OGH 9Ob506/94

OGH9Ob506/9414.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden, und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Adamovic und Dr.Steinbauer in der Pflegschaftssache der mj. Jasmin D*****, geboren am 23.Februar 1988, ***** vertreten durch den Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, Peischingerstraße 17, 2620 Neunkirchen, wegen Unterhaltsvorschuß, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 13.April 1994, GZ R 164/94-14, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 25.Februar 1994, GZ P 26/93-10, als nichtig aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater ist auf Grund des Scheidungsfolgenvergleiches vom 23.2.1993 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.000 für seine minderjährige Tochter Jasmin verpflichtet. Mit Schreiben vom 17.8.1993 teilte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen mit, daß sie auf Grund der von der Kindesmutter eingeräumten Berechtigung für das Kind zwecks Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche einschreiten und den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse anmelde, weil sich Schwierigkeiten abzeichnen, die Unterhaltsbeiträge im vollen Umfang pünktlich einbringen zu können. Die Ausfertigung des Außerstreitform 180/2 erfolge erforderlichenfalls zu einem späteren Zeitpunkt. Am 10.1.1994 langte der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG (AußStrForm 180/2) beim Erstgericht ein. Die zu 3 E 9449/93 des Bezirkgerichtes Wiener Neustadt geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen habe den für die letzten sechs Monate rückständigen Unterhalt nicht gedeckt (§ 3 UVG). Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 11.1.1994 Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1996. Nach Rechtskraft dieses Beschlusses teilte das Bezirksjugendamt am 25.2.1994 telefonisch dem Erstgericht mit, daß vom Kindesvater seit Juli 1993 keine Unterhaltsbeiträge hereingebracht werden konnten, verwies auf den Unterhaltsvorschuß-Sicherungsantrag ON 3 (= Anmeldung) und ersuchte um Verlegung des Bewilligungszeitraumes 1.8.1993 bis 31.7.1996.

Das Erstgericht änderte den Beschluß vom 11.1.1994 unter Aufrechterhaltung aller übrigen Punkte nur hinsichtlich des Gewährungszeitraumes dahin ab, daß die Unterhaltsvorschüsse vom 1.8.1993 bis 31.7.1996 gewährt werden. In seiner Begründung führte das Erstgericht an, daß bereits mit Schreiben vom 17.8.1993 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen beantragt worden sei, wobei aber noch ergänzende Erhebungen erforderlich waren. Es seien nunmehr alle Umstände geklärt, so daß die Unterhaltsbevorschussung bereits ab 1.8.1993 zu bewilligen und der Bewilligungszeitraum entsprechend nach vorne zu verschieben sei.

Infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs Folge und hob den angefochtenen Beschluß als nichtig auf, weil das UVG keine Möglichkeit biete, Unterhaltsvorschussanträge fristwarend anzumelden und der angefochtene Beschluß gegen die Rechtskraft des Beschlusses vom 11.1.1994 verstoße. Selbst wenn das Schreiben vom 17.8.1993 eine Antragstellung enthalten würde, so habe das Erstgericht hierüber mit seinem Beschluß vom 11.1.1994 entschieden, der von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen nicht mit Rekurs angefochten worden sei. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als Unterhaltssachwalter.

Im Revisionsrekurs wird die Auffassung vertreten, daß das Schreiben vom 17.8.1993 bereits den Antrag auf Unterhaltsvorschüsse enthalte, im außerstreitigen Verfahren eine exakte Auftragsformulierung nicht erforderlich sei und die Rechtskraft des Beschlusses vom 11.1.1994 kein Hindernis für seine Berichtigung durch den Beschluß des Erstgerichtes vom 25.2.1994 dargestellt habe.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zulässig, weil zur Möglichkeit einer fristwahrenden Anmeldung von Unterhaltsvorschüssen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, aber nicht berechtigt.

Nach § 11 Abs 1 UVG sind Unterhaltsvorschüsse nur auf Antrag zu gewähren. Diese Bestimmung legt das Antragsprinzip fest. Das Gericht hat allerdings im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht nach § 2 Abs 1 AußStrG den gesetzlichen Vertreter des Kindes zur entsprechenden Antragstellung anzuleiten (Wresounig UVG 52; Knoll Kommz UVG 63 mwN). Dazu gehört nicht nur die Antragstellung als solche, sondern auch die nach § 182 Abs 1 ZPO dem Gericht auferlegte Pflicht, die Verbesserung eines ungenügenden Sachantrages zu veranlassen (Fasching Lehrbuch2 Rz 781 ff; Knoll aaO 64). Bei Beurteilung, ob ein Antrag im Außerstreitverfahren vorliegt, ist im Sinne des Rechtsfürsorgegedankens des außerstreitigen Verfahrens kein allzustrenger Maßstab anzulegen (ähnlich im Sozialrechtsverfahren SSV-NF 4/22,4/82, 5/128).

Die "Anmeldung" eines Unterhaltsvorschussanspruches mit der Behauptung, daß sich Schwierigkeiten abzeichnen, die Unterhaltsbeiträge im vollen Umfang pünktlich einbringen zu können, und dem Hinweis, erforderlichenfalls die Ausfertigung des Formblattes Außerstreitform 180/2 zu einem späteren Zeitpunkt einzubringen, läßt den Willen des für das Kind enschreitenden antragstellenden Jugendwohlfahrtsträgers, Vorschüsse ab einem bestimmten Zeitpunkt zu begehren und die Aufforderung, darüber eine Entscheidung zu treffen (Fasching Lehrbuch2 Rz 752) nicht erkennen, sondern enthält lediglich die vorsorgliche Ankündigung der späteren Antragstellung. Der Hinweis des Jugendwohlfahrtsträgers als in Unterhaltssachen mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin des Kindes einschreitenden rechtskundigen Sachwalters (§ 212 Abs 2 ABGB), das (ihm sohin bekannte) Außerstreitformblatt 180/2 erforderlichenfalls zu einem späteren Zeitpunkt auszufertigen, das aber erst den konkreten Antrag auf Unterhaltsvorschüsse darstellt und die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 3, 4 UVG als Erfordernis der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen beinhaltet, und den Umfang der Sachentscheidung bestimmte zeigt, daß die Anmeldung der Unterhaltsvorschußansprüche kein Antrag auf Unterhaltsvorschüsse war, sondern ein solcher erst "erforderlichenfalls" einem späteren Zeitpunkt vorbehalten war.

Es handelte sich bei der "Anmeldung" daher nicht um einen einer Verbesserung zuzuführenden ungenügenden Sachantrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. Nur der Beschluß des Erstgerichtes, Unterhaltsvorschüsse vom 1.1.1994 bis 31.12.1996 auf Grund des ausdrücklichen Antrages vom 10.1.1994 zu gewähren, entsprach daher einem Antrag. Vorschüsse sind, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, nach § 8 UVG vom Beginn des Monats, in dem das Kind dies beantragt zu gewähren. Für eine Zeit vor dem Antragsmonat können Vorschüsse nicht zuerkannt werden. Im August 1993 lagen die Voraussetzungen nach § 3 UVG auch noch nicht vor, weil der Sachwalter erst um Übermittlung eines Titels (Vergleichsausfertigung) ersuchte, um Exekution führen zu können. Erst am 11.10.1993 wurde der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen eine Titelausfertigung übermittelt. Dem Beschluß vom 25.2.1994, mit dem der Gewährungszeitraum ausgehend von dem Zeitpunkt der "Anmeldung" der Unterhaltsvorschußansprüche abgeändert wurde, lag kein Antrag zugrunde. Das telefonische Ersuchen um Verlegung des Bewilligungszeitraumes auf 1.8.1993 bis 31.7.1996 war kein Antrag, weil nach § 4 Abs 1 AußStrG grundsätzlich Gesuche schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzubringen sind. Das Erstgericht hat somit mit diesem Beschluß etwas zugesprochen, das gar nicht beantragt war. Der Zuspruch eines aliud bewirkt, als Überschreitung des Sachantrages, einen Verstoß gegen § 405 ZPO, der nach ständiger Rechtsprechung jedoch nur eine, im Rekurs des Bundes inhaltlich geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens aber keine Nichtigkeit begründet (Arb 8972; SZ 59/133, RZ 1992/15). Zu einer amtswegigen Berichtigung des Gewährungszeitraums lag kein Anlaß vor, weil ein im August gestellter Antrag, wollte man die "Anmeldung" als solchen ersehen, wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 3 Z 2 UVG (und § 4 Z 1 UVG) abzuweisen gewesen wäre.

Es hat daher als Folge dieser Verfahrensmangels bei der Behebung des Beschlusses durch das Rekursgericht zu verbleiben, wobei es am Ergebnis nichts ändert, daß die Behebung aus dem Grund der Nichtigkeit erfolgte.

Dem Rekurs war daher keine Folge zu geben.

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