem kommt weder als besonderer Milderungsumstand noch im Rahmen der allgemeinen Schuldkriterien des § 32 StGB Bedeutung zu, weil dieses Verhalten in erster Linie dem Schutz des Angeklagten selbst diente, der in Verbindung mit seiner diesbezüglichen Aufforderung an das Opfer, niemandem etwas zu erzählen (US 14), eine Anzeige verhindern wollte.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig herangezogen und - trägt man vor allem dem Umstand entsprechend Rechnung, daß der Angeklagte zwischen den einzelnen Hauptverhandlungsterminen im Verfahren wegen der ihm angelasteten vorangegangenen Vergewaltigung ein weiteres gleichartiges Delikt setzte - auch ein schuldangemessenes Strafmaß gefunden.

Insbesondere auf Grund der neuerlichen gleichartigen Tatbegehung im Zuge eines anhängigen Strafverfahrens kommt eine teilweise bedingte Strafnachsicht, für die nach § 43 a Abs 4 StGB eine hohe Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens des Angeklagten erforderlich wäre, nicht in Betracht. Daran können auch die von der Berufung eingewendeten Umstände geordneter Familienverhältnisse und der zwischenzeitigen Untersuchungshaft nichts ändern.

Der Berufung war daher ebenfalls ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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