OGH 7Ob573/94

OGH7Ob573/9412.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Friedrich F*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma H***** Baugesellschaft m.b.H., ***** wider die beklagte Partei C*****, ***** vertreten durch Dr.Paul Doralt ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 241.733,86 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.3.1994, GZ 3 R 1/94-9, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 24.9.1993, GZ 36 Cg 143/93p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, sodaß sie zu lauten hat:

Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 241.733,86 s.A. zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.918,-- (darin S 2.820,-- USt.) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz sowie die mit S 18.670,10 (darin S 1.511,60 USt. und S 9.600,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 24.195,-- (S 2.032,50 USt. und S 12.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der H***** Baugesellschaft m.b.H. wurde am 23.2.1993 zu S***** des Landesgerichtes Linz der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die Gemeinschuldnerin unterhielt vor Konkurseröffnung bei der Beklagten ein Girokonto zur mit einem Habenstand von S 241.733,86. Außerdem unterhielt die Gemeinschuldnerin bei der Beklagten ein Kreditkonto, auf dem zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung rund S 3,050.000,-- unberichtigt und fällig aushafteten. Der schon längere Zeit bestehenden Geschäftsverbindung zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditinstitute (AGBöKr) zugrunde. Das Girokonto wurde weder vor noch nach der Konkurseröffnung aufgekündigt. Mit Anspruchsschreiben vom 1.3.1993 forderte der Kläger die Beklagte auf, den damals auf dem Girokonto bestehenden Saldo von S 242.667,-- auf das von ihm eröffnete Massekonto zu überweisen. Mit Antwortschreiben vom 11.3.1993 lehnte dies die Beklagte mit dem Hinweis ab, daß sie von ihrem Kompensationsrecht gemäß § 19 KO Gebrauch gemacht und diesen Betrag mit den ihr auf dem Kreditkonto gegen die Gemeinschuldnerin zustehenden Forderungen aufgerechnet habe.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 241.733,86 s. A. Die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung und Umbuchung sei im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Kompensation der Masse gegenüber wirkungslos.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Sie sei gemäß § 19 KO und Punkt 7 der AGBöKr zur Kompensation des auf dem Girokonto bestehenden Guthabens mit den auf den Kreditkonten aushaftenden Debetsalden berechtigt gewesen, weil sowohl die Forderung gegen die Gemeinschuldnerin aus den Kreditkonten, als auch die Forderung der Gemeinschuldnerin aus dem Girovertrag bereits vor Konkurseröffnung bestanden hätten und zu diesem Zeitpunkt aufrechenbar gewesen seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, daß schon aus dem Zweck des Girovertrages für die Dauer seines Bestandes trotz des im Punkt 7 der AGBöKr normierten Aufrechnungsrechtes ein stillschweigender Verzicht des Kreditunternehmens auf Kompensation mit seinen Forderungen aus einem Kredit an den Kunden gegen die sich aus dem Guthaben aus dem Girokonto ergebende Kundenforderung, soweit diese nicht der Kreditabstattung gewidmet sei, abzuleiten sei. Das Kreditinstitut sei in solchen Fällen nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt; auf eine solche ausdrückliche Vereinbarung habe sich die Beklagte aber nicht berufen. Da der Girovertrag weder vor noch nach der Konkurseröffnung von der Beklagten aufgekündigt worden sei, sei die vorgenommene Aufrechnung rechtsunwirksam. Die Unzulässigkeit der Aufrechnung beruhe nicht auf einem vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbot, sondern auf dem stillschweigenden Verzicht der Bank auf die Ausübung ihrer Rechte nach Punkt 7 der AGBöKr während des aufrechten Girovertrages.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung. Es erklärte die Revision für zulässig. Rechtlich ging es davon aus, daß das Konkursrecht fordere, daß sich die beiden Forderungen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung aufrechenbar gegenüberstünden; Aufrechenbarkeit im Zeitpunkt der Aufrechnung reiche nicht aus. Konkursgläubiger, die erst während des Konkursverfahrens Schuldner der Konkursmasse werden, könnten daher nicht mit ihrer Konkursforderung aufrechnen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger habe zur Folge, daß nach der Konkurseröffnung weder eine neue Konkursforderung entstehen, noch eine bestehende durch spätere Rechtshandlungen irgendeiner Person eine Vorzugsstellung vor anderen Forderungen erlangen könne; aus dem Zweck des Girovertrages sei für die Dauer seines Bestandes ein stillschweigender Verzicht des Kreditunternehmens auf Aufrechnung mit seinen Forderungen aus einem Kredit an den Kunden gegen die sich aus dem Guthaben auf dem Girokonto ergebende Kundenforderung, soweit dieses nicht der Kreditabstattung gewidmet sei, abzuleiten. Das Kreditunternehmen sei in diesem Fall trotz des im Punkt 7 AGBöKr festgelegten Aufrechnungsrechtes zur Kompensation nicht berechtigt, sondern habe vielmehr das Girokonto im vollen Umfang Aufträgen des Kontoinhabers zur Verfügung zu halten. Kreditunternehmen seien zur Aufrechnung in solchen Fällen nur bei ausdrücklicher Vereinbarung berechtigt. Dadurch, daß die Beklagte die Aufrechnung zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorgenommen habe, sei gerade der angestrebte Zweck der Aufrechterhaltung der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über das Girokonto unmöglich gemacht worden, was wiederum der Erfüllung der dem Masseverwalter gemäß § 81 KO auferlegten Pflichten - so zum Beispiel der allfälligen Fortführung des Unternehmens - entgegenstehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene Revision ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung (JBl 1986, 321; RdW 1987, 82; SZ 53/92; SZ 56/128; 8 Ob 25/89) und Lehre (Petschek-Reimer-Schiemer, 475 ff sowie Bartsch-Heil KO4 Rz 85) setzt die Aufrechnung im Konkurs voraus, daß die Forderungen einander bei Konkurseröffnung aufrechenbar gegenüber standen (§ 19 Abs 1 KO). Entsteht eine der beiden Forderungen erst durch die Konkurseröffnung, fehlt die Voraussetzung der Aufrechenbarkeit. Für die Aufrechnung im Insolvenzverfahren gelten im allgemeinen die Erfordernisse des bürgerlichen Rechtes (§§ 1438 ff ABGB); die Insolvenzgesetze sehen jedoch einige Erleichterungen und Einschränkungen vor. Erleichtert ist die Aufrechnung dadurch, daß von den Erfordernissen der Gleichartigkeit, der beiderseitigen Fälligkeit und der Unbedingtheit in gewisser Richtung abgesehen wird. Eingeschränkt ist sie dadurch, daß die Gegenforderung, die erst nach Verfahrenseröffnung entstanden oder in (verschuldeter) Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Insolventen in den letzten sechs Monaten vor der Verfahrenseröffnung erworben wurde, von der Aufrechnung ausgeschlossen ist, sofern der Gläubiger nicht zur Übernahme der Forderung verpflichtet war, z.B. infolge bestehender Rückgriffsverpflichtung (§ 20 KO; vgl Bartsch-Heil aaO). Eine Aufrechnung, die nach § 20 Abs 1 KO unzulässig ist, hat gegenüber der Masse keine Wirkung, die zur Masse gehörige Forderung bleibt im vollen Umfang bestehen (vgl SZ 55/3).

Im Gegensatz zur Lehre (vgl Iro, RdW 1987, 183; derselbe in Avancini-Koziol-Iro, Bankverträge I 233 f; Apathy in ÖBA 1987, 655 f) wird von der Rechtsprechung die Aufrechnung etwa einer aus einem Kreditvertrag resultierenden Forderung einer Bank mit dem gesondert geführten Giroguthaben eines Kunden als unzulässig angesehen (EvBl 1976/79; SZ 47/9 ua).

Der Girovertrag ist eine Vereinbarung zwischen einer Bank und einem Kontoinhaber, durch die sich die Bank verpflichtet, ihr aufgetragene Leistungen, die dem bargeldlosen Zahlungsverkehr dienen - also die Gutschrift eingehender Beträge, die Besorgung von Überweisungen, die Entgegenahme von Einzahlungen auf das Konto und Leistung von Zahlungen zu Lasten des Kontos - , durch buchmäßige Umschreibung zu bewirken. Das Kreditinstitut ist nur nicht verpflichtet, einer Disposition, durch die das Konto ins Debet kommt, zuzustimmen (vgl EvBl Nr. 1976/79 mwN). Aus dieser von der Rechtsprechung entwickelten Definition leitete der Oberste Gerichtshof ab, daß die im Punkt 7 der AGBöKr normierte Aufrechnungsmöglichkeit der Bank mit ihren Forderungen gegenüber dem Kunden konkludent abbedungen worden ist; könnte nämlich die Bank ihre Forderungen aus einem Kredit mit einem Guthaben aus dem Girokonto ohne weiteres zur Aufrechnung bringen, wäre der Zweck des Girovertrages für den Kunden, mit dem durch ihn begründeten Buchgeld gleich wie mit Bargeld umgehen zu können, vereitelt. Die zitierten Lehrmeinungen stimmen dem nur dort zu, wo eine konkrete Zweckwidmung des Kunden vorliegt, und vermeinen, daß bei einem ganz allgemein gehaltenen Auftrag des Kunden an die Bank, sich in Zukunft für solche Zweckwidmungen bereit zu halten, was die Aufrechnungsmöglichkeit der Bank betreffe, deren Interessenlage zu bevorzugen sei (so auch Iro in RdW 1987,182 f).

Die (ausdrückliche oder konkludente) Vereinbarung eines Aufrechnungsverzichts erstreckt sich nach herrschende Lehre und Rechtsprechung im Zweifel aber nicht auf den Fall, daß der Schuldner der Gegenforderung in Konkurs verfällt (oder in ein Ausgleichsverfahren gerät), da sie die volle Bezahlung der beiden Forderungen bezweckt, während in diesen Fällen die volle Bezahlung der Gegenforderung nicht verlangt werden kann oder zumindest auf höchste gefährdet ist (Gschnitzer in Klang2 VI 512; Mayerhofer in Ehrenzweig, System3, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 606; SZ 53/103; 6 Ob 677/85 = RdW 1987, 328). Fällt deshalb der dem Girovertrag eigene schlüssig vereinbarte Kompensationsverzicht seitens der Bank mit der Konkurseröffnung weg, steht der nunmehr fälligen Forderung aus dem Kreditvertrag eine kompensable Forderung aus dem Girovertrag gegenüber; die beiden Forderungen sind demnach einander bereits zur Zeit der Konkurseröffnung aufrechenbar gegenüber gestanden. Es darf nicht übersehen werden, daß im Gegensatz zu jenem Sachverhalt, der Entscheidungen wie etwa SZ 56/128 und SZ 53/92 zugrunde lag, die Forderung der beklagten Bank aus dem Kreditvertrag nicht erst durch die Konkurseröffnung entstanden ist, sondern schon zuvor bestanden hat, und daß nur die Fälligkeit erst mit der Konkurseröffnung eingetreten ist (§ 19 KO; vgl. etwa SZ 58/169 mwN; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht3, 35). Der Fortfall des Kompensationsverzichts ist nicht dem Entstehen der Forderung gleichzuhalten.

Damit aber konnte die Beklagte auch durch eine der Konkurseröffnung nachfolgende Aufrechnungserklärung die Aufrechnung des auf dem Girokonto bestehenden Guthabens mit ihrer Forderung aus dem Kreditkonto herbeiführen.

Es war deshalb der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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