OGH 8ObA280/94

OGH8ObA280/9414.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic und die fachkundigen Laienrichter Reg.Rat Kubak und Mag.Retzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, ***** und 2.) Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, ***** beide vertreten durch Dr.Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Johann B*****, Spengler- und Glasermeister, ***** wegen 1) 276.557,92 S und 2) 202.489,30 S und Feststellung (jeweils 100.000,-- S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.April 1994, GZ 5 Ra 77/94-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Oktober 1993, GZ 46 Cga 139/93d-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei je einen mit 12.023,55 S bestimmten Anteil der Kosten des Revisionsverfahrens (darin je 2.003.93 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist zutreffend; es genügt daher, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO); das Berufungsgericht hat die Beweisrüge der klagenden Parteien betreffend die angebliche Unterlassung des Beklagten, auf die Mitnahme von Seilen und Gurten für exponierte Spenglerarbeiten zu dringen, ausführlich behandelt (S 13 f des Berufungsurteiles).

Den Revisionsausführungen, der Beklagte habe habituell gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen, ist entgegenzuhalten, daß ein solcher Tatsachenschluß von den Vorinstanzen nicht gezogen wurde. Auch wenn sich rund drei Jahre vor dem Unfall vom 15.5.1990 ein ähnlicher Arbeitsunfall im Betrieb des Beklagten ereignete, so hat sich der Beklage dennoch in einem vertretbaren, wenn auch nicht höchstmöglichen Ausmaß um die Einhaltung der einschlägigen Sicherheitsvorkehrungen bemüht (Seite 7 ff des erstgerichtlichen Urteils). Der Vorwurf, die arbeitsrechtliche Sanktion der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Fall der Nichtverwendung von Schutzeinrichtungen nicht angedroht oder angewendet zu haben, wiegt wegen des andererseits zu berücksichtigenden Bestandschutzes des Arbeitsverhältnisses gegenüber einer Entlassung nach § 82 lit f GewO (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2, 113 unter Hinweis darauf, daß nur in besonders schwerwiegenden Fällen die Verletzung von Normen des Arbeitnehmerschutzes eine Entlassung rechtfertigen könne) oder einer Kündigung im Falle ihrer Anfechtung nach § 105 ArbVG nicht so schwer, daß dadurch der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet würde.

Auch ein einmaliger Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften kann bereits grob fahrlässig sein (vgl SZ 40/26; EvBl 1962/15, 21), dieser gesteigerte Schuldvorwurf wird durch eine erhöhte Vorhersehbarkeit gerechtfertigt (zB im Falle der E SZ 40/26 durch die Unterlassung des Abstellens von Mißständen, die zuvor durch das Arbeitsinspektorat gerügt worden waren). Wenngleich Reischauer (in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 1324) dieses Argument des wahrscheinlichen Schadenseintrittes überhaupt kritisiert, so war im Ergebnis in den vorzitierten Fällen immerhin ein extremes Abweichen von der gebotenen Sorgfalt (vgl auch Kerschner, DHG, Rz 38 zu § 2) gegeben, das auch subjektiv besonders schwerstens vorwerfbar war. Gerade dieser subjektiv schwerwiegende Vorwurf ist dem Beklagten nicht zu machen, wenn er gegen die Bestimmung des § 3 Abs 1 der VO über die Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten verstieß, indem er von zwei arbeitsrechtlich gleichrangigen, in den Arbeitnehmerschutzbestimmungen ausreichend unterwiesenen Gesellen nicht einen zum Anordnungsbefugten hinsichtlich der Einhaltung der Dienstnehmervorschriften bestellte. Diese Unterlassung stellt noch keinen das Ausmaß einer groben Fahrlässigkeit erreichenden Sorgfaltsverstoß dar, zumal der Beklagte jedenfalls gegenüber Lehrlingen und Helfern dieses Gebot befolgte. Der Umstand, von zwei gleichrangigen Arbeitern - der Unterschied zwischen einem "Altgesellen" und einem (einfachen) Gesellen ist wegen des bei Arbeitern bei der Entgeltbestimmung praktisch nicht festzustellenden "Senioritätsprinzips" nicht ins Gewicht fallend - nicht einen gegenüber dem anderen zum Anordnungsbefugten bestellt zu haben, wiegt nicht schwerer, als jener, von zwei annähernd Gleichgeeigneten nicht den "besser Geeigneten" und damit den anderen zum Anordnungsbefugten bestellt zu haben, womit auch der Vorwurf eines Auswahlverschuldens nur den Grad einer leichten Fahrlässigkeit erreichte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 46 Abs 1 und 50 ZPO.

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