OGH 1Ob519/94

OGH1Ob519/9429.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz Z***** Kommanditgesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die beklagte Partei Gemeinnützige M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen 454.872,60 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Dezember 1993, GZ 1 R 172/93-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 29. April 1993, GZ 5 Cg 196/92-37, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Gleiches gilt kraft Größenschlusses auch für die Zurückweisung eines von der zweiten Instanz wegen einer - in Wahrheit nicht vorliegenden - erheblichen Rechtsfrage gegen einen Aufhebungsbeschluß im Berufungsverfahren nach § 519 Abs 2 ZPO (1 Ob 637/90).

Die klagende Kommanditgesellschaft erstellte am 26. März 1987 über Einladung der beklagten Hausverwaltungsgesellschaft mbH an diese für sanierungsbedürftige und von Dienstnehmern der Eigentümerin bewohnte Häuser gleichlautende schriftliche Anbote über Bautischlerarbeiten. Sie erklärte sich darin bereit, die ausgeschriebenen Lieferungen und Leistungen entsprechend im einzelnen genannten Ausschreibungsunterlagen einschließlich der von der beklagten Partei verfaßten und der klagenden Partei zugekommenen Allgemeinen Vertragsbestimmungen (im folgenden AGB der beklagten Partei) zu den angebotenen Einheitspreisen zu übernehmen und auszuführen. Weder die Ausschreibung der beklagten Partei noch die beiden Anbote der klagenden Partei enthielten Beginn- und Fertigstellungstermine. Die beklagte Partei beauftragte die klagende Partei als Best- und Billigstbieterin auf der Grundlage der von ihr erstellten Anbote mit gleichlautenden schriftlichen Aufträgen mit der Durchführung von Bautischlerarbeiten (Lieferung der Haus- und Wohnungseingangs- sowie Innentüren samt Rahmenstöcken bzw Zargen, der Zentralschließanlage, des Handlaufes, des Stiegengeländers und der Abdeckung der Spindelmauer im Stiegenhaus) a) am 27. Juli 1987 für das Haus 61a+b sowie b) am 19. August 1987 für das Haus 60a+b. Auftragsbedingungen waren neben den Ö-Normen A2060 und B2110 die Anbots-Geschäftsbriefe, Anbotsbedingungen, Ausschreibungs- und Vertragsbedingungen sowie das Leistungsverzeichnis mit Vorbemerkungen. Die beiden schriftlichen Anträge der beklagten Partei enthielten unter "Punkt 2.0.0. Ausführungsfristen und Pönale" jeweils folgende Bestimmung: "Arbeitsbeginn: Frühjahr 1988" (Auftrag vom 27. Juli 1987) bzw „sofort“ (Auftrag vom 19. August 1987) und sonst gleichlautend: „Fertigstellung: Ende 1989“ sowie „Genauere Detailtermine für die Innenausbauarbeiten Wohnungszusammenlegung (Ausführungszeitraum: 1987-1989) werden nach Vorlage des Wohnungsausschuß-Konzeptes der Firma ... (Eigentümerin) bekanntgegeben. Bei Überschreitung dieser Termine wird vom Schlußrechnungsbetrag ein Pönale von 0,5 % der Abrechnungssumme je Kalendertag einbehalten.“ Nach den AGB der beklagten Partei liegt Verzug vor, wenn eine Leistung nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort und auf die bedungene Weise erbracht wird.

Die klagende Partei führte den Großteil der in Auftrag gegebenen Lieferungen und Leistungen entsprechend dem Bauzeitplan bis Juni 1989 aus. Mit Schreiben vom 13. Juni 1989 gab die beklagte Partei der klagenden Partei die Ausführungsfristen für die Montage der Zierverkleidungen, der Bodenanschlagsschiene bei Wohnungseingangstüren, der Abdeckung der Spindelmauer sowie die Montage von Hauseingangstüren und -stöcken, Stiegengeländer und Handlauf sowie der Türblätter mit 16. bis 30.Juni 1989 bekannt; die klagende Partei hielt diese Termine nicht ein. Am 26. Juli 1989 fand die Bauabnahme statt. Mit Schreiben vom 4. August 1989 setzte die beklagte Partei der klagenden Partei zur Behebung festgestellter Mängel und zur Durchführung noch offener Leistungen eine Frist bis 18. August 1989 und drohte im Fall der Nichteinhaltung der Frist den Einbehalt des Pönales vom Schlußrechnungsbetrag an. Nachdem die klagende Partei diese Nachfrist nicht eingehalten hatte, setzte ihr die beklagte Partei eine letzte Nachfrist bis 13. September 1989 und - nachdem auch am 4. Oktober 1989 noch nicht alle Leistungen erbracht waren - einen Termin bis 6. Oktober 1989, bis zu welchem die klagende Partei bekanntgeben sollte, bis wann sie die Fertigstellung und Mängelbehebung durchführen werde. Da die klagende Partei auch darauf nicht reagierte, forderte die beklagte Partei sie am 18. Oktober 1989 schriftlich auf, bis längstens 3. November 1989 Schlußrechnung zu legen. Die klagende Partei sagte mit Schreiben vom 23. Oktober 1989 die Behebung der beanstandeten Mängel in den nächsten Tagen und die Legung der Schlußrechnung nach Abschluß dieser Arbeiten zu. Die beklagte Partei forderte daraufhin mit Schreiben vom 25. Oktober 1989 die Aufnahme der restlichen Arbeiten bis längstens 13.November 1989 und deren Fertigstellung einschließlich Mängelbehebung bei sonstiger Ersatzvornahme bis 1. Dezember 1989; an diesem Tag sollte die endgültige Abnahme erfolgen. Die klagende Partei ließ auch diese Frist ungenützt verstreichen. Die beklagte Partei ließ am 15. November 1989 die noch ausständigen Leistungen durch ein anderes Unternehmen ausführen.

Gegenstand des Klagebegehrens von zuletzt (Klagsausdehnung ON 24 AS 255 f) 486.572,20 S sA ist die restliche Werklohnforderung der klagenden Partei, resultierend aus 1) einem inzwischen fällig gewordenen, der Höhe nach außer Streit gestellten Haftrücklaß von 31.700 S - worüber das Erstgericht noch nicht entschied - und 2) von der beklagten Partei von beiden Schlußrechnungen der klagenden Partei in Abzug gebrachte Pönalbeträge für 91 Kalendertage infolge behaupteter verspäteter Ausführung des Werkes ungeachtet entsprechender Nachfristsetzung von insgesamt 454.872,60 S, worin von der klagenden Partei der beklagten Partei „kulanterweise“ zugebilligte Abzüge für Pönale von 10.714,34 S und 10.444,98 S (berechnet von den Teilleistungen, mit denen die klagende Partei in Verzug gekommen sei) bereits berücksichtigt sind.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 454.872,60 S sA statt, weil zwar eine Pönalevereinbarung vorliege, die Bekanntgabe der Detailtermine durch die beklagte Partei jedoch einseitig von der Fertigstellungsvereinbarung („Ende 1989“) abwiche und daher die beklagte Partei zu Unrecht Pönaleforderungen in Abzug gebracht habe. Die zweite Instanz hob dieses Urteil auf und sprach aus, daß die ordentliche Revision (erkennbar gemeint: der Rekurs gemäß § 519 Abs 2 ZPO) zulässig sei.

a) Zutreffend und im Rechtsmittel unangefochten erkannte das Berufungsgericht, daß gemäß § 861 ABGB der Vertrag durch korrespondierende Erklärungen der Vertragspartner zustande kommt. Weicht die Annahme vom Anbot ab, liegt also eine geänderte Annahme vor, kommt kein Vertrag zustande, sondern gilt dies als neues Anbot (Rummel in Rummel 2, Rz 4 zu § 861 ABGB; Apathy in Schwimann, Rz 3 zu § 861 ABGB, je mwN). Nimmt nun der Offerent dieses geänderte Anbot des Oblaten an, kommt auf dieser Grundlage der Vertrag zustande. Vorliegend enthielten weder die Ausschreibungsunterlagen der klagenden Partei noch die beiden Anbote der beklagten Partei Beginn- und Fertigstellungstermine oder die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Erstmals in den beiden schriftlichen Aufträgen der beklagten Partei war die Bestimmung enthalten, daß die „genaueren Detailtermine“ für die Innenausbauarbeiten - wozu auch die hier maßgeblichen Tischlerarbeiten gehören - vom Auftraggeber gesondert bekanntgegeben werden und bei Überschreitung dieser (erst bekanntzugebenden) Termine vom Schlußrechnungsbetrag (und nicht von Teilleistungsbeträgen) ein Pönale von 0,5 % der Abrechnungssumme je Kalendertag einbehalten wird. Daß die klagende Partei widersprochen hätte, steht nicht fest und wird auch im Rechtsmittel nicht behauptet. Die klagende Partei hat die beauftragten Tischlerarbeiten durchgeführt und damit sowohl die einseitig von der beklagten Auftraggeberin - und nicht, wie in Punkt 33.1.1 der AGB der beklagten Partei vorgesehen, gemeinsam mit dem Auftragnehmer - festzusetzende Detailtermine, die auch vor Ende 1989 liegen konnten, als auch die Pönalisierung einer Überschreitung dieser Termine durch die beklagte Partei und damit das insoweit vom eigenen Anbot abweichende Anbot der beklagten Partei auch unter Anwendung eines strengen Maßstabs schlüssig (§ 863 ABGB) angenommen. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, inwieweit Schweigen auf kaufmännische Bestätigungsschreiben mit abweichendem Inhalt vom Vereinbarten als Zustimmung aufgefaßt werden kann (vgl dazu zuletzt BankArch 1993, 991 mwN; SZ 47/83 ua; Rummel aaO Rz 13 zu § 861 ABGB; Kramer in Straube, Rz 46 f zu § 346 HGB, je mwN), stellt sich hier nicht, weil nicht von einer bereits getroffenen Vereinbarung nachträglich abgewichen, sondern der Inhalt der beiden Werkaufträge erst mit den beiden schriftlichen Auftragsschreiben der beklagten Partei unwidersprochen festgelegt wurde. Auf eine in Punkt 4. und 5. der AGB der beklagten Partei statuierte Widerspruchsobliegenheit kommt es nicht mehr an. Damit stand es aber der beklagten Partei frei, ungeachtet der Klausel „Fertigstellung: Ende 1989“ in beiden Aufträgen durch Bekanntgabe „genauerer Detailtermine“ auch im Ergebnis zu früheren Fertigstellungsterminen zu kommen, deren Überschreitung pönalisiert war. Die beklagte Partei hat nicht behauptet, es wäre ihr unmöglich gewesen, die am 13.Juni 1989 bekannt gegebenen Fertigstellungstermine 16. bis 30.Juni 1989 nicht einzuhalten.

Fragen des § 864 a ABGB (vgl dazu SZ 56/62) sind mangels eines entsprechenden Vorbringens in erster Instanz nicht zu entscheiden. Die Auffassung der Berufungsinstanz, der klagenden Partei sei der Beweis mangelnden Verschuldens - daß sie den vereinbarungsgemäß von der beklagten Partei vorgegebenen Detailtermin aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen nicht erfüllt habe bzw deren Erfüllung ihr nicht zumutbar gewesen wäre - nicht gelungen, wird im Rechtsmittel nicht in Frage gestellt.

b) Eine Vertragsstrafe kann gemäß § 1336 Abs 1 ABGB für die Nichterfüllung oder die verspätete Erfüllung beim Nichtfixgeschäft - wie hier - vereinbart werden (SZ 58/152; 3 Ob 550/91; Wolff in Klang 2 VI 184). Die für die verspätete Erfüllung vereinbarte Vertragsstrafe kann nach § 1336 Abs 1 dritter Satz ABGB zusätzlich zur Erfüllung verlangt werden (RZ 1976/90; 4 Ob 533/92, 3 Ob 550/91 ua; Harrer in Schwimann, Rz 8 zu § 1336 ABGB). Daß das Pönale von der Gesamtrechnungssumme zu berechnen ist, entspricht den beiden schriftlichen, den Ö-Normen und den AGB der beklagten Partei (Punkt 3.1) inhaltlich vorgehenden Aufträgen der beklagten Partei („Schlußrechnungsbetrag“), sodaß es gar nicht auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichtes ankommt, eine unterbliebene Teilleistung könnte nur dann die Berechnungsgrundlage bilden, wenn die sonstigen erbrachten Leistungen für den Auftraggeber auch ohne die Teilleistung, hinsichtlich deren sich der Auftragnehmer in Verzug befinde, von Wert oder alleine verwendbar oder dies vereinbart gewesen sei. Dem vertragstreuen Teil gebührt die für den Fall der Verspätung der Leistung vereinbarte Vertragsstrafe (selbst bei Vertragsrücktritt) wenigstens für den Zeitraum zwischen dem Eintritt des Verzuges des Schuldners bis zum Ablauf der ihm gesetzten angemessenen Nachfrist (JBl 1986, 371; SZ 58/152). Die Berechnung des Pönales nach diesen Grundsätzen stellt wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage dar. Daß die beklagte Partei die klagende Partei mehrfach erfolglos zur Mängelbehebung aufforderte, damit sie selbst - wohl kostengünstiger - die Arbeiten fertigstellen und Mängel verbessern kann, ist angesichts der hier zu beurteilenden Zeiträume kein Indiz dafür, daß die beklagte Partei die der klagenden Partei obliegende Erfüllung ungebührlich zur Erhöhung des Pönales hinausgezögert hätte.

c) Gemäß § 348 HGB kann zwar eine von einem (Voll-)Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochene Vertragsstrafe nicht auf Grund der Vorschriften des § 1336 Abs 2 ABGB herabgesetzt werden, doch ist diese Bestimmung nachgiebiges Recht (JBl 1990, 318; EvBl 1979/201 mwN; 3 Ob 550/91), sodaß abweichende Vereinbarungen zulässig sind (Reischauer in Rummel 2, Rz 17 zu § 1336 ABGB). Eine solche Vereinbarung haben die Streitteile hier durch Punkt 36.1 der AGB der beklagten Partei getroffen, wonach die Bestimmungen des § 1336 ABGB über das richterliche Mäßigungsrecht anzuwenden sind. Die vom Berufungsgericht in der Urteilsaufhebung angeordnete Prüfung der Frage einer allfälligen, von der klagenden Partei im Verfahren begehrten Mäßigung der versprochenen Vertragsstrafe ist demnach nicht zu beanstanden.

Die Lösung erheblicher Rechtsfragen iS des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich damit für den Obersten Gerichtshof insgesamt nicht, weshalb der Rekurs zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen.

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