OGH 5Ob556/94

OGH5Ob556/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine P*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Hochsteger und Dr.Dieter Perz, Rechtsanwälte in Hallein, wegen Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7.März 1994, GZ 2 R 48/94-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9.Dezember 1993, GZ 13 Cg 238/93f-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im klagestattgebenden Sinn abgeändert, sodaß sie wie folgt zu lauten haben:

"Der von den Gesellschaftern der beklagten Partei am 25.6.1993 zu Punkt 4.) der Tagesordnung gefaßte Beschluß, womit dem Geschäftsführer Erich H.K***** die Entlastung für das Geschäftsjahr 1991 erteilt wurde, wird für nichtig erklärt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 66.864,- (darin enthalten S 11.144,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen".

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 22.725,- (darin enthalten S 3.787,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellte das aus dem Spruch ersichtliche Klagebegehren mit der Begründung, für die Entlastung des Geschäftsführers hätte auch der Geschäftsführer als Gesellschafter gestimmt. Dadurch sei die Entlastung mit einer Mehrheit von 60 % der stimmberechtigten Gesellschafter erteilt worden. Die Klägerin habe in der Gesellschafterversammlung Widerspruch erhoben. Der Beschluß sei am 30.6.1993 in das Protokollbuch eingetragen worden. Er widerspreche den zwingenden Bestimmungen des § 39 Abs 4 GmbHG.

Die beklagte Partei gestand das rechtswidrige Zustandekommen des angefochtenen Beschlusses zu. Mit Schreiben vom 16.7.1993 sei die beklagte Partei vom Klagevertreter aufgefordert worden, den Widerspruch gegen den zu Punkt 4.) der Tagesordnung gefaßten Beschluß anzuerkennen. Mit Schreiben vom 23.7.1993, somit vor Einbringung der Klage, habe die beklagte Partei durch ihren Geschäftsführer den von der Klägerin getätigten Widerspruch als berechtigt und gerechtfertigt anerkannt und die Klägerin somit völlig klaglos gestellt. Der Klägerin mangle es daher an jeglichem Rechtsschutzinteresse in bezug auf die von ihr am 28.7.1993 bei Gericht eingebrachten Klage. Darüber hinaus sei der angefochtene Beschluß nur in einem schwebenden Zustand gewesen. Durch das Anerkenntnis der Beklagten und auch durch die Eintragung in das Protokollbuch sei eine außergerichtliche Einigung zustandegekommen, somit der Zweck des Widerspruches erreicht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg ist zu HRB ***** die Beklagte eingetragen; Gesellschafter sind die Klägerin mit einem Geschäftsanteil von S 200.000,-, ihr Mann Heinrich P***** mit einem Geschäftsanteil von S 200.000,-, der Geschäfsführer der Beklagten Erich H. K***** mit einem Geschäftsanteil von S 250.000,- und seine Frau Margarethe K***** mit einem Geschäftsanteil von S 350.000,-. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt sohin 1 Mio Schilling. Erich H.K***** ist außerdem alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft.

Am 25.6.1993 fand am Sitz der Gesellschaft die ordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten zwecks Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1991 statt, an welcher alle Gesellschafter persönlich teilnahmen. Zu Punkt 4.) der Tagesordnung war die Beschlußfassung über die Entlastung des Geschäftsführers vorgesehen. Für die Entlastung des Geschäftsführers stimmten die Gesellschafter Margarethe K***** und Erich H.K*****; gegen die Entlastung stimmten die Klägerin und Heinrich P*****. In dem vom Geschäftsführer verfaßten Protokoll wurde festgehalten, daß die Entlastung des Geschäftsführers mit einer Mehrheit von 60 % der stimmberechtigten Gesellschafter erteilt wurde. Gegen diesen Beschluß erhob die Klägerin Widerspruch zu Protokoll. Der Gesellschafterbeschluß wurde am 30.6.1993 in das Protokollbuch eingetragen.

Bei der erwähnten Gesellschafterversammlung vom 25.Juni 1993 ließen sich die Klägerin und ihr Mann vom Klagevertreter vertreten. Dies führte schon am Beginn der Versammlung zu Unstimmigkeiten zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Klagevertreter einerseits und der Klägerin und ihrem Mann und dem Geschäftsführer der Beklagten und seiner Frau anderseits. Dabei ging es zunächst um eine nicht vorhandene aktuelle Vollmacht und um Stempelmarken. In dem Protokoll zur Gesellschafterversammlung ist ua auch festgehalten die Ablehnung der Bilanz durch den Klagevertreter unter verschiedenen Begründungen. Zum gegenständlichen Punkt 4.) hat der Klagevertreter ohne eine Begründung Widerspruch erhoben. Er hat den Geschäfsführer der Beklagten auch nicht darauf hingewiesen, aus welchem Grund nach seiner Auffassung diese Beschlußfassung nichtig ist. Dies hat der Klagevertreter nach seiner Einlassung deshalb nicht getan, weil wegen der vorgefallenen Unstimmigkeiten und der Ablehnung jeder Einmischung des Geschäftsführers der Beklagten er es unterlassen hätte, weitere Rechtsbelehrungen zu erteilen.

Mit Schreiben vom 16.7.1993 hat der Klagevertreter dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, daß der zu Punkt 4.) der Tagesordnung gefaßte Beschluß über die Entlastung des Geschäftsführers nichtig sei, weil gem. § 39 Abs 4 GmbHG er nicht stimmberechtigt gewesen wäre. Weiters führte der Klagevertreter aus, daß er beauftragt sei, gemäß § 41 GmbHG die Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses einzubringen. Er bot dem Geschäftsführer der Beklagten eine außergerichtliche Regelung für den Fall an, daß dieser auf bestimmte Bedingungen, die im wesentlichen zusammengefaßt wiedergegeben werden, eingeht. Die Beklagte sollte auf eine vorgenommene Verzinsung des Kapitalkontos des Heinrich P***** verzichten, die im Jahre 1991 erfolgte Auszahlung von S 40.000,-

müßte auf allgemeinen Aufwand und nicht zu Lasten des Kapitalkontos des Heinrich P***** verbucht werden und ebenso sollte ein am 5.2.93 an die Kanzlei des Klagevertreters bezahlter Betrag von S 250.000,-

zur Gänze auf allgemeinen Aufwand verbucht werden. Letztlich verlangte der Klagevertreter eine Gewinnvorauszahlung von S 300.000,-

bis längstens 31.7.1993 gegen Verrechnung auf das Kapitalkonto der Klägerin. Als Frist für die Zustimmung des Geschäftsführers der Beklagten wurde unter Hinweis auf die erteilte Frist zur Klagseinbringung vom 31.7.1993 der 26.7.1993 genannt.

Nachdem der Geschäfsführer der Beklagten mit dem Beklagtenvertreter Rücksprache gehalten hatte, beantwortete er das Schreiben des Klagevertreters am 23.7.1993 und führte im wesentlichen aus, daß der Widerspruch des Klagevertreters gegen den zu Punkt 4.) der Tagesordnung gefaßten Beschluß hinsichtlich der Entlastung des Geschäftsführers für das Geschäftsjahr 1991 gerechtfertigt ist und "der Beschluß somit nicht zustande kam." In dem Schreiben heißt es dann weiter: "Nachdem dies nun auch von uns festgestellt wurde, sollte sich eine Klagsführung darüber somit erübrigen. Auch die von Ihnen gestellten Bedingungen zum Klagsverzicht sind demnach hinfällig." In der weiteren Folge wirft der Geschäftsführer der Beklagten dem Klagevertreter noch vor, daß er ihn nicht schon anläßlich der Beschlußfassung auf den Nichtigkeitsgrund hingewiesen habe. Der Geschäftsführer der Beklagten hat auch eine Zustimmungserklärung seiner Frau Margarethe K***** zu dieser Vorgangsweise eingeholt und auch eine entsprechende Berichtigung des Protokollbuches durchgeführt.

Rechtliche Beurteilung

Rechtlich begründete das Erstgericht seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Richtig sei, daß die Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses nicht in die Kompetenz des Geschäftsführers, sondern in diejenige der Gesellschafter falle. In der hier zu beurteilenden Sache habe aber der Geschäftsführer (als Gesellschafter) sowohl im eigenen Namen als auch namens seiner Ehegattin als Mitgesellschafterin innerhalb der ihm gesetzten Frist anerkannt, daß der Widerspruch gegen den zu Punkt 4.) der Tagesordnung gefaßten Beschluß gerechtfertigt sei und daß der Beschluß somit nicht zustande kam. Damit habe der Geschäftsführer der beklagten Partei sowohl in seinem Namen als auch im Namen der Gesellschaft eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er einer Nichtigerklärung des Punktes 4.) der Tagesordnung zustimme. Folge man der Rechtsauffassung der Klägerin, wonach ein Beschluß gar nicht zustande gekommen sei, so wäre eine entsprechende Feststellung nur durch einen Beschluß aller Gesellschafter möglich gewesen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei und damit auch die Gesellschaft, hätten aber dieses nie verweigert, sondern durch die entsprechende Stellungnahme des Geschäftsführers die Bereitschaft bekundet, alle Schritte zu unternehmen, damit dieser Beschluß beseitigt werde. Aus diesen Gründen sei eine Klageführung weder erforderlich noch gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteigt und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, in der ihr freigestellten Rechtsmittelbeantwortung der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes - wie sich aus der Sachentscheidung ergeben wird - die Rechtslage verkennt und in entscheidenden Punkten mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Widerspruch steht.

b) Zur Sachentscheidung:

Nicht strittig ist, daß der von der Klägerin bekämpfte Gesellschafterbeschluß wegen Verletzung der Bestimmung des § 39 Abs 4 GmbHG nach den §§ 41 ff GmbHG im Falle (hier gegebenen) rechtzeitigen Widerspruches als nichtig angefochten werden kann. Verschiedene Rechtsauffassungen bestehen lediglich darüber, ob eine solche Nichtigkeitsklage noch zulässig ist, wenn alle anderen Gesellschafter, die dem angefochtenen Beschluß seinerzeit zustimmten, nachträglich den Widerspruch als berechtigt anerkennen.

Der erkennende Senat hält aus folgenden Gründen die von der Klägerin eingebrachte Nichtigkeitsklage trotz des oben wiedergegebenen festgestellten Verhaltens der Klägerin und der anderen Gesellschafter (einschließlich des Geschäftsführers als Vertreters der Gesellschaft) für berechtigt.

Es handelt sich um einen anfechtbaren Beschluß, dessen zunächst gegebene Wirksamkeit durch Klage innerhalb einer bestimmten Frist vernichtbar ist (Koppensteiner, GmbH-Gesetz, Rz 23 zu § 41 GmbHG; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 393 f, SZ 58/88). Das einer Nichtigkeitsklage stattgebende Urteil ist sohin ein Rechtsgestaltungsurteil, durch das ex tunc die Unwirksamkeit des bekämpften Generalversammlungsbeschlusses bewirkt wird (MGA HGB27 § 41 GmbHG/E 1 und 2; Koppensteiner, aaO). Zur Nachprüfung des gesetz- und statutengemäßen Zustandekommens eines Gesellschafterbeschlusses steht einem Gesellschafter ausschließlich die Klage nach § 41 GmbHG offen. Mängel, deren Geltendmachung - wie im Falle der Verletzung der Vorschrift des § 39 Abs 4 GmbHG - das Gesetz der befristeten Anfechtung durch die in § 41 GmbHG vorgesehene, Klage unterwirft, können nicht mit Erfolg außerhalb der erwähnten Klage geltend gemacht werden (GesRZ 1983, 222 [223 f]; Koppensteiner, aaO). Es gibt daher auch keine rückwirkende Aufhebung wirksam gefaßter Gesellschafterbeschlüsse durch "Feststellung" der Gesellschafter (WBl 1993, 160). Ein späterer Gesellschafterbeschluß könnte die Rechtslage nur ex nunc ändern. Ein solcher nachträglicher Gesellschafterbeschluß ist aber - geht man von den oben wiedergegebenen Feststellungen aus - nicht gegeben: Zwischen der Klägerin und den anderen Geschaftern besteht keine Willenseinigung auf Fassung eines neuen Gesellschafterbeschlusses. Die Klägerin wäre lediglich bereit gewesen, bei Erfüllung von ihr gestellter Bedingungen den früher gefaßten Gesellschafterbeschluß nicht zu bekämpfen, also in der Folge nach Ablauf der Klagefrist (unanfechtbar geworden) bestehen zu lassen.

Auch in der in SZ 58/88 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, auf die sich das Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung berief, wurde die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses nur dann als entbehrlich erachtet, wenn die an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter noch vor Schluß der Generalversammlung darüber einig wurden, daß infolge Nichtigkeit ein Beschluß nicht zustandekam. Der späteste Zeitpunkt, das Nichtzustandekommen des Beschlusses zu bestätigen, wäre der Schluß der Generalversammlung gewesen.

Abgesehen von der eben genannten Fallkonstellation kann daher der Gesellschafterbeschluß mit der Wirkung ex tunc nur auf Grund einer Nichtigkeitsklage beseitigt werden. Auf diese Beseitigung hat der widersprechende Gesellschafter somit selbst dann ein Recht, wenn nunmehr auch die anderen Gesellschafter sein Begehren als berechtigt anerkennen.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher in klagestattgebendem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, bezüglich der Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO.

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