OGH 9Ob504/94

OGH9Ob504/9413.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Steinbauer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin K*****, Verkäuferin, ***** vertreten durch Dr.Christian Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Günther K*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Hanns Hügel ua Rechtsanwälte in Mödling, wegen S 67.176 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 27.Jänner 1994, GZ 43 R 2103/93-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.Mai 1993, GZ 29 C 714/92b-29, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

1. Die Klageforderung besteht mit dem Betrag von S 8.631 samt 4 % Zinsen seit 1.3.1991 zu Recht.

2. Die Gegenforderung des Beklagten besteht bis zu diesem Betrag nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 8.631 samt 4 % Zinsen seit 1.3.1991 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 58.545,- samt 9,75 % Zinsen seit 1.3.1991 und 5,75 % Zinsen aus S 8.631,- seit 1.3.1991 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.971,16 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 2.995,19 Umsatzsteuer) und die mit S 10.153,94 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 1.396,39 Umsatzsteuer und S 888 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.690 bestimmten Kosten (anteilige Pauschalgebühren) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die vom Beklagten seit 22.2.1991 geschiedene Klägerin begehrt für die Dauer der Benützung der von ihr gemieteten Ehewohnung durch den Beklagten vom 27.April 1990 bis zu seiner Delogierung am 4.Juni 1991 Benützungsentgelt in der Höhe von S 58.279,20 und S 8.896,80 für diverse Gas- und Stromrechnungen.

Zur Beschreibung und zur Höhe des Anspruches brachte sie in der Klage vor:

"Sonstiger Schadenersatz fällig am.... Forderung in öS

Gewährleistungsanspruch

Schad- und Klagloshaltungserklärung, bezugnehmende Inanspruchnahme durch Bank; Inanspruchnahme der Mieten trotz ausdrücklicher Übernahmserklärung durch den Beklagten......".

Im Schriftsatz vom 29.10.1992 (ON 18) führte die Klägerin aus, "als Mieterin der Wohnung....vom Beklagten ausgesperrt worden zu sein. Der Beklagte habe dieses Objekt unter Ausschluß der Klägerin allein mit seiner Lebensgefährtin benützt, so daß sie erst nach einer Delogierung des Beklagten in das Objekt konnte. Ihr sei nicht nur die Benützungsmöglichkeit genommen worden, sondern sie habe auch für sämtliche mit der Erhaltung der Wohnung im Zusammenhang stehenden Kosten (auch Gas und Strom) aufkommen müssen".

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte die Klageabweisung. Die Streitteile hätten im Scheidungsvergleich hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens vereinbart, daß auf Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichtet werde. Bis zu dem mit 31. März 1991 vereinbarten Zeitpunkt der Räumung durch den Beklagten entbehre die Klageforderung jeder Rechtsgrundlage. Die beklagte Partei brachte im übrigen vor, daß nicht erkennbar sei, auf welche Rechtsgrundlage sich das Klagebegehren stütze.

Zu diesen Ausführungen verwies die Klägerin auf das eigene Prozeßvorbringen, insbesondere darauf, daß mündlich eine Zusage des Beklagten vorliege, die Klägerin für den Zeitraum des Bewohnens der Wohnung schad- und klaglos zu halten und sich aus dem Scheidungsvergleich nicht ergebe, daß die Wohnkosten für die Zeit der widerrechtlichen Benützung durch den Beklagten nicht zu tragen seien.

Das Erstgericht gab nach Berichtigung seines Urteiles dem Klagebegegehren mit S 16.184 sA statt. Die Gegenforderung der beklagten Partei für in die Wohnung getätigte Investitionen im Wert von S 10.000 bestehe nicht zu Recht. Das Mehrbegehren von S 50.992 sA wies das Erstgericht ab.

Dieser Entscheidung liegt folgender wesentlicher Sachverhalt zugrunde:

Die Streitteile waren bis 22.2.1991 verheiratet. Bei aufrechter Ehe hatten sie einen Antrag auf Zuweisung einer Gemeindewohnung gestellt, die die Klägerin trotz der zwischen den Ehegatten aufgetretenen Streitigkeiten erhalten wollte. Hiezu benötigte sie die Unterschrift des Beklagten. Dieser unterschrieb den Antrag auf Zuteilung einer Gemeindewohnung gegen die Einräumung des Benützungsrechtes durch die Klägerin bis zur Scheidung. Daß der Beklagte keine Wohnkosten zu tragen hätte, wurde nicht vereinbart. Mit Zustimmung der Klägerin zog der Beklagte ab Februar 1990 in die Wohnung ein, während sie mit dem Kind bei ihrer Mutter verblieb. Den Mietzins bezahlte in der Folge immer die Klägerin.

Im Scheidungsvergleich vereinbarten die Streitteile, daß die Ehewohnung der Klägerin, die alleinige Hauptmieterin der Wohnung war, verbleibe und der Beklagte sich verpflichte, diese Wohnung bis längstens 31.März 1991 geräumt der Klägerin zu übergeben. Im Vergleich einigten sich die Streitteile, daß sie verschiedene Kredite selbständig zur Rückzahlung übernehmen und jeweils den anderen Teil schad- und klaglos halten. Sie vereinbarten unwiderruflich, hinsichtlich der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens keine weiteren Ansprüche zu haben. Auch nach der Scheidung lebte der Beklagte in der Wohnung bis zur Delogierung am 4.6.1991. Vor Unterzeichnung des Scheidungsvergleiches fragte die Klägerin den Richter, wer die Wohnkosten zu tragen hätte, weil der Beklagte die Wohnung ausschließlich bewohne. Der Richter erklärte der Klägerin, daß derjenige, der in der Wohnung wohne, auch die Wohnkosten zu tragen hätte. Damit war der Beklagte nicht einverstanden und meinte, daß er für die Mietkosten durch die Vornahme von Investitionen schon aufgekommen sei. Man kam in diesem Punkt zu keiner Einigung. die Klägerin zahlte ab 1.8.1990 monatlich S 4.036,54 Mietzins und S 1.680 an Strom und Gas, so daß insgesamt von ihr S 67.540,78 an Wohnkosten bezahlt wurde.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß mit dem im Scheidungsverfahren abgeschlossenen Vergleich alle vermögensrechtlichen Ansprüche, auch die eheliche Wohnung betreffend, bis zum Scheidungsvergleich 22.2.1991 bereinigt und verglichen worden seien. Sie habe daher lediglich Anspruch auf die Mietkosten für die Zeit vom 23.2.1991 bis 4.6.1991.

Die Gegenforderung sei ebenfalls vom Scheidungsvergleich umfaßt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht, hingegen der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht meinte es, die Klägerin hätte das Klagebegehren ausdrücklich auf eine mündliche Zusage des Beklagten, die Klägerin für den Zeitraum des Bewohnens der Wohnung schad- und klaglos zu halten, gestützt. Sie habe damit eine rechtliche Qualifikation ihres Anspruches vorgenommen, über die sich das Gericht nicht hinwegsetzen dürfe. Eine Verpflichtungserklärung des Beklagten habe sich aus den Urteilsfeststellungen nicht ergeben, was die Abweisung des restlichen Klagebegehrens zur Folge habe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche auf Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagestattgebung gerichtete Revision der Klägerin, die zulässig und teilweise auch berechtigt ist.

Die Zulässigkeit ergibt sich daraus, daß auch Verfahrensfehler der zweiten Instanz, soweit sie erhebliche Bedeutung haben und tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzen, der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegen. Eine Verletzung des Grundsatzes des § 405 Satz 1 ZPO in der Form, daß das Gericht einen bestimmten Zuspruch mit der unzutreffenden Begründung ablehnt, er sei durch das Urteilsbegehren der Klägerin nicht gedeckt, ist eine solche erhebliche Verletzung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift, die die Rechtssicherheit gefährdet (ÖBl 1987, 102).

Nur wenn die Klage allein auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt wird, ist das Gericht daran gebunden und darf dem Begehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (SZ 62/91; Arb 10.716 = DRdA 1990/37). Dabei hat das Gericht nur jenen Sachverhalt zu beurteilen, den ihm die Parteien unterbreiten (RdW 1986, 271 mwN). Wenn der Klage und dem gesamten Vorbringen nicht unzweifelhaft entnommen werden kann, daß die klagende Partei eine andere rechtliche Beurteilung ausschließen wollte, dann können auch andere als von der klagenden Partei genannten rechtliche Gesichtspunkte herangezogen werden. Aus dem Gesamtvorbringen der Klägerin in der Klage, dem Schriftsatz vom 29.10.1992 und ihrer Urkundenerklärung zum Scheidungsbeschluß und dem Scheidungsvergleich ergibt sich, daß die Klägerin ihren Anspruch auf die Wohnkosten nicht nur auf den Rechtsgrund der vertraglichen Erfüllungsübernahme ("schad- und klaglos zu halten") gestützt hat, sondern nur "insbesondere" diesen Rechtsgrund heranzog, ansonsten auf ihr Vorbringen, ohne Festlegung auf einen bestimmten Rechtsgrund, verwies, das aber, ohne diesen Umstand ausdrücklich zu erörtern, nicht von vornherein andere Rechtsgründe ausschloß. Hat sich die Klägerin nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund ausschließlich festgelegt, so hat der vorgetragene einheitliche Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt zu werden (Arb 8982, SZ 48/53).

Ein anläßlich der Ehescheidung geschlossener Vergleich bereinigt wie jeder anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossene Vergleich im Zweifel auch solche Ansprüche, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses denken konnten (Infas 1990 A 31; Ind 1991 H 6, 12; DRdA 1993/28 [Klein] = Arb 11.040). Künftige Ansprüche und nach Abschluß des Vergleiches eintretende Änderungen sind vom Vergleich jedoch nicht erfaßt (DRdA 1993/28; 9 Ob A 1030/93).

Die Parteien erklärten im Vergleich, hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens, - dem auch die Ehewohnung zu unterstellen ist, - keine weiteren Ansprüche zu haben. Damit waren aber auch die Rückstände des einen Ehegatten an den laufenden Auslagen der Ehewohnung, wie Miete, Gas und Strom oder Aufwendungen etc, die der andere trug, sohin im Zusammenhang mit der Ehewohnung stehende (wechselseitige) Forderungen der Ehegatten von den Vergleichswirkungen mitumfaßt (Pichler in Rummel ABGB2 Rz 2a zu § 81 EheG), zumal doch sogar vor Unterzeichnung des Scheidungsvergleiches vor Gericht über diese Kosten ausdrücklich gesprochen, jedoch keine Einigung erzielt und der Vergleich dennoch in der vorliegenden Form abgeschlossen wurde. Damit sind die Ansprüche der Klägerin auf die Wohnungskosten bis zu dem vom Scheidungsvergleich umfaßten Zeitpunkt der Räumung durch den Beklagten bis 31.3.1991 bereinigt und verglichen. Die Klägerin räumte dem Beklagten nämlich das Recht ein, bis 31.3.1991 weiter in der Wohnung zu wohnen, ohne dafür eine Gegenleistung zu fordern. Für die Zeit der titellosen Benützung vom 1.4.1991 bis zur Delogierung am 4.6.1991 hat die Klägerin jedoch Anspruch auf Benützungsentgelt (MietSlg 41.060 ua), das sich grundsätzlich an der Höhe des Mietzinses orientiert. Der Klägerin steht daher der Betrag von S 8.631 zu. Da die Klägerin außer dem Betrag von S 1.680 für Gas und Strom aufgrund der Rechnung vom Jänner 1991 (Beilage D) keine weiteren der von ihr geltend gemachten Strom- und Gaskosten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nachgewiesen hat, konnte der von ihr dafür geltend gemachte weitere Betrag von S 8.896,80 nicht zugesprochen werden, weil weder behauptet noch bewiesen ist, welcher Verbrauch auf die Zeit vom 1.4.1991 bis 4.6.1991 entfällt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Aufgrund des Obsiegens mit nur 13 vH steht der beklagten Partei ein Kostenersatz von 74 % ihrer Kosten zu, wobei die Klägerin 13 % ihrer entrichteten Pauschalgebühren erhält.

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