Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin war im Anschluß an ihre dreijährige Lehrzeit seit 10.7.1986 bei einer inländischen Dienstgeberin als Dienstnehmerin beschäftigt. Im Zusammenhang mit der Geburt ihres ersten Kindes am 3.12.1990 bezog sie vom 18.9.1990 bis 28.1.1991 Wochengeld und vom 29.1.1991 bis 3.12.1992 Karenzurlaubsgeld gemäß § 26 Abs 1 lib b AlVG. Das Dienstverhältnis endete nach der Geburt des ersten Kindes durch "Mutterschaftsaustritt" gemäß § 23a Abs 3 AngG iVm § 2 Abs 1 ArbeiterabfertigungsG. Am 14.3.1993 gebar sie ein weiteres Kind, dessen Geburtstermin mit 10.3.1993 errechnet war.
Mit Bescheid vom 19.3.1993 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Wochengeld ab 13.1.1993 ab.
Das auf diese Leistung gerichtete Klagebegehren stützt sich darauf, daß die Voraussetzungen nach § 122 Abs 3 ASVG vorlägen, weil es sich beim "Mutterschaftsaustritt" um keine der in der zit Gesetzesstelle genannten, den Wochengeldbezug ausschließende Beendigungsart handle.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, daß es sich beim "Mutterschaftsaustritt" um einen Auflösungsgrund besonderer Art handle, der in Analogie zur Selbstkündigung einen Wochengeldanspruch ausschließe, und beantragte daher die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht schloß sich dem Rechtsstandpunkt der Beklagten an und wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.
§ 122 Abs 3 Satz 2 ASVG schließe nach dem Willen des Gesetzgebers einen neuerlichen Wochengeldbezug immer dann aus, wenn die Dienstnehmerin das Dienstverhältnis von sich aus beende oder sie ein Verschulden an der vorzeitigen Beendigung treffe. Es wäre ein grober Wertungswiderspruch, bei einer Selbstkündigung oder einer einvernehmlichen Lösung, die einen Anspruch auf volle Abfertigung begründen, einen Wochengeldanspruch nach § 122 Abs 3 ASVG auszuschließen, einen solchen Anspruch aber bei einem nur einen reduzierten Abfertigungsanspruch gewährenden "Mutterschaftsaustritt" zu bejahen. Ein solcher Austritt sei wie eine Selbstkündigung oder einvernehmliche Lösung anzusehen. Daß dieser Austritt in der genannten Gesetzesstelle nicht angeführt sei, stelle eine planwidrige Gesetzeslücke dar, die in Analogie zu den erwähnten Auflösungsgründen zu schließen sei.
Rechtliche Beurteilung
In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und beantragt, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist berechtigt.
Nach § 122 Abs 3 ASVG sind die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft über die Bestimmungen des Abs 2 leg cit hinaus auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt und der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalles in den Zeitraum des Bestandes der beendeten Pflichtversicherung, die mindestens dreizehn Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen gedauert haben muß, fällt; fallen in diesen Zeitraum auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Zeiten eines Leistungsbezuges aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, so gelten solche Zeiten bei der Anwendung dieser Bestimmung als Zeiten der Pflichtversicherung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Pflichtversicherung auf Grund einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses, einer Kündigung durch die Dienstnehmerin, eines unberechtigten vorzeitigen Austrittes oder einer verschuldeten Entlassung der Dienstnehmerin geendet hat oder wenn die Dienstnehmerin aus einem dieser Gründe unmittelbar im Anschluß an einen Zeitraum des Bezuges eines Karenzurlaubsgeldes nach den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 ihre vorherige Beschäftigung nicht wieder aufgenommen hat.
Der zit Abs soll die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft sicherstellen, wenn die Schwangerschaft während des Bestandes der Pflichtversicherung eingetreten ist.
Nach § 120 Abs 1 Z 3 ASVG gilt der Versicherungsfall der Mutterschaft mit dem Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung als eingetreten, im vorliegenden Fall im Hinblick auf den voraussichtlichen Geburtstermin 10.3.1993 also mit 13.1.1993.
Der Versicherungsfall ist daher unbestrittenermaßen erst nach dem Ende der Pflichtversicherung eingetreten. Ebenso unbestritten ist, daß der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalles, nämlich der 2.6.1992, in die Zeit des Bezuges von Karenzurlaubsgeld gemäß § 26 Abs 1 lit b AlVG, fällt.
Strittig ist lediglich, ob die Klägerin unter die Ausnahmebestimmung des § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG fällt. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
Diese Ausnahmebestimmung war idF des KarenzurlaubserweiterungsG BGBl 1990/408 so formuliert, daß sie nicht gelten sollte, wenn die Pflichtversicherung auf Grund einer Kündigung durch die Dienstnehmerin oder einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses geendet hatte. Durch die 50. ASVGNov BGBl 1991/676 erhielt diese Ausnahmebestimmung die seit 1.1.1992 geltende Fassung. Nach der in MGA ASVG 55. ErgLfg 736/1 FN 14 zu § 122 wiedergegebenen Begründung der RV zu dieser Nov 284 BlgNR 18. GP 29 habe es sich von der Vollzugspraxis her als erforderlich erwiesen, zur Vermeidung möglicher Zweifel die im zweiten Satz des § 122 Abs 3 ASVG zum Ausdruck gebrachte Absicht des Gesetzgebers insofern zu präzisieren als dieser nicht nur den Fall einer formellen "Kündigung" durch die Dienstnehmerin, sondern auch die anderen nunmehr angeführten Fälle im Auge gehabt habe, in denen eine Dienstnehmerin ihr Dienstverhältnis von sich aus beende oder (nach einem Karenzurlaub) nicht wieder aufnehme. Es zeigt sich also, daß der Fall des vorzeitigen Austrittes der Dienstnehmerin idF des KarenzurlaubserweiterungsG überhaupt nicht berücksichtigt war. Auf Grund dieser Fassung waren daher jedenfalls Zweifel darüber möglich, ob ein unberechtigter vorzeitiger Austritt der Dienstnehmerin unter den Ausnahmetatbestand fiel. Daß dieser Umstand zu Wertungswidersprüchen geführt hätte, wenn zB eine Dienstnehmerin bei Selbstkündigung auf Grund der ausdrücklichen Regelung im Gesetz keinen Wochengeldanspruch gehabt hätte, während einer Dienstnehmerin selbst bei unberechtigtem vorzeitigem Austritt mangels Aufzählung dieser Beendigungsart ein solcher Anspruch zugestanden wäre, liegt auf der Hand. Es war daher die erklärte Absicht des Gesetzgebers der
50. ASVGNov, neben der Beendigungsart "Kündigung durch die Dienstnehmerin" auch die weitere einseitige Beendigungsart des vorzeitigen Austritts durch die Dienstnehmerin zu berücksichtigen. Diese Absicht des Gesetzgebers fand dadurch Eingang in den Gesetzestext, daß in den Ausnahmetatbestand - abgesehen von der Beendigungsart der verschuldeten Entlassung - auch der unberechtigte vorzeitige Austritt aufgenommen wurde. Bei der Auslegung der Ausnahmebestimmung kommt es daher nicht mehr ausschließlich darauf an, ob die Initiative zur Auflösung des Dienstverhältnisses von der Dienstnehmerin ausging, sondern auch darauf, ob für die einseitige Auflösung durch die Dienstnehmerin ein rechtlich anerkannter Grund vorlag.
Der sogenannte Mutterschaftsaustritt nach § 23a Abs 3 AngG stellt nach hL und Rsp weder einen vorzeitgen Austritt aus wichtigem Grund iS der traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie (§ 1162 ABGB, § 26 AngG, § 82a GewO 1859) noch eine Selbstkündigung dar. Er ist vielmehr als vorzeitiger Auflösungsgrund besonderer Art zu qualifizieren, der entgegen der Regel, daß die Geltendmachung wichtiger Beendigungsgründe mit Dauercharakter zeitlich nicht beschränkt ist, nur innerhalb bestimmter Zeiträume erklärt werden kann. Der Gesetzgeber wollte damit nicht nur den Abfertigungsanspruch der aus dem Dienstverhältnis ausscheidenden Mutter wahren, sondern es dieser auch erleichtern, bei ihrem Kind zu bleiben, ohne nach der Lösungserklärung für Zeiten einer außerhalb der Schutzfrist liegenden Kündigungsfrist zu Dienstleistungen verpflichtet zu sein. Dieser zweite Regelungsgrund hat auch dann Bedeutung, wenn die Mutter mangels fünfjähriger Dienstzeit noch keinen Abfertigungsanspruch erworben hat. Für die Geltendmachung des Mutterschaftsaustrittes spielt es auch keine Rolle, ob der Mutter im Einzelfall die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist; auch eine Mutter, die ihr Kind nicht selbst pflegt, kann nach § 23a Abs 3 AngG austreten (SZ 58/31 = ua ZAS 1985, 183 [Andexlinger] = DRdA 1986, 318 [M.Schwarz] mwN; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7, 520; vgl auch Schrank, Mutterschaftsaustritt, RdW 1985, 14). Die Regelung des Mutterschaftsaustrittes sollte es Dienstnehmerinnen ermöglichen, das Dienstverhältnis zugunsten ihrer Familie aufzugeben, ohne auf die gerade in diesen Fällen meist sehr wertvolle Hilfe der Abfertigung verzichten zu müssen (RV 134 BlgNR 12. GP 2; ähnlich JAB 520 BlgNR
12. GP 1; SZ 58/31).
Obwohl der Mutterschaftsaustritt keinen vorzeitigen Austritt aus wichtigem Grund iS der traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie darstellt, handelt es sich dabei unzweifelhaft um einen gesetzlich anerkannten, berechtigten vorzeitigen Austritt. Seine Besonderheit liegt in der Beschränkung des Abfertigungsrechtes, er ist aber als solcher von der Existenz des Abfertigungsanspruches unabhängig (M Schwarz aaO 321, die in diesem Austritt sogar - unzutreffend - einen solchen aus einem wichtigen Grund erblickt).
Ist die Klägerin aber auf Grund einer gesetzlichen Möglichkeit (§ 23a Abs 3 AngG), also berechtigt ausgetreten, dann kann sie nicht unter den wiederholt zit Ausnahmekatalog fallen, in dem ausdrücklich der unberechtigte vorzeitige Austritt genannt ist, durch den eine Dienstnehmerin aus der Schutzfristregelung herausfällt.
Der erkennende Senat findet keinen Anlaß zur Annahme, daß der Gesetzgeber der 50. ASVGNov den Begriff des unberechtigten vorzeitigen Austrittes in einem vom arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch abweichenden Sinn verwenden wollte, oder daß er vergessen hätte, den Mutterschaftsaustritt nach § 23a Abs 3 AngG, der schon durch die AngGNov BGBl 1971/292 eingeführt wurde, in den Ausnahmekatalog des § 122 Abs 3 ASVG aufzunehmen. Die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien, der Gesetzgeber habe Fälle im Auge gehabt, in denen eine Dienstnehmerin ihr Dienstverhältnis "von sich aus" beendet habe, sind viel zu unbestimmt, um daraus in die eine oder andere Richtung Schlüsse zu ziehen. Der Gesetzgeber wollte einer Dienstnehmerin die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch dann zukommen lassen, wenn sie das Dienstverhältnis zwar von sich aus vorzeitig beendet hat, aber diese Auflösung berechtigt ist; hingegen dann nicht, wenn die Dienstnehmerin an der vorzeitigen Auflösung ein Verschulden trifft. Ob eine Selbstkündigung aus dem ausgedrückten Grund der Mutterschaft einem Mutterschaftsaustritt gemäß § 23a Abs 3 AngG gleichzuhalten wäre, muß hier nicht geprüft werden. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich gerade dadurch, daß er den Mutterschaftsaustritt als vorzeitigen Auflösungsgrund besonderer Art gestaltete, die oft nur schwer mögliche Klärung des Motives dieser vorzeitigen Auflösung ersparen.
Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß eine durch Analogie zu schließende Rechtslücke nicht vorliegt. Von einer Lücke im Rechtssinn kann nur gesprochen werden, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die in diesem Zusammenhang an sich geregelt werden müßte. Eine Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer gewollten Beschränkung widerspricht. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke jedoch nicht (Koziol/Welser, Grundriß9 I 24 mwN bei FN 55). Im vorliegenden Fall ist zwar der Mutterschaftsaustritt nach § 23a Abs 3 AngG im § 122 Abs 3 ASVG nicht ausdrücklich genannt. Die hier entscheidende Rechtsfrage ist jedoch eindeutig beantwortet: Da nur ein unberechtigter vorzeitiger Austritt anspruchsverhindernd ist, die Klägerin aber berechtigt ausgetreten ist, liegt ein Ausschließungsgrund für die Gewährung des Wochengeldes nicht vor (ebenso 18.10.1994, 10 Ob S 101/94; in diesem Sinn auch Weiß, DRdA 1994, 77 [79] und insbes. Enzelberger, DRdA 1994, 183 ff).
Damit steht zwar fest, daß die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wochengeld hat; dessen Höhe wurde jedoch in erster Instanz noch nicht erörtert. In Stattgebung der Revision sind die Urteile der Vorinstanzen daher aufzuheben; die Sozialrechtssache ist zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Revisionskosten beruht auf dem gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.
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