OGH 4Ob124/94

OGH4Ob124/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und Dr.Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Christoph Schwab, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 300.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9.August 1994, GZ 4 R 163/94-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 8.Juli 1994, GZ 6 Cg 151/94a-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß sie wie folgt zu lauten hat:

"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Einzelhandel mit Schuhen und/oder sonstige Tätigkeiten im Sinne des nicht bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes 'Handelsgewerbe' gemäß § 124 Z 11 GewO 1994 auszuüben, wenn ihr die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung fehlt.

Die klagende Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen".

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt am Standort L*****, ein Schuhhandelsgeschäft, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung zu sein. Ein Verfahren zwecks Erteilung der Nachsicht des den Geschäftsführer der Beklagten betreffenden Ausschlusses von der Gewerbeausübung ist anhängig.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte am genannten Standort ein Schuhhandelsgeschäft ohne Gewerbeberechtigung betreibe und sich durch diesen Gesetzesbruch einen im Sinne des § 1 UWG sittenwidrigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe, beantragt der klagende Wettbewerbsverband (§ 14 UWG) zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, das "Handelsgewerbe" und/oder Tätigkeiten, die dem "Handelsgewerbe" unterliegen, auszuüben, ohne die erforderliche gewerberechtliche Bewilligung erlangt zu haben.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie sei zwar Eigentümerin des Geschäftslokals und des Warensortiments, dessen Verkauf erfolge aber durch ihren Geschäftsführer als Einzelkaufmann, welcher auch im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung für den in Rede stehenden Standort sei. Derzeit laufe allerdings auch bereits ein "Verfahren um Nachsicht der Erteilung einer Gewerbeberechtigung" für die Beklagte selbst, nachdem ein vorangegangenes Nachsichtsverfahren wegen eines gegen ihren Geschäftsführer "geführten" Strafverfahrens negativ ausgegangen sei.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagte übe das Schuhhandelsgewerbe aus, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung nach § 124 Z 11 GewO 1994 zu sein. Sie habe daher gewerberechtliche Vorschriften übertreten, die (auch) dem Schutz des lauteren Wettbewerbs dienten. Darin liege ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Einzelhandel mit Schuhen gehöre zum nicht bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe des "Handelsgewerbes" gemäß § 124 Z 11 GewO 1994; ein solcher Einzelhandel dürfe gemäß § 5 GewO 1994 bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes (§ 339 GewO 1994) ausgeübt werden dürfe. Daß die Beklagte diese Voraussetzungen nicht erfülle und sie das Gewerbe nicht angemeldet habe, lasse sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Das Zugeständnis der Beklagten, es laufe ein "Verfahren um Nachsicht der Erteilung einer Gewerbeberechtigung" für sie selbst, lasse eine Subsumtion unter gewerberechtliche Tatbestände nicht zu; ebensowenig die Schlußfolgerung des Erstgerichtes, daß die Beklagte über keinerlei Gewerbeberechtigung verfüge. Es könne daher auch nicht als Zugeständnis des - gar nicht behaupteten - Umstandes gewertet werden, daß der Geschäftsführer der Beklagten von der Gewerbeausübung gemäß § 13 GewO 1994 ausgeschlossen wäre. Da somit zur Ausübung des "Handelsgewerbes" in Form eines Schuhhandelsgeschäftes eine gewerberechtliche "Bewilligung" nicht erforderlich sei, könne der Beklagten auch nicht die Gewerbeausübung verboten werden, "ohne die erforderliche Bewilligung erlangt zu haben".

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen der Meinung der Beklagten schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht dem beantragten Sicherungsgebot ein Verständnis beigelegt hat, welches mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Einklang steht; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Es entspricht nämlich der Lehre und der ständigen Rechtsprechung, daß das Gericht - auch noch in höherer Instanz - befugt und sogar verpflichtet ist, dem Urteilsspruch bzw dem Sicherungsgebot - abweichend vom gestellten Begehren - eine klarere und deutlichere Fassung zu geben, soferne diese in den Sachbehauptungen des Klägers (Antragstellers) ihre eindeutige Grundlage findet und inhaltlich nicht über das hinausgeht, was der Kläger tatsächlich gewollt hat. Das Begehren ist immer so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit dem Vorbringen tatsächlicher Art von der Partei gemeint war. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann kann und muß das Gericht einem nur versehentlich unrichtig oder zu weit formulierten Begehren die richtige Fassung geben; es darf dabei nur weder ein plus noch ein aliud zusprechen (ÖBl 1990, 158 - Österreichs Großmacht mwN). Das Rekursgericht hat übersehen, daß diese Voraussetzungen hier gegeben sind:

Der Kläger machte der Beklagten ausdrücklich zum Vorwurf, daß sie in L*****, ein Schuhhandelsgeschäft betreibt, obwohl sie über keine Gewerbeberechtigung für das "Handelsgewerbe", insbesondere auch nicht an diesem Standort, verfüge; das Erfordernis einer Gewerbeberechtigung im Schuhhandelsgewerbe ergebe sich aus § 126 Z 14 GewO. Daß der Kläger die Vorgängerbestimmung des § 124 Z 11 GewO 1994 zitierte, kann ihm schon deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil auch damals das "Handelsgewerbe" bereits ein nicht bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe war (vgl § 126 Z 14 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl 1993/29), also keiner Bewilligung bedurfte, sondern auf Grund der Anmeldung ausgeübt werden durfte. Es ist daher ganz offensichtlich, daß der Kläger sein Begehren nur versehentlich unrichtig formuliert hat, soweit er auf ein Fehlen der erforderlichen gewerberechtlichen "Bewilligung" abstellte. Dieser Ausdruck ist schon nach dem Sachvorbringen des Klägers nur im Sinne einer erforderlichen Gewerbeberechtigung und nicht im Sinne einer erforderlichen "Konzession" zu verstehen. Das Begehren war daher in Übereinstimmung mit dem Sachvorbringen des Klägers richtig zu stellen; die versehentlich unrichtige Formulierung durfte aber nicht zur Abweisung des Sicherungsantrages führen.

In der Sache selbst hat das Rekursgericht übersehen, daß die Beklagte das vom Kläger behauptete Fehlen einer eigenen Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Schuhhandelsgewerbes sehr wohl zugestanden hat (§ 267 ZPO), hielt sie doch diesem Vorbringen lediglich entgegen, daß sie nur Eigentümerin des Geschäftslokales und des Warensortiments sei, das Schuhhandelsgewerbe aber nicht von ihr, sondern von ihrem Geschäftsführer als Einzelkaufmann ausgeübt werde. Allerdings laufe bereits ein "Verfahren um Nachsicht der Erteilung der Gewerbeberechtigung" auch für die Beklagte selbst. Damit ist jedoch bereits klargestellt, daß eine wirksame Gewerbeanmeldung der Beklagten noch gar nicht erfolgt sein kann: Das Schuhhandelsgewerbe gehört zum nicht bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe des "Handelsgewerbes" gemäß § 124 Z 11 GewO 1994. Bei einem solchen Gewerbe hat zwar die Gewerbeanmeldung (§ 339 GewO 1994) gemäß § 5 GewO 1994 konstitutiven Charakter, die Gewerbeanmeldung gilt aber gemäß § 340 Abs 6 GewO 1994 erst ab Rechtskraft einer erforderlichen Nachsicht als erstattet. Das von der Beklagten ins Spiel gebrachte Nachsichtsverfahren kann aber nicht eine - im Gesetz gar nicht vorgesehene - "Nachsicht der Erteilung einer Gewerbeberechtigung" betreffen, sondern nur eine Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994, weil der von ihr in der Person ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers vorgesehene gewerberechtliche Geschäftsführer (§ 39 Abs 3 und 4 GewO 1994), dessen Bestellung für sie als juristische Person gemäß § 9 Abs 1 GewO 1994 Voraussetzung für jede Gewerbeausübung ist offensichtlich gemäß § 13 Abs 1 GewO 1994 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist und daher so lange nicht als gewerberechtlicher Geschäftsführer in Frage kommt (Beilage 3).

Das Erstgericht hat aber als bescheinigt angenommen, daß die Beklagte selbst (und nicht ihr handelsrechtlicher Geschäftsführer) das Schuhhandelsgewerbe ausübt. Da sie die erforderliche Gewerbeberechtigung nicht erlangt hat, begeht sie durch die Gewerbeausübung die Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994. Der Kläger hat demnach einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG, weil sich die Beklagte schuldhaft über ein Gesetz hinwegsetzt, um im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die übertretene Norm an sich wettbewerbsregelnden Charakter hat; entscheidend ist vielmehr die objektive Eignung des konkreten Verstoßes zur Beeinträchtigung des freien Leistungswettbewerbs (stRsp: ÖBl 1991, 67 - Bankfeiertag uva; zuletzt etwa ÖBl 1993, 66 - Impressum und 226 - Tageszeitungsimpressum; WBl 1994, 97 - Straßenprostitution). Letzteres liegt aber im Falle einer Gewerbeausübung ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung klar auf der Hand.

Es war demnach in Stattgebung des Revisionsrekurses die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß dabei dem Unterlassungsgebot die im Sinne des Antragsvorbringens gebotene klarere und deutlichere Fassung gegeben wird.

Der Ausspruch über die Kosten aller drei Instanzen beruht in Ansehung des Klägers auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 41 (§§ 50 Abs 1 und 52 Abs 1) ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte