OGH 9ObA148/94

OGH9ObA148/9414.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Martin S*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei E***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hella Ranner und Dr.Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 279.355,69 brutto sA (im Revisionsverfahren S 207.429,23 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.November 1993, GZ 8 Ra 69/93-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.März 1993, GZ 32 Cga 159/91-37, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.665,-- (darin S 1.777,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der geltendgemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Der Kläger hielt der eingewendeten Gegenforderung stets entgegen, daß diese gegenüber seiner Entgeltforderung nicht kompensabel sei (S 44 und 153 des Aktes). Die beklagte Partei wandte dazu ein, daß es sich bei der Gegenforderung um eine Entgeltvorauszahlung (S 36 f des Aktes) bzw um eine vom Kläger ungerechtfertigt vorgenommene Anweisung (S 142 und 172 des Aktes) handle. Diesen Standpunkt hielt die beklagte Partei auch noch in ihrer Berufungsbeantwortung aufrecht, in der sie darauf hinwies, daß die beklagte Partei von einer Gehaltsvorauszahlung ausgegangen sei; der Begriff Entgeltvorauszahlung könne mit einem "Schadenersatzanspruch" nicht gleichgesetzt werden (S 343 und 344 des Aktes). Auch wenn die Bestimmung des § 293 Abs 3 EO zwingendes Recht ist, ändert dies nichts daran, daß der gegen eine der Exekution entzogenen Forderung Aufrechnende zumindest behaupten muß, aufgrund welchen Ausnahmetatbestands eine Aufrechnung ausnahmsweise zulässig sein soll. Zu überschießenden Feststellungen aufgrund amtswegiger Untersuchungen ist das Gericht nicht verpflichtet.

Der restliche Urlaubsanspruch des Klägers wurde im Berufungsverfahren außer Streit gestellt (S 360 des Aktes). Auf die Feststellung des Erstgerichtes kommt es daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht mehr an. Eine Urlaubsvereinbarung im Sinne des § 4 Abs 1 UrlG wurde nicht festgestellt. Soweit das Berufungsgericht ohnehin im Einklang mit dem Beklagtenvorbringen (S 140 f des Aktes iVm Beil B), davon ausgeht, daß der Kläger das Schreiben des Geschäftsführers über den Verbrauch des Resturlaubs und die Gewährung von vier Arbeitssuchtagen, sohin über die sofortige Dienstfreistellung, ohne Protest übernommen habe, kann sich die Revisionswerberin nicht beschwert erachten. Die Berücksichtigung des eigenen Vorbringens einer Partei ist keine Beweisergänzung. Ob sich daraus die gewünschte Rechtsfolge ableiten läßt, gehört in den Bereich der rechtlichen Beurteilung.

Auch die behauptete Aktenwidrigkeit ist nicht gegeben. In der Berufungsverhandlung wurde weiters außer Streit gestellt, daß das Schreiben der Beklagtenvertreter vom 11.6.1991, in dem der Kläger hinsichtlich der Auszahlung des Maigehalts auf die Endabrechnung zum 30.6.1991 verwiesen wurde (Beil D), die erste Reaktion der beklagten Partei auf das Schreiben des Klagevertreters vom 7. (richtig 5.) 6.1991, in dem der Kläger eine Nachfrist bis 10.6.1991 gesetzt hatte (Beil C), war (S 360 des Aktes; im übrigen auch Beklagtenvorbringen S 37 und 141 des Aktes). Inwiefern der Geschäftsführer der beklagten Partei bereits vorher eine "konkludente" Aufrechnung vorgenommen habe, wurde weder behauptet noch festgestellt. Die "Entgeltvorauszahlung" wurde erst mit Schriftsatz vom 27.11.1991 ausdrücklich kompensando eingewendet, da die Überprüfung der Buchhaltungsunterlagen der beklagten Partei "mittlerweile" ergeben habe, daß eine vorweggenommene Entgeltentnahme durch den Kläger erfolgt sei und sich die Forderungen sohin als gleichartig, gegenseitig und fällig aufrechenbar gegenüberstünden (S 37 des Aktes).

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, besteht kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers an Arbeitsentgeltforderungen des Arbeitnehmers zur Sicherung einer Endabrechnung. Der Kläger war daher wegen ungebührlichen Vorenthaltens seines Maigehalts zum vorzeitigen Austritt gemäß § 26 Z 2 AngG berechtigt. Dem österreichischen Recht ist der Grundsatz "ipso iure compensatur" fremd. Eine Aufrechnung bedarf daher stets einer empfangsbedürftigen einseitigen Aufrechnungserklärung (Fasching ZPR2 Rz 1285), die Arbeitnehmern gegenüber während des aufrechten Bestandes des Arbeitverhältnisses der Beschränkung des § 7 DHG unterliegt. Abgesehen davon, daß es an Behauptungen fehlt, wodurch dem Kläger noch vor seinem vorzeitigen Austritt eine Aufrechnung zur Kenntnis gelangt sein soll, sind überdies Teile des Arbeitsentgelts der Exekution und gemäß § 293 Abs 3 EO auch der Aufrechnung entzogen. Die beklagte Partei hätte selbst für den Fall der Aufrechnung daher nicht gegen das gesamte Monatsentgelt aufrechnen dürfen, zumal es sich bei der Gegenforderung nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht um einen Entgeltsvorschuß handelte (vgl infas 1988 A 105). Die Gegenforderung beruhte vielmehr auf einer eigenmächtigen Anweisung, ausgelöst durch einen vermeintlichen Anspruch des Klägers aus der Unternehmensbeteiligung, die aber - wie festgestellt - letztlich nicht zustandekam. Daß es sich bei dieser Gegenforderung um eine Forderung auf Ersatz eines Schadens handle, den der Kläger der beklagten Partei absichtlich zugefügt habe, wurde nie behauptet. Ein Ausnahmetatbestand des § 293 Abs 3 EO liegt somit nicht vor. Dies hat auch für die gerichtliche Aufrechnungseinrede zu gelten.

Die Ausführungen über den Anspruch auf Urlaubsentschädigung gehen nicht nur deshalb in Leere, weil keine Urlaubsvereinbarung erfolgte - die widerspruchslose Kenntnisnahme des Schreibens des Geschäftsführers ist nicht ohne weiteres als schlüssige Zustimmung zu deuten -, sondern schon dadurch, daß der Kläger seinen vorzeitigen Austritt erklärt hatte, so daß ein Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist nicht mehr in Betracht kommen konnte.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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