OGH 5Ob78/93

OGH5Ob78/935.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr.Wilhelm W*****, 2.) Rudolf K*****, 3.) Mag.Ulrike W*****, 4.) Friedrich S*****, 5.) Dkfm.Dr.Elmar B*****, 6.) Dkfm.Franz B*****, 7.) Dipl.Ing.Paul St*****, 8.) Anna H*****, 9.) Anton K*****, 10.) Mag.Paul S*****, 11.) Mag.Bernhard R*****, 12.) Karin R*****, 13.) Dr.Alexander M*****, alle Wohnungseigentümer im Haus *****, alle vertreten durch Dr.Rudolf Holzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr.Maria Anna F*****, 2.) Ing.Robert V*****, 3.) Ing.Walter B*****, 4.) Heinz-Joachim B*****,

5.) Ulrike G*****, 6.) Margarete P*****, 7.) Otto J*****, 8.) Bojana St*****, alle Wohnungseigentümer in *****, und alle vertreten durch Dr.Herbert Gartner und Dr.Thomas Furher, Rechtsanwälte in Wien, wegen

S 252.886,14 s.A. und Feststellung, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Mai 1993, GZ 14 R 11/93-11, womit das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. November 1992, GZ 26 Cg 21/92-7, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß das Teilzwischenurteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger begehren von den Beklagten die anteilsmäßige Zahlung von S 252.886,14 s.A. zu Handen des Verwalters - das Feststellungsbegehren der Kläger ist nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens - mit der Begründung, sie seien zu 92,67 % Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****. Die Beklagten seien Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****. Die beiden (benachbarten) Liegenschaften seien von der Genossenschaft N***** verwaltet worden. Diese habe als Verwalterin einen gemeinsamen Rücklagenfonds (§ 16 WEG) für diese beiden Liegenschaften errichtet, zu dem die Kläger 69,25 % beigetragen hätten. Aus diesem gemeinsamen Fonds sei eine Dachreparatur der beiden ausschließlich von den Beklagten bewohnten Häuser bezahlt worden. Diese Vorgangsweise widerspreche zwingenden Vorschriften des WEG. Die Beklagten beriefen sich zu Unrecht auf eine zwischen den Streitteilen angeblich diesbezüglich abgeschlossene Vereinbarung. Die Wohnungseigentümer des Hauses ***** hätten niemals mit den Wohnungseigentümern der Häuser ***** (Häuser II und III) eine derartige Vereinbarung geschlossen. Eine solche Vereinbarung existiere nur zwischen den Miteigentümern der einzelnen Liegenschaften untereinander bzw mit der Genossenschaft Neues Leben als Wohnungseigentumsorganisator und Voreigentümer. Überdies betreffe sie nur die Kostentragung zur Erhaltung und zum Betrieb gemeinsamer Einrichtungen auf beiden Liegenschaften.

Die Beklagten wendeten ein, die Klage sei unschlüssig. Überdies bestehe eine vertragliche Vereinbarung, die dem Klagebegehren entgegenstehe. In Punkt VIII. des Wohnungseigentumsvertrages und seiner Ergänzung hätten sich die Streitteile verpflichtet, einen gemeinsamen Reparaturfonds im Sinne des § 16 WEG zu speisen. Die Wohnhäuser seien nämlich ursprünglich auf einer Liegenschaft geplant gewesen. Die Teilung in zwei Liegenschaften sei lediglich aufgrund förderungsrechtlicher Bestimmungen erfolgt. Die getroffene Vereinbarung falle nicht unter die zwingenden Vorschriften des WEG, sondern unterliege den allgemeinen vertragsrechtlichen Regelungen des ABGB. Entsprechend dieser Vereinbarung habe die Hausverwalterin die Liegenschaften verwaltet. Dies sei von den Klägern bis zur Jahresabrechnung 1989 auch immer akzeptiert worden. Es sei richtig, daß aus den gemeinsamen Reparaturfonds die Kosten einer Dachreparatur der Wohnhäuser der Beklagten in Höhe von S 365.178,55 bezahlt worden seien, wobei die Kläger zu 69,25 % zu diesem Fonds beigetragen hätten. Den bereicherungsrechtlichen Begehren der Kläger stünde die vertragliche Vereinbarung vom 24.1.1978 entgegen.

Das Erstgericht gab mit Teilzwischenurteil dem Zahlungsbegehren dem Grunde nach statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Alle Kläger sind Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück 762/8 Garten, Bauplatz 1 und halten zusammen die Mehrheit der Anteile. Alle Beklagten sind Wohnungseigentümer der EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück 757/2 Garten, Bauplatz 2. Sie halten zusammen 100 % dieser Anteile. Die Liegenschaft der Kläger wurde und die Liegenschaft der Beklagten wurde und wird von der Gemeinnützigen Wohn-, Bau- und Siedlungsgenossenschaft N***** reg. GenmbH. verwaltet. Nunmehriger Verwalter der Liegenschaft der Kläger ist Otto S*****. Die von den Wohnungseigentümern beider Liegenschaften dotierte Rücklage wurde von der Verwalterin "Neues Leben" unter Berufung auf eine bestehende vertragliche Einigung gemeinsam verwaltet und hiebei ua eine nur die Liegenschaft der Beklagten betreffende Hausreparatur aus diesem gemeinsamen Rücklagentopf bezahlt. Aufgrund dieser vorgangsweise haben die Kläger zu 69,25 % zur Bezahlung der Reparaturkosten beigetragen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Heranziehung der von den Klägern gebildeten Rücklage zur teilweisen Finanzierung von Reparaturen auf einer nicht im Wohnungseigentum der Kläger stehenden Liegenschaft den zwingenden Bestimmungen des § 16 Abs 1 und 2 WEG widerspreche. Selbst wenn die Vereinbarung, auf die sich die Beklagten berufen, noch zu der Zeit abgeschlossen worden wäre, zu der noch schlichtes Miteigentum bestand, wäre sie durch die Begründung von Wohnungseigentum obsolet geworden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Die von den Beklagten behauptete Vereinbarung stelle nichts anderes dar als die Verpflichtung, zur Rücklage für künftige Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten der Nachbarliegenschaft beizutragen. Die gleiche Verpflichtung hätten die Beklagten den Klägern gegenüber übernommen. Diese vertragliche Verpflichtung widerspreche nicht den zwingenden Vorschriften des § 16 WEG, weil diese Gesetzesbestimmung nur die interne Aufteilung der Beiträge der einzelnen Wohnungseigentümer zum Fonds regle, nicht aber die Frage, ob Wohnungseigentümer einer anderen Liegenschaft nicht auch zu dem von den Wohnungseigentümern dieser Liegenschaft errichteten Fonds beitragen dürfen und umgekehrt.

Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles sei erforderlich, weil Feststellungen darüber fehlten, ob die von den Beklagten behauptete Vereinbarung getroffen worden ist.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, ob ein gemeinsamer Reparaturfonds mehrerer Liegenschaften mit den Bestimmungen des WEG vereinbar sei, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Kläger mit dem Antrag, das Teilzwischenurteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft "N*****" registrierte Genossenschaft mbH war Eigentümerin der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je des Grundbuches *****, die ursprünglich eine einzige Liegenschaft waren, und Wohungseigentumsorganisator der darauf errichteten (drei) Häuser. Später war sie auch Verwalterin dieser Liegenschaften. Zwischen ihr und den Klägern (Beilage ./C bezüglich EZ *****) bzw zwischen ihr und den Beklagten (Beilage ./A bezüglich EZ *****) wurden diese Kauf- und Wohnungseigentumsverträge, deren Echtheit unbestritten ist (ON 6), abgeschlossen. Sie wurden zwischen 20.September 1977 und 13.Feber 1978 von den Wohnungseigentumsbewerbern unterschrieben. In diesen Verträgen war zunächst jeweils in Punkt VIII. eine für beide Liegenschaften idente Feststellung der für die beiden Liegenschaften bestehenden gemeinsamen Einrichtungen (a) Zentralheizungsanlage; b) Wasch- und Trockenraum; c) Sauna samt Nebenräumen; d) Mülltonnen samt baulichen Einrichtungen; e) Fernsehantenne; f) Hausbesorgerposten; Gartenbenützung) samt - hier nicht interessierenden - Servitutetenbestellungen enthalten.

Nachträglich wurde Punkt VIII. der Verträge ua dahin ergänzt, daß folgende Bestimmung angefügt wurde:

"Es gilt für sämtliche Aufwendungen, also insbesondere des Betriebes, der Erhaltung und der Erneuerung der unter a) bis f) angeführten Einrichtungen der Schlüssel, der aus den beiden Schlüsseln des Hauses I (100 % = 1232,42 m2) einerseits und der Häuser II und III (100 % = 579,82 m2) andererseits errechnet wird. Auch die diesbezüglichen Entscheidungen haben die Häuser I bis III entsprechend den zusammengerechneten Anteilen gemeinsam zu treffen....".

Das Haus I steht auf der Liegenschaft EZ *****, die Häuser II und III auf der Liegenschaft EZ *****.

Die genannte Vertragsergänzung wurde in Beilage ./C von Organen des Wohnungseigentumsorganisators und von einer Machthaberin der Wohnungseigentumsbewerber am 30.4.1978 unterschrieben, wobei von der Bevollmächtigung der Machthaberin hiezu durch die Wohnungseigentumsbewerber mangels gegenteiliger Behauptungen auszugehen ist.

Die Regelungen des WEG sind immer auf eine bestimmte - einzige - Liegenschaft abgestellt (vgl §§ 1, 2, 3, 12, 14, 15, 16, 17 und 19 WEG). Dies gilt im besonderen auch für die Rücklage, die als gebundenes Vermögen der jeweiligen Miteigentümer, seit dem 3. WÄG als gebundenes Vermögen der neu geschaffenen Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 13c WEG) zu verwalten, gesondert zu verwahren und für die Deckung von Aufwendungen nach § 19 WEG, also liegenschaftsbezogen, zu verwenden ist. Auch über die Erhöhung und Herabsetzung der Rücklage entscheiden ausschließlich die Miteigentümer der betreffenden Liegenschaft. Die Höhe der Rücklage ist auch dafür entscheidend, ob die Mehrheit der Miteigentümer über die ordnungsgemäße Erhaltung der gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft hinausgehende Veränderungen daran durchsetzen kann (§ 14 Abs 3 WEG).

Aus all dem folgt, daß dann, wenn - wie hier - in einer Vereinbarung mit dem Wohnungseigentumsorganisator diese den Wohnungseigentümern von Gesetzes wegen zustehenden Rechte über die Gestaltung und Verwendung der Rücklage beschränkt werden, es sich um eine rechtsunwirksame Vereinbarung im Sinne des § 24 Abs 1 Einleitungssatz WEG handelt. Besonders deutlich wird dies in dem Fall, in dem der Wohnungseigentumsorganisator kraft seiner übermächtigen Stellung zB eine solche gemeinsame Rücklage nicht nur für zwei nebeneinander liegende Liegenschaften, sondern für mehrere, möglicherweise sogar für alle von ihm verwalteten Liegenschaften im Wege gleichlautender Wohnungseigentumsverträge zu schaffen versuchte.

Eine vertragliche Regelung zwischen den Miteigentümern der einen Liegenschaft und denjenigen der anderen betreffend die Übernahme von Aufwendungen für die jeweils andere Liegenschaft unabhängig von den genannten Wohnungseigentumsverträgen besteht nicht. Sie kam auch nicht konkludent zustande, weil die faktische Durchführung der nunmehr als rechtsunwirksam erkannten Vereinbarung nur vom Wohnungseigentumsorganisator als späterer Verwalter erfolgte.

Dies ändert freilich nichts daran, daß Vereinbarungen - auch im Wege sogenannter Additionsverträge - über den Beitrag der Miteigentümer mehrerer Liegenschaften zu gemeinsamen Einrichtungen (Punkt VIII. a) bis f) der Verträge) getroffen werden können. Um eine solche gemeinsame Einrichtung handelt es sich jedoch bei der Rücklage und deren Verwendung für die hier streitgegenständliche Dachreparatur nicht.

Aus der Unwirksamkeit der Vereinbarung über eine gemeinsame Rücklage der im Miteigentum der Kläger einerseits und der Beklagten andererseits stehenden Liegenschaften folgt, daß die Verwendung der Rücklage, soweit sie von den Klägern gespeist wurde, für die Liegenschaft der Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgte. Es ist zwar richtig, daß dies durch den früher gemeinsamen Verwalter geschah. Die Kläger haben sich daher die Erbringung der Leistung so zurechnen zu lassen, wie wenn sie es selbst getan hätten. Das ändert aber nichts daran, daß sie zur Rückforderung des ohne Rechtsgrund Geleisteten nach § 1431 ABGB berechtigt sind.

Das Teilzwischenurteil des Erstgerichtes war daher wieder herzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Bei Ausmittlung der Höhe des zurückzuzahlenden Betrages wird aber zu beachten sein, daß während der ganzen Dauer des faktischen Bestehens einer "gemeinsamen Rücklage" daraus möglicherweise auch Leistungen zugunsten der Liegenschaft der Kläger erbracht wurden, die von den Beklagten anteilsmäßig zurückverlangt werden könnten. Dies wird mit den Parteien noch zu erörtern sein. Gegebenenfalls werden über diesbezüglich aufgestellte Behauptungen die noch anzubietenden Beweise aufzunehmen sein. Lediglich mit dem aliquoten Teil der Differenz zwischen den von den Miteigentümern der Liegenschaft der Kläger für die Liegenschaft der Beklagten getätigten Aufwendungen einerseits und den von den Miteigentümern der Liegenschaft der Beklagten für die Liegenschaft der Kläger erbrachten Leistungen anderseits könnte das Klagebegehren berechtigt sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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