OGH 9ObA102/94

OGH9ObA102/9414.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ratomir K*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Firma Reinhard M*****, Gebäudereinigungsservice, ***** vertreten durch Dr.Walter Gattinger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 85.166 brutto sA (im Revisionsverfahren S 62.959,25 brutto abzüglich S 4.821,59 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.März 1994, GZ 6 Ra 3/94-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.November 1993, GZ 44 Cga 176/93-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob dem Kläger die geltend gemachten und vom Erstgericht zugesprochenen Ansprüche zustehen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, dem Zuspruch stehe die Bindungswirkung des zu 44 Cga 51/92 des Erstgerichts ergangenen Urteils entgegen und die Ansprüche seien gemäß § 14 des Kollektivvertrags für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger verfallen, entgegenzuhalten:

In einem Anfechtungsverfahren nach § 106 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob ein Entlassungsgrund vorliegt. Wird dies bejaht, kommt es auf die geltend gemachten Anfechtungsgründe (etwa § 105 Abs 3 Z 1 und Z 2 ArbVG) nicht mehr an. Wird das Vorliegen eines Entlassungsgrundes verneint, hat das Verfahren nach denselben Grundsätzen und mit denselben Beurteilungskriterien stattzufinden wie bei einer Kündigungsanfechtung (vgl B. Schwarz in Cerny/Haas/Laßnigg/Schwarz, ArbVG 3 § 106 Erl 5).

Nach den Ergebnissen des Vorprozesses über die Anfechtung der Entlassung (44 Cga 51/92 des Erstgerichts) hat der Kläger keinen Entlassungsgrund gesetzt; selbst bei Vorliegen von Entlassungsgründen wäre die Entlassung überdies verspätet ausgesprochen worden. Die Anfechtungsklage wurde aber deshalb rechtskräftig abgewiesen, weil der Kläger zu der gemäß § 105 ArbVG für die Kündigungsanfechtung entscheidenden Sozialwidrigkeit kein ausreichendes konkretes Sachvorbringen erstattet hat. Soweit das Erstgericht im vorliegenden Verfahren, in dem es unter anderem über Ansprüche des Klägers aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht, nunmehr zum selben Ergebnis kam, daß keine Entlassungsgründe vorliegen, steht diesem Ergebnis keine Bindungswirkung (vgl zuletzt etwa JBl 1994, 482 [mit Kritik von Frauenberger]) durch die abweisliche Vorentscheidung entgegen. Es liegt schon deshalb kein Sonderfall der Präjudizialität vor, da die beiden Begehren miteinander vereinbar sind und dem Vorprozeß ein anderer Entscheidungsgegenstand (mittelbare Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit) zugrunde gelegen ist. Mit seinen Ausführungen, es sei auf Grund des Vorprozesses nunmehr von einer rechtswirksamen Entlassung auszugehen, verkennt der Revisionswerber die Voraussetzungen einer Anfechtungsklage gemäß den §§ 105 f ArbVG.

Der auf die Anfechtung der Entlassung gemäß § 106 Abs 2 ArbVG gerichtete Vorprozeß ist aber insofern von Bedeutung, als § 1497 ABGB auch auf die arbeitsrechtlichen Fallfristen analog anzuwenden ist (Arb 9.514, 9.834 uva). So unterbricht etwa die Klage auf (deklarative) Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses die Verjährungs- oder Ausschluß(Verfalls)frist für die daraus abgeleiteten Ansprüche (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler/Strasser, ArbR3 I 197; ZAS 1986/25 [Rebhahn] ua). Wird ein Arbeitnehmer ungerechtfertigt entlassen, kann er sich im Hinblick auf die auflösende Wirkung der Entlassung darauf beschränken, Ersatzansprüche (Kündigungsentschädigung) geltend zu machen. Erfolgte die ungerechtfertigte Auflösung im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sozial ungerechtfertigt, steht ihm nach Maßgabe der betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen die Möglichkeit offen, eine rechtsgestaltende Anfechtungsklage auf Unwirksamkeit der Lösungserklärung zu erheben (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht2 47 ff). Wollte man die analoge Unterbrechungswirkung gemäß § 1497 letzter Satz ABGB nur für den Fall einer Klagestattgebung (Rechtsgestaltung) gelten lassen, hätte der Arbeitnehmer keine Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr, die vom Verfall betroffen sein könnten, weil das Arbeitsverhältnis trotz der wirkungslos gewordenen Auflösungserklärung ohnehin weiter besteht und ihm daher insbesondere kein Anspruch auf Abfertigung zusteht, ein allfälliger Urlaubsrest noch in natura verbraucht werden kann und etwa Jahresremunerationen noch nicht fällig sind. Macht der Arbeitnehmer aber seinen Anspruch auf Abfertigung, Urlaubsentschädigung, Kündigungsentschädigung udgl rechtzeitig geltend, kann er nicht im Widerspruch dazu gleichzeitig verlangen, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses für wirkungslos zu erklären, da diese Ansprüche das Ende des Arbeitsverhältnisses voraussetzen. Daraus folgt, daß die analoge Anwendung des § 1497 ABGB für diese Ansprüche gerade für jene Fälle sinnvoll ist, in denen - wie im vorliegenden Fall - ein Anfechtungsbegehren abgewiesen wird; der Arbeitnehmer wäre ansonsten gezwungen, einander ausschließende widersprüchliche Ansprüche gleichzeitig geltend zu machen.

Geht man von der Unterbrechungswirkung des Vorprozesses aus, können - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - die Ansprüche des Klägers gemäß § 14 Abs 2 des Kollektivvertrags nicht verfallen sein. Während die bis 31.1.1990 gültige Verfallsklausel des § 14 des Kollektivvertrags noch in einem Ansprüche auf den kollektivvertraglichen Lohn und sonstige Ansprüche sowie auf Abfertigung aufzählt, betrifft nunmehr § 14 Abs 1 des Kollektivvertrags nur mehr die Ansprüche auf den kollektivvertraglichen Lohn. Diese Ansprüche sind nach ihrer ersten Geltendmachung innerhalb von 6 Monaten gerichtlich anhängig zu machen. Für alle übrigen Forderungen genügt es, daß sie innerhalb von 3 Monaten vom Fälligkeitstag an gerechnet (außergerichtlich) geltend gemacht werden (Schwarz/Löschnigg, ArbR4 280). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist der Anwendungsbereich verhältnismäßig kurzer, die Frist des § 1162 d ABGB unterschreitender Verfallsbestimmungen grundsätzlich nicht im Wege ausdehnender Auslegung auszuweiten. Der kollektivvertragliche Lohn umfaßt mangels entgegenstehender Abgrenzung im Kollektivvertrag im Zweifel daher nur den laufenden kollektivvertraglichen Mindestlohn und nicht etwa im Sinne eines umfassenden Entgeltbegriffes auch die Abfertigung, Urlaubsentschädigung und Jahresremuneration (vgl Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, §§ 23, 23a AngG Rz 369; infas 1990 A 44, 1991 A 120).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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