OGH 11Os97/94

OGH11Os97/944.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Dr. Hager, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald Sch* und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gerd P* sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21.April 1994, GZ 20 s Vr 16399/93‑53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0110OS00097.9400000.0804.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerd P* wird Folge gegeben, der ihn betreffende Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Angeklagten P* aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Mit ihrer den Angeklagten Gerd P* betreffenden Berufung wird die Staatsanwaltschaft ebenso wie dieser Angeklagte mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die den Angeklagten Harald Sch* betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Harald Sch* und Gerd P* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, und zwar Harald Sch* als unmittelbarer Täter (I) und Gerd P* als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB (II), schuldig erkannt.

Darnach haben

I. Harald Sch* dadurch, daß er am 16. Dezember 1993 in Wien der Verkäuferin Sandra K* der Filiale der Firma Z* ein Küchenmesser anhielt und zu ihr sagte: "Das Geld her, aber schnell, oder soll ich zustechen?" und in der Folge aus der geöffneten Kassa einen Geldbetrag von ca 25.000 S nahm, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II. Gerd P* zur Ausführung der strafbaren Handlung des Harald Sch* dadurch beigetragen, daß er mit diesem den Tatplan entwickelte, vor der Tat zu ihm sagte, er solle eine Tasche mit Schal und Zipfelhaube mitnehmen, und schließlich mit ihm zum Tatort fuhr, im Geschäft auskundschaftete, wieviele Kunden sich darin befanden und dies dem Harald Sch* mitteilte.

Nur der Angeklagte Gerd P* bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 8, 10 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Bereits der Instruktionsrüge (Z 8) kommt Berechtigung zu.

Damit macht der Beschwerdeführer nämlich zu Recht die Erteilung einer zufolge Unvollständigkeit unrichtigen Rechtsbelehrung an die Geschworenen hinsichtlich des beim Beitragstäter erforderlichen Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) geltend. Verfehlt ist allerdings zunächst der Einwand, daß die Rechtsbelehrung zur Erklärung des Begriffes "vorsätzliches Handeln" im wesentlichen (bloß) den Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 1 StGB wiedergibt. Da sich der rechtsbegriffliche Inhalt des "Vorsatzes" mit der ihm nach allgemeiner Vorstellung zugeordneten Bedeutung deckt, und er als deskriptiver Begriff keiner Erklärung in der Rechtsbelehrung bedarf, genügt in diesem Zusammenhang die Wiedergabe des Gesetzestextes (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 31 a zu § 345 Z 8). Es ist auch keine Nichtigkeit darin gelegen, daß die Rechtsbelehrung hinsichtlich des Beitragstäters auf die Rechtsbelehrung zur Tat des unmittelbaren Täters verweist, da die Erläuterung allgemeiner Begriffe - wie hier des Vorsatzes - auch dann zusammenfassend erfolgen kann, wenn sie für die Beantwortung mehrerer Fragen an die Geschworenen von Bedeutung ist (Mayerhofer‑Rieder aaO E 53).

Zu Recht moniert der Beschwerdeführer jedoch, daß die Rechtsbelehrung hinsichtlich der Beitragstäterschaft die jedenfalls gebotenen weiteren Erläuterungen zur subjektiven Tatseite nicht enthält. Vor allem fehlt der Hinweis darauf, daß sich der Vorsatz des Beitragstäters nicht nur auf die Tatbestandselemente der unmittelbaren Tat, sondern auch auf allfällige deliktsqualifizierende Merkmale, wie hier die Verwendung einer Waffe beim Raub, erstrecken muß. Eine Rechtsbelehrung, welche die Deutung nahelegt, es sei zur Bejahung der Schuldfrage ausreichend, daß die objektiven Deliktsmerkmale zutreffen, oder die ‑ wie im gegebenen Fall - nicht ausdrücklich darauf hinweist, daß alle - auch die qualifizierenden - Deliktsmerkmale vom Vorsatz des Täters umschlossen sein müssen, ist unrichtig und nicht bloß unvollständig (Mayerhofer‑Rieder aaO E 55).

Wegen der dadurch bewirkten Nichtigkeit war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §§ 344, 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung der den Angeklagten Gerd P* betreffende Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufzuheben und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Im erneuerten Verfahren wird überdies zu beachten sein, daß die Rechtsbelehrung zum Waffenbegriff - ohne daß sich dies nachteilig auswirken konnte ‑ insoweit undeutlich geblieben ist, als sie den (falschen) Schluss nahelegen könnte, nur "Waffen im technischen Sinn" würden diesem Waffenbegriff entsprechen. Nach ständiger Judikatur sind Waffen in der Bedeutung des § 143 StGB nicht nur solche, sondern - wie die Rechtsbelehrung ungeachtet der missverständlichen Einleitung der Begriffsdefinition an anderer Stelle ohnedies ausführt - alle Gegenstände, die als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder als Raubdrohung ad hoc geeignetes Instrument gebraucht werden und bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf den Waffen im technischen Sinn gleichwertig sind (siehe dazu Leukauf‑Steininger Komm3 § 143 RN 10 mwN).

Mit ihrer den Angeklagten Gerd P* betreffenden Berufung war die Staatsanwaltschaft ebenso wie dieser Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Zur Entscheidung über die den Angeklagten Harald Sch* betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft hinwieder waren die Akten dem hiefür zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten (§§ 344, 285 i StPO).

 

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