OGH 5Ob126/94

OGH5Ob126/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Irmgard R*****, Studentin, ***** vertreten durch Dr.Thomas Prader und Dr.Werner Goeritz, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Josef P*****, Hauseigentümer, ***** vertreten durch Dr.Isolde Porranzl, geb. am 2.Jänner 1955, zuletzt bekannt gegebene Adresse ***** Wien, ***** unter Beteiligung der übrigen Hauptmieter des Hauses R*****gasse ***** in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8.Juni 1993, GZ 41 R 653/92-11, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 23.März 1992, GZ 5 Msch 80/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit das Begehren der Antragstellerin abgewiesen wurde, der Antragsgegener habe durch die Einhebung eines monatlichen Hauptmietzinses von S 866,36 zuzüglich 10 % USt in der Zeit vom 1.7.1988 bis 30.4.1990 den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins überschritten; in diesem Umfang wird die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin, Hauptmieterin der Wohnung Nr. 42 im Haus R*****gasse ***** in Wien, das dem Antragsgegner gehört, hat zunächst bei der Schlichtungsstelle der Stadt Wien, dann gemäß § 40 MRG bei Gericht einen Antrag auf Überprüfung des vom 1.7.1988 bis 30.4.1990 eingehobenen Hauptmietzinses gestellt und dazu noch die Feststellung begehrt, daß ihre Wohnung in die Ausstattungskategorie "D" einzuordnen sei. Ein darüber hinausgehendes Begehren auf Vorlage der Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 1988 bis 1990 ist schon vom Rekursgericht mangels spezifischer Rechtsmittelausführungen als rechtskräftig abgewiesen behandelt worden und wird von der Antragstellerin auch jetzt nicht mehr erwähnt.

Der Antragsgegner, der für die 47 m2 große Wohnung einen monatlichen Hauptmietzins von S 742,80 einhebt, hat die Abweisung sämtlicher Sachanträge begehrt. Er beruft sich auf die Erfüllung des Belohnungstatbestandes des § 16 Abs 1 Z 6 MRG durch eine der Vermietung vorangegangene Zusammenlegung von zwei Wohnungen der Ausstattungskategorie "D" zum verfahrensgegenständlichen Mietobjekt.

Das Erstgericht wies die Sachanträge der Antragstellerin ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Die verfahrensgegenständliche Wohnung Nr. 42 wurde im Jahr 1980 durch die Zusammenlegung der je aus Zimmer und Küche bestehenden Wohnungen Nr. 41 und 42 geschaffen. Beide Wohnungen verfügten über (elektrisches) Licht; in der Wohnung Nr. 41 befand sich außerdem noch ein gemauerter Ofen. 1980 wurden die beiden Wohnungen durch zwei Mauerdurchbrüche verbunden, es wurde Wasser eingeleitet, ein Wasserabfluß geschaffen, ein 10-Liter Durchlauferhitzer zur Warmwasserbereitung montiert und ein Duschbad errichtet. Im Zeitpunkt der Vermietung an die Antragstellerin verfügte demnach die Wohnung über zwei Zimmer, eine Gangküche mit E-Herd, einen Vorraum und ein Bad; dazu stand der Antragstellerin noch die Alleinbenützung eines WC am Gang (außerhalb der Wohnung) zu. Anschlüsse waren für Strom, Kalt- und Warmwasser, Gas und Kamin vorhanden. Die Beheizung erfolgte mittels Einzelöfen.

Der mit einer Duschtasse und einem Handwaschbecken samt Kalt- und Warmwasseranschlüssen ausgestattete Baderaum war von der Küche durch eine Wand abgeteilt, die 2/3 der Raumhöhe erreichte. Boden und Wände waren verfliest, die Decke getüncht; die Entlüftung erfolgte über die benachbarte Küche. Für eine Beheizung des Bades war nicht vorgesorgt.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Schluß, daß die verfahrensgegenständliche Wohnung der Ausstattungskategorie "C" zuzuordnen sei, weil das fehlende WC im Wohnungsverband durch andere den Wohnkomfort erhöhende Ausstattungsmerkmale (Badenische, Vorzimmer, Küche) ausgeglichen sei. Da der Antragsgegner diesen Standard durch eine Zusammenlegung von Wohnungen der Ausstattungskategorie "D" im Jahr 1980 erreicht habe, könne er nach Maßgabe des § 16 Abs 1 Z 6 MRG den angemessenen Mietzins verlangen und habe dies durch die Vereinbarung eines den Kategorie-C-Zins nur geringfügig übersteigenden Betrages auch getan. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Aus der Begründung seines Sachbeschlusses ist nur hervorzuheben, daß das Rekursgericht meinte, nicht auf die im Rechtsmittel der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen eingehen zu müssen, ob sich die Wohnung im Zeitpunkt der Vermietung an die Antragstellerin in einem ordnungsgemäßen Zustand befand und ob diese (Wieder-)Vermietung auch innerhalb der in § 16 Abs 1 Z 6 MRG normierten Frist von sechs Monaten erfolgte, weil sich die Antragstellerin mit dieser Argumentation auf das Gebiet unzulässiger Neuerungen begeben habe. Mache eine Partei das Vorliegen ihr günstiger Tatsachen überhaupt nicht geltend, so könne das Erstgericht davon ausgehen, daß der Sachverhalt in dieser Richtung nicht weiter zu erforschen ist (vgl MietSlg 41/46). In der Frage der Ausstattungskategorie der verfahrensgegenständlichen Wohnung sei der Meinung des Erstgerichtes zu folgen, daß das fehlende WC im Wohnungsverband durch andere den Wohnkomfort erhöhende Ausstattungsmerkmale wie Badegelegenheit (mag sie auch nicht dem zeitgemäßen Standard entsprechen), Gangküche und Vorraum aufgewogen werde.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil ohnehin der höchstgerichtlichen Judikatur gefolgt worden sei.

Im nunmehr vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Antragstellerin geltend, daß sich das Rekursgericht sehr wohl mit den Fragen des Zustandes der Wohnung im Vermietungszeitpunkt und der Wahrung der Wiedervermietungsfrist des § 16 Abs 1 Z 6 MRG hätte auseinandersetzen müssen. Beweispflichtig für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 6 MRG sei nämlich nicht der Mieter, sondern der Vermieter. Es handle sich um einen Belohnungstatbestand, der dem Vermieter erlaube, einen höheren als den gesetzlich normierten Hauptmietzins vorzuschreiben, weshalb es Sache des Vermieters sei, alle diesen Anspruch begründenden Tatsachen zu beweisen. Davon gehe auch die Rechtsprechung aus (MietSlg 36.306; MietSlg 40.326). Keinesfalls handle es sich bei den in § 16 Abs 1 Z 6 MRG umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen um solche, die den Mieter begünstigen. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Sachbeschluß entweder im Sinne einer Stattgebung des Antrages der Antragstellerin abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Dem Antragsgegener wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt; er hat jedoch von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Vorweg ist klarzustellen, daß die Antragstellerin offensichtlich nur mehr das Rechtsschutzziel verfolgt, die Höhe des von ihr in der Zeit vom 1.7.1988 bis 30.4.1990 eingehobenen Hauptmietzinses überprüfen zu lassen. So wie sie in ihrem Rekurs an die zweite Instanz die Abweisung ihres Rechnungslegungsbegehrens nicht mehr erwähnte, hat sie nämlich jetzt in ihrem Revisionsrekurs keinerlei Ausführungen mehr zum Antrag auf Feststellung der Ausstattungskategorie ihrer Wohnung gemacht. Ihre Argumente befassen sich ausschließlich mit solchen Fragen des Belohnungstatbestandes des § 16 Abs 1 Z 6 MRG, die über die Grundvoraussetzung einer Anhebung der Wohnungskategorie von "D" auf "C" hinausgehen, sodaß die von den Vorinstanzen übereinstimmend festgestellte Kategorieanhebung als unbekämpft anzusehen ist. Auch die wegen dieser Feststellung dem Verfahren beigezogenen sonstigen Hauptmieter des Hauses haben sie unangefochten gelassen. Gegenstand des Verfahrens ist daher nur mehr, ob der Antragsgegener von der Antragstellerin den nach Maßgabe des § 16 Abs 1 Z 6 MRG angemessenen Hauptmietzins oder nur den (gerinfügig darunter liegenden) Kategoriemietzins nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG fordern durfte. Diese Entscheidung hängt allein davon ab, ob sich die Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses in einem ordnungsgemäßen Zustand befand, ob der Antragsgegner die Wiedervermietungsfrist eingehalten hat, und wen die Behauptungs- und Beweislast für diese Umstände trifft.

Den diesbezüglichen Ausführungen des Rekursgerichtes ist im Ergebnis nicht zu folgen.

Richtig ist, daß der im außerstreitigen Mietrechtsverfahren geltende Untersuchungsgrundatz durch die Pflicht der Parteien, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken, beschränkt ist (vgl MietSlg 41/11; WoBl 1993, 187/128) und von Instanzgerichten mit Billigung der Lehre auch schon ausgesprochen wurde, die Verpflichtung des Gerichts zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes in einem Verfahren nach § 37 MRG finde dort ihre Grenze, wo Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen (LGZ Wien in MietSlg 36.306; LGZ Wien in MietSlg 38.552; LGZ Graz in MietSlg 40.326). Daraus wurde unter Berufung auf Würth (Handbuch, 522 f) geschlossen, daß das Gericht einen Sachverhalt nicht weiter erforschen muß, soweit eine Partei das Vorliegen ihr günstiger Tatsachen - im konkreten Fall bezogen auf die Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 5 MRG - überhaupt nicht geltend macht (LGZ Wien in MietSlg 41/46). Das Rekursgericht berief sich jedoch zu Unrecht auf diese im Ergebnis durchaus zu billigende Entscheidung, weil eine wesentliche Prämisse des damals zu beurteilenden Falles fehlt. Während die Antragstellerin in der zu MietSlg 41/46 entschiedenen Mietrechtssache die Berechtigung der Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses gemäß § 16 Abs 1 MRG gar nicht in Zweifel gezogen hatte, behauptet die Antragstellerin im vorliegenden Fall, der angemessene, also zulässige Hauptmietzins habe sich nach § 16 Abs 2 MRG (konkret zunächst nach Z 4 leg cit, dem jetzigen Verfahrensstand entsprechend nach Z 3 leg cit) zu richten.

Dieses an der Ausstattungskategorie der Wohnung ausgerichtete und daher an sich berechtigte Begehren wurde vom Antragsgegner damit zu entkräften versucht, daß der Belohnungstatbestand des § 16 Abs 1 Z 6 MRG vorliege. Die diebezügliche Behauptung des Antragsgegners löste die Verpflichtung des Gerichtes aus, alle für diesen Tatbestand entscheidungswesentlichen Umstände, also auch den Zeitraum der Leerstehung und den Zustand der Wohnung zu erheben (WoBl 1992, 223/148). Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Belohnungstatbestand des § 16 Abs 1 Z 6 MRG, dessen Verwirklichung von der Antragstellerin nach dem eingenommenen Verfahrensstandpunkt eindeutig bestritten wurde, eine Ausnahme von der Regel darstellt, wonach zwischen Vermieter und Mieter für eine in Hauptmiete vergebene, den Mietzinsvorschriften des MRG unterliegende Wohnung höchstens die nach § 16 Abs 2 MRG zu errechnenden Beträge als Hauptmietzins vereinbart werden dürfen, sofern nicht die besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs 1 MRG für die Vereinbarung des nach dieser Gesetzesstelle angemessenen Hauptmietzinses vorliegen.

Unter diesen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei den zum Belohnungstatbestand des § 16 Abs 1 Z 6 MRG gehörigen Elementen des ordnungsgemäßen Zustandes der vermieteten, im Standard angehobenen Wohnung und der fristgerechten Wiedervermietung um Tatsachen handelt, die die Antragstellerin bei der Durchsetzung ihres Rechtsschutzanspruches begünstigen und daher von ihr zu beweisen sind. Tatsache ist vielmehr, daß sich der Antragsgegener auf einen Ausnahmetatbestand berufen hat, dessen Erfüllung er nachweisen muß (WoBl 1992, 223/148).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte