Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragsteller begehrten gemeinsam die Scheidung ihrer Ehe. Das Protokoll über die anberaumte Verhandlung vom 3.6.1993 enthält in Vollschrift die in § 207 Abs 1 Z 1 bis 3 ZPO vorgeschriebenen Angaben, die Daten der Parteien, ihr Eingeständnis über die unheilbare Zerrüttung ihrer Ehe und über die Auflösung der Ehegemeinschaft seit mindestens 6 Monaten sowie den Antrag auf Durchführung der Scheidung nach § 55a EheG. Schließlich ist noch festgehalten, daß für das weitere Protokoll von der Beiziehung eines Schriftführers abgesehen und gemäß § 212a ZPO ein Schallträger verwendet wird, die Parteien auf die Wiedergabe der Aufnahme verzichten und mit dem Löschen des Schallträgers nach Ablauf der dreitägigen Widerspruchsfrist unter Verzicht auf die einmonatige Aufbewahrungsfrist einverstanden sind. Die in Vollschrift verfaßten Protokollteile wurden von der Erstrichterin, den beiden Parteien und ihren Vertretern eigenhändig unterschrieben. Der in der Folge vom Schallträger in Vollschrift übertragene Protokollteil enthält neben dem aus 14 Punkten bestehenden Vergleichstext - als Einleitungssatz - die Erklärung, daß die Parteien für den Fall der Scheidung den protokollierten Vergleich schließen wollen und im Anschluß an diesen den Beschluß auf Scheidung der Ehe. Die in Vollschrift übertragenen Protokollteile wurden von der Erstrichterin unterfertigt. Eine Ausfertigung des Beschlusses über die Scheidung im Einvernehmen und eine Vergleichsausfertigung wurde den beiden Parteienvertretern zugestellt. Der Scheidungsbeschluß ist rechtskräftig, dem Vergleich wurde am 2.9.1993 eine Vollstreckbarkeitsbestätigung beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 21.10.1993 beantragte der Zweitantragsteller die Forsetzung des Verfahrens und die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Vergleiches mit der Begründung, der Scheidungsfolgenvergleich sei mangels Protokollierung in Vollschrift prozessual unwirksam. Nach der Rechtsprechung (EvBl 1986/60) wäre ein Absehen von der Aufnahme des Vergleichstextes in Vollschrift nur statthaft gewesen, wenn die Parteien eine Protokollabschrift begehrt hätten; dies sei nicht geschehen. Daß der auf Schallträger protokollierte Vergleichstext und dessen Übertragung in Vollschrift nicht dem Parteiwillen entspreche oder ein Übertragungsfehler vorliege, wurde nicht geltend gemacht.
Das Erstgericht wies beide Anträge zurück. Den Parteien sei eine Vergleichsausfertigung zugestellt worden; dem Vergleich komme überdies keine verfahrenserledigende Wirkung zu. Der Beschluß über die Scheidung der Ehe sei in Rechtskraft erwachsen. Dadurch, nicht aber durch den Scheidungsfolgenvergleich sei das Verfahren beendet worden. Der Fortsetzungsantrag sei daher verfehlt, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit nicht irrtümlich erteilt worden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Zweitantragstellers keine Folge. Es führte aus, ob ein Verfahren durch einen Vergleich beendet werde und ob ein Vergleich einen Exekutionstitel bilde, sei ausschließlich nach Prozeßrecht zu beurteilen. Die prozessuale Unwirksamkeit eines Vergleiches könne von der Partei durch einen Fortsetzungsantrag geltend gemacht werden. Für eine Scheidung im Einvernehmen müsse nach § 55a Abs 2 EheG eine Vereinbarung der scheidungswilligen Ehegatten vorliegen, welche dem Gericht unterbreitet oder vor Gericht geschlossen werden könne. Der Scheidungsbeschluß bleibe selbst dann wirksam, wenn gar keine Vereinbarung vorliege, die Vereinbarung inhaltlich unvollständig sei oder angefochten werde. Der maßgebliche, das Verfahren erledigende Prozeßakt sei der Beschluß auf Scheidung der Ehe, nicht der Vergleich. Es sei daher nicht entscheidend, daß keine Protokollabschrift begehrt worden sei, weil die in § 212 Abs 6 Satz 1 ZPO genannten Voraussetzungen, unter denen die in Abs 5 vorgeschriebene Übertragung in Vollschrift entfallen könne, nicht vorgelegen seien. Die Unterschrift der Parteien (und ihrer Vertreter) auf dem nach § 212a Abs 1 ZPO sofort in Vollschrift aufgenommenen Teil des Verhandlungsprotokolles sei als die auch für einen gerichtlichen Vergleich als vereinbart angesehene Schriftform ausreichend.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil, soweit überschaubar, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aus jüngerer Zeit zu der hier maßgeblichen Fallkonstellation fehle.
Rechtliche Beurteilung
Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.
Im vorliegenden Fall sind ausschließlich die prozessualen Wirkungen des gerichtlichen Vergleiches, die Verfahrensbeendigung und Eignung als Exekutionstitel, zu beurteilen, denn ein gerichtlicher Vergleich kann zwar als materiellrechtliches Rechtsgeschäft wirksam, prozessual aber unwirksam sein (SZ 56/98 ua).
Soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei vorliegt, liefert das in Gemäßheit der die Verhandlungsprotokolle betreffenden Bestimmungen der ZPO errichtete Protokoll als öffentliche Urkunde über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis. Es entspricht der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Lehre, daß die Unterschrift der Parteien auf dem Verhandlungsprotokoll zwar erwünscht ist, aber, anders als wenigstens die Unterschrift des Vorsitzenden oder Einzelrichters, kein Gültigkeitserfordernis darstellt. Die prozessualen Wirkungen eines im Verhandlungsprotokoll beurkundeten Vergleiches treten daher auch dann ein, wenn sich der Richter für die Abfassung des Verhandlungsprotokolles eines Schallträgers bediente und die Parteien nur den Vollschriftteil des Protokolles, nicht aber auch die Übertragung des übrigen, den Vergleich enthaltenden Teiles des Verhandlungsprotokolles unterschrieben haben (SZ 59/170; EFSlg 52/165/5).
Die gemäß § 212 Abs 5 ZPO vorgeschriebene Übertragung in Vollschrift entfällt, wenn die Rechtssache durch Vergleich, durch Rücknahme der Klage oder Anerkenntnisurteil bei dieser Tagsatzung erledigt und keine Protokollabschrift begehrt wurde. Der Vergleich, die Erklärung der Zurücknahme der Klage und das Anerkenntnisurteil sind in einem solchen Fall in Vollschrift zu protokollieren. Ein Vergleich ist daher nur dann in Vollschrift zu protokollieren, wenn die Übertragung in Vollschrift entfällt. § 212 Abs 6 ZPO normiert die Protokollierung eines Vergleiches in Vollschrift "in einem solchen Fall" nur unter zwei Voraussetzungen:
1.) Die Rechtssache muß bei dieser Tagsatzung durch den Vergleich erledigt werden und
2.) die Parteien begehren keine Protokollabschrift.
Es genügt daher entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers das Vorliegen der zweiten Voraussetzung allein noch nicht; der Vergleich muß auch prozeßbeendend sein. Es ist den Vorinstanzen aber zuzustimmen, daß einem für den Fall der Scheidung im Sinne des § 55a Abs 2 EheG vor Gericht geschlossenen Vergleich verfahrensbeendende Wirkung nicht zukommt: Das Verfahren wird durch den Beschluß auf Scheidung der Ehe beendet, nicht durch den Vergleich, welcher nach dem Gesetz vielmehr eine Voraussetzung dafür ist, daß die das Verfahren abschließende gerichtliche Entscheidung gefällt werden darf. Diese bleibt selbst dann wirksam, wenn gar kein Vergleich vorlag oder geschlossen wurde, der Vergleich inhaltlich unvollständig ist oder angefochten wird (SZ 58/43 ua). Eine Forsetzung des rechtskräftig abgeschlossenen Ehescheidungsverfahrens kommt nicht in Betracht.
Die Vorinstanzen sind zusammenfassend zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß ein für den Fall der Scheidung gemäß § 55a EheG geschlossener Vergleich mangels seiner verfahrensbeendenden Wirkung, auch wenn die Parteien keine Protokollabschrift verlangt haben, nicht in Vollschrift protokolliert werden muß, sondern auf Schallträger (oder in Kurzschrift) protokolliert werden kann und in der Folge in Vollschrift zu übertragen und das Protokoll vom Richter zu unterfertigen ist.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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