Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 9.054,72 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.509,12 S Umsatzsteuer) sowie die mit 11.433,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 6.000 S Barauslagen und 905,60 S Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1.August 1977 bei der damaligen Arlberg-Straßentunnel-AG (im folgenden: ASTAG) als Werkmeister und Betriebsleiterstellvertreter beschäftigt und für die maschinentechnischen Einrichtungen zuständig. Sein Vorgesetzter Dipl.Ing.W***** war technischer Angestellter und für Betrieb und Erhaltung zuständig; mit der Übernahme von fertiggestellten Bauarbeiten hatte er nichts zu tun, dafür war die Bauabteilung zuständig. Der Kläger wurde Mitglied des Betriebsrates und schließlich dessen Vorsitzender. Der Beklagte war vom 15.April 1983 bis Ende August 1991 Vorstand der ASTAG, die den Arlberg-Straßentunnel betrieb. Im Zusammenhang mit Baukostenüberschreitungen kam es mehrfach zu kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit.
Der Beklagte übermittelte eine mit 25.März 1991 datierte "Sachverhaltsdarstellung" an mehrere Tageszeitungen. In dieser Presseaussendung sind folgende Äußerungen hinsichtlich des Schachtes Maienwasen des Arlberg-Straßentunnels enthalten:
"Die Misere begann vielmehr bereits mit der Abnahme des Schachtes und der Fall- und Ringleitungen. Diese Abnahme wurde so schlampig und nachlässig durchgeführt, daß nicht einmal bemerkt wurde, daß die Falleitung auf weite Strecken überhaupt nicht existiert, von anderen schweren Mängeln ganz abgesehen. Zumindest wurde darüber nicht berichtet, es könnte also auch ein Verschleierungsversuch vorliegen. Mit der Abnahme war damals der Schlossermeister der ASTAG, Erich B*****, betraut. Sein Vorgesetzter war der Oberrat der Tiroler Landesregierung, T*****.
In der Folge wurden von B***** zwei Jahre lang völlig unzulängliche Versuche gemacht, die Falleitung zu sanieren. Es wurden dafür rund 1500 Arbeitsstunden und etliche Nebenleistungen aufgewendet. Dies wurde im April 1984 vom damals neuen Vorstand der ASTAG, Dr.T*****, aufgedeckt ... Falsch ist die Aussage, daß sich die Kosten lediglich auf 50.000 S bis 60.000 S belaufen hätten, wenn man die eigenen Leute hätte arbeiten lassen. Bei diesen Leuten handelt es sich um Herrn B*****, der zwei Jahre lang zumindest die Mängel nicht richtig erkannt hat und den Falleitungen unter einem Kostenaufwand von mehr als 500.000 S bei seinen Reparaturversuchen nur noch mehr Schaden zugefügt hat.
Weitere Bastelstunden dieser Leute wären unverantwortbar gewesen. Aus der unzulänglichen Abnahme durch Herrn B***** und T***** und den späteren dilettantischen Sanierungsversuchen ist der ASTAG sicher ein erheblicher Schaden entstanden."
Auf Grund dieser Information erschien in der Tageszeitung Kurier ein Artikel, in dem unter anderem ausgeführt wird:
"T***** sieht sich überhaupt als Opfer einer Kampagne. An der sei, so vermutet der ASTAG-Chef, der jetzige Betriebsratsobmann, Erich B*****, beteiligt. Ihm wurde, so T*****, die Sanierung der Falleitung im Schacht Maienwasen entzogen. Zwei Jahre lang habe B***** völlig unzulängliche Sanierungsversuche unternommen, bis dies von T***** aufgedeckt worden ist. Weitere Bastlerstunden dieser Leuten wären unverantwortbar gewesen, weshalb mit der Sanierung ein Unternehmen beauftragt werden mußte."
Die Herstellung des Schachtes Maienwasen durch die ARGE Arlberg-Straßentunnel Ost (kurz: ATO) war im November 1975 beendet. Bei diesem Schacht war vorgesehen, die Bergwässer mittels eines Drainagesystems abzuleiten, um den Wasserdruck auf den Schacht möglichst gering zu halten. Es kam nach Fertigstellung insbesondere infolge von Versinterungen zu Verstopfungen der Falleitung und zu Wassereintritten in den Schacht. Die erste Mängelbehebung erfolgte durch die bauausführenden Unternehmen. Nach dem es am 21.April 1982 zu einem neuerlichen starken Wasseraustritt im Schacht gekommen war, wurde der Kläger von seinem Vorgesetzten Dipl.Ing.W***** beauftragt, die Sanierung des Schachtes vorzunehmen. Dies war letztlich nicht erfolgreich, weil die - diesbezüglich unsachgemäß ausgeführten - Ringleitungen in die Falleitung ragten, ohne daß dies aus den Plänen ersichtlich war. Der Kläger informierte davon die Zentrale der ASTAG, worauf angeordnet wurde, die Sanierungsarbeiten einzustellen, weil es sich um einen Gewährleistungsfall handle. Der Kläger führte die Sanierungsversuche am Schacht Maienwasen nicht in eigener Verantwortung durch sondern nach Absprache der einzelnen Maßnahmen mit seinem Vorgesetzten. Der Beklagte konnte auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht annehmen, daß der Kläger die Sanierungsversuche in eigener Verantwortung gemacht hätte; ihm mußte vielmehr bekannt sein, daß die Sanierungsversuche im Auftrag seines Vorgesetzten Dipl.Ing.W***** erfolgten. Mit der Abnahme des Schachtes hatte der Kläger nichts zu tun; er hatte im Zusammenhang mit dieser Abnahme nur die Schachtbefahrungsanlage zu bedienen. Auch dies mußte dem Beklagten bekannt sein.
Der Kläger begehrte, den Beklagten zur Unterlassung der Äußerungen zu verpflichten, der Kläger sei mit der Abnahme des Schachtes und der Fall- und Ringleitungen Maienwasen, deren Abnahme nachlässig und schlampig durchgeführt worden sei, befaßt gewesen sowie der Kläger habe völlig unzulängliche, dilettantische Sanierungsversuche am Schacht Maienwasen vorgenommen, sodaß weitere Bastelstunden des Klägers unverantwortlich gewesen seien. Die inkriminierten Äußerungen des Beklagten seien unrichtig und geeignet, das Fortkommen des Klägers zu gefährden.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete unter anderem ein, daß seine Äußerungen über den Kläger zutreffend gewesen seien; überdies bestehe keine Wiederholungsgefahr.
Mit bedingtem Vergleich vom 28.April 1993 verpflichtete sich der Beklagte, Äußerungen über den Kläger betreffend die Abnahme und Sanierung des Schachtes Maienwasen zu unterlassen und einen Kostenbeitrag zu zahlen. Dieser bedingte Vergleich wurde vom Kläger widerrufen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, mit seinen Äußerungen habe der Beklagte für das Fortkommen und den Erwerb des Klägers nachteilige Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB behauptet und verbreitet, deren Unwahrheit ihm habe zumindest bekannt sein müssen. Den Wegfall der Wiederholungsgefahr habe der Beklagte nicht bewiesen.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. In seiner Entscheidungsbegründung führte es aus: Das Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches beseitige die Wiederholungsgefahr. Der Umstand, daß der Vergleich kürzer formuliert sei als das Unterlassungsbegehren, bedeute nicht, daß sich der Beklagte damit zu weniger verpflichtet habe, als diesem Begehren entspreche. Vielmehr gehe die vergleichsweise übernommene Verpflichtung des Beklagten, generell Äußerungen über den Kläger, betreffend die Abnahme und Sanierung des Schachtes Maienwasen zu unterlassen, über das Urteilsbegehren sogar hinaus, von dem nur konkret eingeschränkte Äußerungen in diesem Zusammenhang umfaßt seien. Die im Vergleich übernommene Unterlassungsverpflichtung sei nicht weniger exakt als das Urteilsbegehren und damit ausreichend bestimmt im Sinne des § 7 Abs 1 EO.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Unrechtsgehalt der Äußerungen des Beklagten liegt darin, daß er dem Kläger zu Unrecht eine schlampige Abnahme des gegenständlichen Schachtes und der Fall- und Ringleitungen sowie unzulängliche, dilettantische Sanierungsversuche vorgeworfen und diesen den beruflichen Ruf des Klägers gefährdenden Vorwurf noch durch den spöttischen Zusatz unterstrichen hat, weitere "Bastelstunden" des Klägers seien unverantwortbar gewesen. Die vergleichsweise angebotene Unterlassungsverpflichtung, in der der vom Kläger zu Recht inkriminierte Unrechtsgehalt der Äußerungen des Beklagten in keiner Weise zum Ausdruck kommt, entspricht daher trotz allgemeiner Fassung der angebotenen Unterlassungsverpflichtung nicht den berechtigten Interessen des mit dem Unterlassungsbegehren auch die Wiederherstellung seiner durch die Äußerungen des Beklagten verletzten Berufsehre anstrebenden Klägers (vgl. 4 Ob 1034/94).
Durch dieses unzureichende Vergleichsanbot wurde daher die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, zumal der Beklagte auch danach den Standpunkt vertrat, seine Vorwürfe gegen den Kläger seien berechtigt gewesen (ÖBl 1992, 24; SZ 63/76 uva).
Da der Beklagte, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, den Erwerb und das Fortkommen des Klägers gefährdende unwahre Tatsachen verbreitete, deren Unwahrheit er zumindest kennen konnte, ist das Unterlassungsbegehren des Klägers berechtigt.
Der Revision war daher im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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