OGH 6Ob560/94

OGH6Ob560/9420.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Florian Gehmacher, Rechtsanwalt, Dr.Karl-Lueger-Ring 12, 1010 Wien, als Masseverwalter im Konkurs der G***** Gesellschaft mbH *****, vertreten durch Dr.Karl Preslmayr ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse, ***** wegen S 134.000,-- samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 10.März 1994, GZ 3 R 238/93-5, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30.September 1993, GZ 31 Cg 571/93-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt als Masseverwalter, die beklagte Partei gemäß § 3 KO zur Rückzahlung eines nach Konkurseröffnung von der Gemeinschuldnerin an die beklagte Partei bezahlten Betrages von S 134.000,-- zu verpflichten. Die beklagte Partei bestreite den Erhalt der Zahlung nach Konkurseröffnung nicht, lehne die Rückzahlung aber mit der Begründung ab, daß der Rechtsweg zur Geltendmachung eines solchen Anspruches ausgeschlossen und ein Verwaltungsverfahren nicht vorgesehen sei. Der Konkurs sei beim Erstgericht anhängig.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit mit der Begründung zurück, seine Zuständigkeit gemäß § 51 Abs 1 Z 1 JN setze voraus, daß die Klage gegen einen Kaufmann, eine Handelsgesellschaft oder eine registrierte Genossenschaft gerichtet und das Geschäft auf seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft sei. Dies treffe auf die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse nicht zu. Auch aus § 43 KO ergebe sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes nicht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers keine Folge. Es führte aus, ob eine Rechtssache vor ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde gehöre, richte sich in erster Linie nach der positiven Anordnung des Gesetzes. Die Urlaubs- und Abfertigungskasse schreibe dem Arbeitgeber gemäß § 25 BUAG den Betrag vor, der als Summe der Zuschläge für die in einem Zuschlagszeitraum beschäftigten Arbeitnehmer zu leisten sei. Unter näher geregelten Voraussetzungen habe die Urlaubs- und Abfertigungskasse zur Einbringung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge einen Rückstandsausweis auszufertigen, der einen Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO bilde. Ein Einspruch gegen den Rückstandsausweis könne bei der Bezirksverwaltungsbehörde eingebracht werden, die mit Bescheid über die Richtigkeit der Vorschreibung zu entscheiden habe. Über Berufungen gegen einen Bescheid entscheide der Landeshauptmann. Die Zahlung der Zuschläge habe aber ihre Grundlage wie zB jedes Urlaubsgeld und jeder Urlaubszuschuß im bestehenden Arbeitsverhältnis und sei ein Teil des Entgeltes für die vom Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Arbeitskraft.

Nach § 50 Abs 1 Z 5 ASGG seien Arbeitsrechtssachen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche nach dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972 zwischen Urlaubskasse und Arbeitgebern oder Arbeitnehmern mit Ausnahme des im § 25 des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1972 geregelten Verfahrens. Durch die vorliegende Klage, mit welcher der Masseverwalter den Rückabwicklungsanspruch hinsichtlich einer gemäß § 3 KO unwirksamen Zahlung von Zuschlägen an die beklagte Partei nach Konkurseröffnung geltend mache, bleibe die Richtigkeit der im Verwaltungsverfahren festgesetzen Zuschläge unberührt. Die Klage habe ihre Grundlage in der sich aus § 3 KO ergebenden Unwirksamkeit von Zahlungen des Gemeinschuldners aus der Konkursmasse. Für einen solchen Anspruch, der sich aus einer privatrechtlichen Regelung der Wirkung bestimmter Zahlungen ergebe, sei gemäß § 50 Abs 1 Z 5 ASGG der Rechtsweg zulässig. Der Klagegrund liege in der Unwirksamkeit der Zahlung; daher sei, auch wenn die Leistung im Verwaltungswege hereinzubringen sei, der Rechtsweg ebenso wie bei einem Anfechtungsanspruch nach der Konkursordnung hinsichtlich eines auf dem Verwaltungsweg auszutragenden Rechtsverhältnisses zulässig.

Der Rekurswerber berufe sich für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes auf eine analoge Anwendung des § 43 Abs 5 KO auch auf Rückforderungsansprüche von nach § 3 KO unwirksamen Zahlungen. Der erst durch das IRÄG 1982 neu eingefügte Abs 5 des § 43 KO diene nach der Regierungsvorlage der Verringerung formalrechtlicher Hindernisse bei der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen. Der Zuständigkeitskonzentration liege die Überlegung zugrunde, durch die Sachnähe des Konkursgerichtes Anfechtungsprozesse zu beschleunigen und damit auch die oft lange Dauer der Konkurse zu vermindern. Die weitgehende Zusammenfassung der Anfechtungsprozesse solle auch zu einer einheitlichen Beurteilung des Zeitpunktes führen, zu dem die Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei (3 BlgNR 15.GP).

Die nach Bereicherungsgrundsätzen zu beurteilenden Rückforderungsansprüche hinsichtlich nach § 3 KO unwirksamer Leistungen seien keine Anfechtungsansprüche im Sinne der §§ 27 f KO. Analogie sei auch im Rahmen der Auslegung von Prozeßvorschriften zur Füllung unbeabsichtigter Gesetzeslücken zulässig und geboten. Gegen die Annahme einer unbeabsichtigten Gesetzeslücke sprächen nicht nur die dargestellten Unterschiede zwischen Anfechtungsansprüchen und Bereicherungsansprüchen auf der Grundlage des § 3 Abs 1 KO, sondern auch, daß das in der Regierungsvorlage dargestellte Motiv einer einheitlichen Beurteilung des Zeitpunktes des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit - also einer wesentlichen Vorfrage von Anfechtungsprozessen - bei der Beurteilung der Unwirksamkeit von Leistungen gemäß § 3 KO nicht zum Tragen komme. Eine analoge Anwendung des § 43 Abs 5 KO auf den vorliegenden Fall sei daher abzulehnen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur analogen Anwendbarkeit des § 43 Abs 5 KO fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Den rechtlichen Ausführungen des Rekursgerichtes ist zuzustimmen. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechtes muß zwischen ihren öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Beziehungen unterschieden werden. Für juristische Personen des öffentlichen Rechtes gilt das Privatrecht insoweit, als nicht Rechtsnormen anzuwenden sind, die diese Personen gerade in ihrer obrigkeitlichen Sonderstellung ansprechen. Letzteres trifft zu, wenn und soweit einem Rechtssubjekt Hoheitsgewalt zuerkannt wird (Bydlinski in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 1). Ob eine Rechtssache vor ein Gericht oder vor eine Verwaltungsbehörde gehört, richtet sich in erster Linie nach der positiven Anordnung des Gesetzes. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Anfechtungsansprüche nach den §§ 27 f KO immer vor die ordentlichen Gerichte gehören, weil der Klagegrund im Anfechtungstatbestand selbst liegt, daher auch dann vor die ordentlichen Gerichte gehören, wenn das aus der anfechtbaren Rechtshandlung hervorgegangene Rechtsverhältnis auf dem Verwaltungsweg auszutragen wäre (fva Petschek-Reimer-Schiemer, 413). So wurden Anfechtungsansprüche etwa gegen die Gebietskrankenkasse oder auch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse aufgrund geleisteter, nach der Konkursordnung anfechtbarer Beitragszahlungen durch den Gemeinschuldner immer vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen. Gleiches hat für Rückforderungsansprüche des Masseverwalters zu gelten, die unmittelbar aus § 3 Abs 1 KO abgeleitet werden.

Auch dem Ergebnis des Rekursgerichtes, daß eine analoge Anwendung der Zuständigkeitsbestimmung des § 43 Abs 5 KO auch auf Rückforderungsansprüche des Masseverwalters nach § 3 KO nicht in Betracht kommt, ist zuzustimmen. Bei der Gesetzesanalogie ist zu prüfen, ob nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung angenommen werden muß, daß der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen des Tatbestandes übereinstimmen, sodaß die vom Gesetzgeber an den geregelten Tatbestand geknüpften Rechtsfolgen auch beim ungeregelten Tatbestand eintreten sollen. Der durch das IRÄG 1982 neu geschaffenen Zuständigkeitsbestimmung für Anfechtungsklagen des Masseverwalters im § 43 Abs 5 KO selbst kann eine zum Ausdruck kommende Wertung nicht unmittelbar entnommen werden; sie kommt aber in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Ausdruck. Wie schon das Rekursgericht ausgeführt hat, soll diese Bestimmung durch die Zuständigkeitskonzentration zu einer einheitlichen Beurteilung des Zeitpunktes führen, zu dem die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, eine meist zeitraubende Vorfrage, die bei Klagen nach § 3 KO von vornherein wegfällt. Aber auch das Argument, durch die Sachnähe des Konkursgerichtes Anfechtungsprozesse zu beschleunigen und damit die oft lange Dauer der Konkurse zu vermindern, trifft keineswegs in gleicher Weise auf Rückforderungsklagen des Masseverwalters nach § 3 KO zu: Während in Anfechtungsprozessen meist nicht nur zur Feststellung des Zeitpunktes der Zahlungsunfähigkeit ein umfangreiches Verfahren erforderlich ist, sondern auch zur Ermittlung der subjektiven Voraussetzungen der Verwirklichung der einzelnen Anfechtungstatbestände (Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit, Benachteiligungsabsicht, Begünstigungsabsicht), wird ein Prozeß nach § 3 KO, in welchem nur die Konkurseröffnung und eine die Konkursmasse betreffende Rechtshandlung zu beweisen sind, keinen vergleichbaren Aufwand erfordern, welcher die Sachnähe des Konkursgerichtes zur Beschleunigung des Verfahrens erfordert.

Am schwersten aber wiegt, daß eine Analogie keineswegs erforderlich ist, weil keine Regelungslücke vorliegt. Auch ohne Analogie steht der Rechtsverfolgung durch Anrufung des jeweils zuständigen ordentlichen Gerichtes kein Hindernis, ja meist auch keine Erschwernis entgegen. Die nach den unterschiedlichsten Erwägungen geschaffenen Zuständigkeitstatbestände sind immer für eine der beiden Prozeßparteien vorteilhafter oder weniger vorteilhaft und ausnahmslos im Gesetz geregelt. Eine analoge Anwendung eines bestimmten Zuständigkeitstatbestandes auf einen dafür nicht vorgesehenen Fall bloß aus Zweckmäßigkeitserwägungen verbietet sich schon aus Gründen der Rechtssicherheit. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erscheint hier unabdingbar.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf §§ 40 und 50 ZPO.

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