OGH 6Nd510/94

OGH6Nd510/9411.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Joseph Thomas V*****, geboren am 1.Oktober 1989 mangels bedingungsloser Zustimmung des Bezirksgerichtes Hernals zur Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Hartberg an das Bezirksgericht Hernals gemäß § 111 JN den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Hartberg an das Bezirksgericht Hernals wird genehmigt.

Text

Begründung

Der Pflegebefohlene war mit seiner Mutter, der nach der Scheidung der Ehe die Obsorge übertragen wurde, im Sprengel des Bezirksgerichtes Hartberg wohnhaft, welches die Pflegschaft führte. Nach dem Akteninhalt ist die Mutter mit dem Minderjährigen nach ***** verzogen, die Unterhaltssachwalterschaft wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie 17., 18.Bezirk übernommen. Das Bezirksgericht Hartberg faßte daher am 17.5.1994 den Beschluß, die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache zur Gänze an das Bezirksgericht Hernals zu übertragen, weil die Mutter mit dem Kind nunmehr im 17.Wiener Gemeindebezirk wohnhaft sei. Es sprach aus, daß die Übertragung mit der Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgericht Hernals wirksam und der Pflegschaftsakt nach Rechtskraft dieses Beschlusses dem Bezirksgericht Hernals weitergeleitet werde.

Nachdem mehrere Versuche, diesen Beschluß dem Vater des Minderjährigen zuzustellen gescheitert und Anfragen bei einigen Gemeindeämtern über den Aufenthalt des Vaters ergebnislos geblieben waren, verfaßte das Bezirksgericht Hartberg einen Aktenvermerk, daß der Beschluß vom 17.5.1994 dem Vater nicht zugestellt werden könne, weil dieser unbekannten Aufenthaltes sei. Von der Bestellung eines Zustellkurators werde Abstand genommen, "weil damit nichts gewonnen wäre, es würde sich hiebei lediglich um einen Formalakt handeln." Von der Zustellung des Beschlusses an den Vater werde daher abgesehen und der Akt dem Bezirksgericht Hernals im Sinne des Beschlusses vom 17.5.1994 abgetreten. Dieses sandte den Akt mit dem Hinweis zurück, die Pflegschaft werde erst nach erfolgter Zustellung an den Vater an einen für ihn bestellten Kurator gemäß § 116 ZPO übernommen, "weil sich das gefertigte Gericht nicht der Meinung anschließen könne, es handle sich bei der Zustellung um einen reinen Formalakt, von dem Abstand genommen werden könne".

Das Bezirksgericht Hartberg legt den Akt zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Pflegschaftsgerichtes, mit dem es einen Antrag auf Übertragung der Zuständigkeit (oder einzelner Geschäfte) ablehnt oder mit dem es seine Zuständigkeit auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 111 JN einem anderen Gericht überträgt, steht den Parteien ein Rechtsmittelrecht zu, die Zustellung an die Beteiligten stellt also keinen "reinen Formalakt" dar, sondern ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Übertragung gegenüber den Parteien. Der Übertragungsbeschluß ist allerdings nach § 111 Abs 2 JN erst dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit (oder die übertragenen Geschäfte) übernimmt. Bis dahin bleibt es also in Schwebe, ob überhaupt ein Zuständigkeitswechsel eintritt, sodaß es bis dahin auch keinen Rekurs dagegen und keine Rekursentscheidung darüber geben kann. Es erscheint daher sinnvoll, daß der - anfechtbare - Übertragungsbeschluß in Analogie zu § 44 Abs 2 JN erst von dem anderen Gericht, das die Zuständigkeit übernimmt, den Parteien zugestellt wird (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 6 zu § 111 JN).

Da das Bezirksgericht Hernals in seiner Ablehnung zwar zum Ausdruck gebracht hat, wegen des Wohnsitzwechsels grundsätzlich zur Übernahme der Pflegschaft bereit zu sein, seine Ablehnung jedoch auf die mangelnde Zustellung des Beschlusses des übertragenden Gerichtes an den Vater gestützt hat, war die Übernahme der Pflegschaft zu genehmigen. Es wird im Sinne obiger Ausführungen Sache des übernehmenden Gerichtes sein, für die Zustellung des nunmehr die Gerichte bindenden Übertragungsbeschlusses Sorge zu tragen, damit dieser auch gegenüber den Parteien wirksam wird.

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