OGH 10ObS191/94

OGH10ObS191/9420.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz W*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Karl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens zu 17 Cgs 612/90 des Kreis- (jetzt Landes-)gerichtes Korneuburg, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.April 1994, GZ 32 Rs 151/93-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.August 1993, GZ 17 Cgs 612/92-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 10.5.1972 wurde dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 18.6.1969 eine Versehrtenrente in Ausmaß von 30 vH der Vollrente als Dauerrente gewährt. Über Antrag des Klägers wurde diese Dauerrente mit Bescheid der beklagten Partei vom 25.11.1983 abgefunden.

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 24.9.1990, 17 Cgs 612/90 wurde das Begehren des Klägers auf Gewährung einer höheren Rentenleistung wegen Verschlimmerung der Unfallsfolgen abgewiesen. Dieses Urteil blieb unangefochten. Das Erstgericht legte dieser Entscheidung zugrunde, daß der Kläger bei dem Unfall keinen Bruch im Bereich der Wirbelsäule erlitten habe; die in diesem Bereich bestehenden Beschwerden seien die Folge degenerativer Veränderungen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 30 vH. Das Begehren, das sich darauf gründe, daß beim Kläger eine 30 vH übersteigende Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege, sei daher nicht berechtigt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens zu 17 Cgs 612/90. Bei einer wegen der zunehmenden Beschwerden an der Wirbelsäule vorgenommenen Operation sei festgestellt worden, daß der Kläger, im Gegensatz zu den Urteilsgrundlagen des Vorverfahrens, bei dem in Fragen stehenden Unfall tatsächlich einen Wirbelbruch erlitten habe. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien daher Unfallskausel, was insgesamt eine höhere Milderung der Erwerbsfähigkeit bedinge.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Klage sei verspätet erhoben worden, weil der Kläger erheblich vor dem von ihm genannten Zeitpunkt von den für die Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten Umständen Kenntnis erlangt habe. Die Klage sei auch unberechtigt, weil eine 30 vH übersteigende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vorliege.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Es legte seiner Entscheidung zugrunde, daß der Kläger bei dem Unfall vom 18.6.1969 einen Wirbelbruch erlitt und als Folge der posttraumatischen Veränderungen eine Versteifungsoperation der Segmente "L 4 bis S 1" nach vorangegangener Entladung der Wurzeln "L 4 bis L 5" notwendig war. Verblieben ist eine hochgradige Verspannung und Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule sowie eine Lähmung des linken Wadenbeinnervs. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit betrage seit 1.10.1990 30 vH. Das Begehren des Klägers sei nicht berechtigt, weil auch unter Berücksichtigung des Wirbelbruches die Minderung der Erwerbsfähigkeit 30 vH betrage und daher den Wert, der der Gewährung bzw der Abfindung der Rente zugrundegelegt worden sei, nicht übersteige.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und erachtete die gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes vorgetragenen Einwände nicht für berechtigt. Für den Erfolg der Klage sei entscheidend, ob sich unter Berücksichtigung des Wirbelbruches dessen Unfallskausalität nunmehr feststehe, die Gesamtbeurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ändere. Dies sei jedoch ausgehend von den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes nicht der Fall.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Kläger über die Dauerrente von 30 vH der Vollrente hinaus eine weitere Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente gewährt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der primäre Revisionsantrag ist schon deshalb verfehlt, weil die Vorinstanzen über das Wiederaufnahmsbegehren des Klägers abgesprochen haben und eine Sachentscheidung in diesem Verfahren nicht in Frage kommen kann. Aber selbst wenn man den Antrag des Revisionswerbers im Rahmen des gestellten Eventualantrages im Hinblick auf die inhaltlichen Ausführungen der Revision auf das erhobene Begehren bezieht, kommt dem Rechtsmittel keine Berechtigung zu.

Bereits in der Berufung machte der Revisionswerber geltend, das Erstgericht habe unter Verletzung der Bestimmung des § 75 Abs 2 ASGG einen Sachverständigen, der schriftlich einen Hilfsbefund erstattete, zur Verhandlung nicht geladen. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen erkennbar auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates können aber auch in Sozialrechtssachen Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 mwN ua). Ob außer den bereits vorliegenden noch weitere Sachverständigengutachten zum selben Beweisthema einzuholen sind, gehört zur Frage der Beweiswürdigung und kann im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (SSV-NF 7/12 uva). Ein Eingehen auf die diesbezüglichen Ausführungen der Revision ist dem Obersten Gerichtshof daher verwehrt.

Die Rechtsrüge läßt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß eine Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens zur Voraussetzung hätte, daß sich unter Berücksichtigung des als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Umstandes eine Änderung der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ergebe, unangefochten. Die Ausführungen des Klägers wenden sich ausschließlich dagegen, daß die Vorinstanzen davon ausgingen, daß die medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit unverändert 30 vH betrage. Damit wird aber in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung bekämpft. Für das Revisionsverfahren steht dies nämlich auch unter Berücksichtigung des unfallskausalen Wirbelbruches bindend fest. Ob die Ergebnisse des Beweisverfahrens eine hinreichende Grundlage für diese Feststellung bieten, kann in dritter Instanz nicht mehr überprüft werden.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes in keinem Punkt ausgehend von den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen bekämpft wird, ist sie der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch aus der Aktenlage nicht.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte