OGH 10ObS142/94

OGH10ObS142/9420.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Robert L*****, ohne Beschäftigung, ***** vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.März 1994, GZ 12 Rs 19/94-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5.Oktober 1993, GZ 20 Cgs 58/92-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 5.12.1943 geborene Kläger hat den Beruf eines Schriftsetzers erlernt und fortwährend bis zum 31.1.1988 ausgeübt. Auf Grund verschiedener krankheitsbedingter Veränderungen kann der Kläger nur mehr leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen vorwiegend in geschlossenen Räumen bei Vermeidung von Unterkühlungen und Durchnässungen verrichten. Zu vermeiden sind Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, häufige Bückbelastungen, Arbeiten in häufig vorgebückter Körperhaltung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Überkopfarbeiten. Die halbe Arbeitszeit soll im Sitzen verbracht werden. Zu vermeiden sind ferner Arbeiten unter besonderem Zeitdruck wie zB Akkord- oder Fließbandarbeiten wie auch Arbeiten an Maschinen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter schuldig, dem Kläger ab 1.11.1991 die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und trug ihr die Erbringung einer vorläufigen Leistung von 4.000 S monatlich auf. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß der Kläger auf Grund des Leistungskalküls die Tätigkeit eines Schriftsetzers nicht mehr ausüben könne. Eine mögliche Verweisungstätigkeit im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG wäre der Beruf des Typografikers, der von den körperlichen Anforderungen her grundsätzlich ausgeübt werden könnte. Das Erlernen der Fähigkeiten eines Typografikers, vor allem des Umganges mit Computergeräten, würde jedoch sehr wesentliche Elemente einer eigentlichen Berufsausbildung beeinhalten und über eine Nachschulung hinausgehen. Das Erlernen eines neuen Berufes könne von dem Berufsschutz genießenden Kläger nicht verlangt werden. Andere Verweisungstätigkeiten lägen nicht vor, weshalb Invalidität gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Auffassung, daß als einziger Verweisungsberuf die Tätigkeit eines Typografikers in Frage käme, sei richtig. Auf Grund des medizinischen Leistungskalküls wäre dem Kläger auch die Ausübung dieses Berufes nicht mehr möglich. Unter anderem könne er nämlich Lasten mit einem Gewicht von mehr als 10 kg nicht heben und tragen, zu vermeiden seien ferner Arbeiten unter besonderem Zeitdruck wie zB Akkord- und Fließbandarbeiten wie auch Arbeiten an Maschinen. Der Beruf eines Typografikers erfordere zumindest ein Heben und Tragen von Lasten bis zu 25 kg, es sei ein Arbeiten an Maschinen, nämlich an Computern erforderlich, vor allem sei von psychischer Seite her durch das genaue Einhalten des Termins der Drucklegung ein Termindruck und eine Zeitvorgabe gegeben. Der Typografiker müsse sich auf mehrere Arbeiten gleichzeitig konzentrieren. Diese Voraussetzungen seien mit dem Leistungskalkül des Klägers nicht mehr vereinbar. Die Auffassung des Erstgerichtes, daß ein Verweisungsberuf nicht mehr in Frage komme, sei daher im Ergebnis zutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht die Beklagte den bereits in ihrer Berufung gerügten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend, daß kein informierter Vertreter des früheren Dienstgebers des Klägers einvernommen worden sei. Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (zuletzt mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen SSV-NF 7/74).

Auch die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat alle Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und auszugsweise in seiner Entscheidung wiedergegeben. Die Einschränkung von Arbeiten unter besonderem Zeitdruck wie zB Akkord- und Fließbandarbeiten wie auch Arbeiten an Maschinen findet sich übereinstimmend im Urteil des Erstgerichtes (S 7) und im Urteil des Berufungsgerichtes (S 3), sodaß eine Aktenwidrigkeit nicht vorliegen kann. Eine in der Berufung nicht erhobene Aktenwdrigkeitsrüge kann in der Revision nicht nachgetragen werden (SZ 63/77 = SSV-NF 4/73). Die Prüfung der Frage, ob die erstgerichtlichen Feststellungen mit den Beweisergebnissen in Widerspruch stünden, ist dem Obersten Gerichtshof daher schon deshalb verwehrt.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt muß auch die Rechtsrüge versagen. Soweit die Revisionswerberin damit argumentiert, daß die Umlernzeit aus den Beruf des Typografikers nicht ein Dreiviertel- bis ein Jahr, sondern nur sechs bis acht Wochen betrage, verläßt sie die den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Richtig ist, daß nach einer Entscheidung des Senates die Tätigkeit als Korrektor eine Spezialisierung im früheren Lehrberuf des Setzers (Änderung der Lehrberufsliste durch Art I BGBl 1986/430) darstellt (SSV-NF 2/72). Dennoch kommt eine Verweisung des Klägers auf den Beruf eines Korrektors schon deshalb nicht in Frage, weil auch bei diesen Arbeiten ein besonderer Zeitdruck (Termindruck und Zeitvorgabe der Drucklegung) nicht auszuschließen ist und daher eine solche Tätigkeit mit dem medizinischen Leistungskalkül des Klägers nicht in Einklang zu bringen ist. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die Voraussetzungen für die Gewährung der Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG bejaht.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

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