OGH 9ObA109/94

OGH9ObA109/9429.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Adametz und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alois W*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15 - 19, 1101 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.280 S und Feststelllung (Gesamtstreitwert 301.280 S sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 1993, GZ 31 Ra 100/93-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Februar 1993, GZ 4 Cga 1065/92-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 48.172 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten 8.015,30 S Umsatzsteuer und 80 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei die mit 12.929,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.154,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist pensionierter Angestellter der beklagten Partei und bezieht von dieser eine Pension nach den Bestimmungen der §§ 81 ff der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern (DO.A). Er stand am 1.1.1992 nicht mehr im aktiven Dienst. Mit Wirkung vom 1.1.1992 erfolgte aufgrund eines entsprechenden Kollektivvertragsabschlusses eine lineare Erhöhung aller Gehaltsansätze nach der DO.A um 4 %. Ab diesem Zeitpunkt gebührt den Angestellten aufgrund Art XXXI Punkt 4 der Übergangsbestimmungen zur DO.A ein monatlicher Zuschlag von 200 S. Dieser gilt nach der zitierten Bestimmung als ständiger Bezug und ist in die Bemessungsgrundlagen ua für die Pension (§ 87 Abs 1) und die fiktive gesetzliche Pension (§ 97 Abs 3) einzubeziehen. Gemäß Art XXXI Punkt 4 der Übergangsbestimmungen gebührt dem Angestellten ein Zuschlag von jeweils 200 S zum Urlaubs- und Weihnachtszuschuß. Die Bemessungsgrundlage der Pension bilden gemäß § 87 Abs 1 DO.A - mit bestimmten, hier nicht relevanten Ausnahmen -

1.) der sich aufgrund der letzten Einreihung gemäß § 36 Abs 1 ergebende volle monatliche Dienstbezug gemäß § 35 Abs 2 Z 1 und Z 4 bis 10,

2.) die Überstundenvergütung,

3.) die Verwendungszulage

4.) die Gefahrenzulage 5. und 6. (...)

Gemäß § 87 Abs 3 DO.A sind bei einer allgemeinen Änderung des Gehaltes (§ 35 Abs 2 Z 1) mit deren Wirksamkeit die Pensionsleistungen nach den neuen Dienstbezügen zu berechnen. Gemäß § 35 Abs 1 DO.A bestehen die Dienstbezüge des Angestellten aus ständigen und nichtständigen Bezügen. Als ständige Bezüge gelten nach § 35 Abs 2 Z 1 DO.A das monatliche Gehalt nach dem Gehaltsschema; in den folgenden Ziffern des Abs 2 sind verschiedene, als ständige Bezüge qualifizierte Zulagen und Zuschüsse angeführt.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 1.280 S brutto sA sowie die Feststellung, daß die beklagte Partei schuldig sei, die monatliche Pensionsleistung in Hinkunft unter Einbeziehung des ab 1.1.1992 den Verwaltungsangestellten gebührenden Zuschlages von 200 S brutto monatlich zu zahlen. Ungeachtet der Bezeichnung als Zulage handle es sich bei dem Betrag um einen Teil des ständigen Bezuges. Bei anderer Auslegung würde eine Umgehung der Valorisierungsbestimmungen des § 87 Abs 3 DO.A dann ermöglicht, wenn anstelle der Anhebung der allgemeinen Gehälter um einen bestimmten Prozentsatz die Erhöhung um einen als Zulage bezeichneten Fixbetrag erfolge. Die beklagte Partei könnte willkürlich durch Schaffung von Entgeltbestandteilen, die nicht in das Gehaltsschema aufgenommen würden, die Valorisierungsbestimmungen außer Kraft setzen. Die Nichtberücksichtigung des den Aktiven gewährten Betrag von 200 S monatlich bedeute eine unzulässige Kürzung der Pension.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Mit 1.1.1992 sei bei allen Angestellten und daher auch den Angestellten der Beklagten der Dienstnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag um 0,25 % erhöht worden. Diese Erhöhung sei für die Pensionisten nicht eingetreten. Der Zuschlag von 200 S verfolge das Ziel, einen Ausgleich zwischen der sich bei gleicher Erhöhung der Bruttobeträge ergebenden unterschiedlichen Nettoerhöhung der Gehälter einerseits und der Pensionen andererseits herbeizuführen. Die Kollektivvertragsparteien hätten nicht beabsichtigt, die Pensionen der Sozialversicherungsangestellten mehr zu erhöhen, als der Erhöhung im Bereich des ASVG und im öffentlichen Dienst entsprochen habe. Die Erhöhung sollte daher 4 % betragen. Der monatliche Zuschlag von 200 S sei zwar ein ständiger Bezug, sei aber nach Art XXXI Punkt 4 der Übergangsbestimmungen, bei denen es sich um einen Bestandteil der DO.A handle, nur in die Bemessungsgrundlage bestimmt bezeichneter Bezugsbestandteile einzubeziehen; das monatliche Gehalt (Schemabezug) sei dort nicht angeführt. Anspruch auf Neuberechnung der Pensionen der Kläger bestehe daher nicht. Diese Regelung habe durch Kollektivvertrag zulässig getroffen werden können.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Durch die Einführung einer neuen fixen Zulage für die Aktivangestellten sei keine Änderung des Gehaltes im Sinne des § 35 Abs 2 Z 1 DO.A eingetreten. Diese Zulage sei daher nicht in die Pensionsbezüge der bei Wirksamkeitsbeginn der Erhöhung bereits pensionierten Dienstnehmer einzurechnen. Eine unsachliche Einschränkung der Rechte der Pensionisten sei dadurch nicht eingetreten, weil zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung eine solche Zulage noch nicht bestanden habe.

Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem Klagebegehren statt. Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung bestehe auch für die Parteien eines Kollektivvertrages eine mittelbare Grundrechtsbindung; die Parteien eines Kollektivvertrages hätten bei Eingriff in die Rechte der Normunterworfenen keinen größeren Spielraum als der einfache Gesetzgeber. Die DO.A sei in der seit 1983 geltenden Fassung von einer Anpassung der Pensionen an die prozentuellen Änderungen des Schemagehaltes ausgegangen. Dem sei immer der Vergleich der Bruttobezüge zugrunde gelegen. Mit der hier in Frage stehenden Zulage sei ein Ausgleich für das durch die erhöhten Krankenkassenbeiträge bewirkte Absinken des Nettogehaltes der Aktiven gewährt worden. Der Vergleich der Nettobezüge wirke zwar auf den ersten Blick einleuchtend, übersehe aber, daß die Aktivangestellten, ebensowenig wie die Pensionisten Anspruch auf Abgeltung für zusätzliche Steuern und Abgaben haben und daher duch die Gewährung eines solchen Zuschlages gegenüber den Pensionisten auch dann bevorzugt würden, wenn sich netto keine Bezugsdifferenz ergeben sollte. Die Begünstigung der Aktivangestellten durch überproportionale Erhöhung ihres Bruttobezuges erscheine unter dem Gesichtspunkt des auf Bruttoanpassung gestellten Pensionsanspruches daher solange unsachlich, als nicht auch eine Maßnahme getroffen werde, die die entsprechenden Nettoanpassungen in Hinkunft wieder in einem für alle aktiven und pensionierten Dienstnehmer gleichen Maß vorsehe. Eine an sich sachlich gerechtfertigte Differenzierung sei aber auch dann gleichheitswidrig, wenn sie zur Erzielung des angestrebten Zweckes ungeeignet sei. Auch dies treffe für die in Frage stehende Zulagenregelung zu. Die neugeschaffene Zulage sei nämlich nach den Übergangsregelungen für künftig und neu anfallende Pensionsansprüche zu berücksichtigen. Das vordergründige Ziel, lediglich den Aktivbediensteten einen Ausgleich für künftige Sozialabgaben zu gewähren, werde dadurch nicht erreicht. Es würden vielmehr zwei Klassen von Pensionisten geschaffen, von denen eine bevorzugt wäre. Dies führe zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis. Dadurch, daß die Kollektivvertragsparteien den neu geschaffenen Zuschlag entgegen der ursprünglich erklärten Absicht nicht auf aktive Dienstnehmer beschränkt haben, sondern auch seine Einrechnung in die ab 1.1.1992 neu anfallenden Pensionsbezüge angeordnet hätten, sei von der ursprünglichen Intention so weit abgegangen, daß auch der ursprünglich erklärte Wille, lediglich aktive Dienstnehmer zu begünstigen in der Regelung letztlich keinen Niederschlag gefunden habe. Nach dem Wortlaut des § 87 Abs 3 DO.A bestehe daher kein Anlaß, bei der durch die prozentuelle Änderung des Gehaltes veranlaßten Neuberechnung der Pensionen, diesen Bezugsanteil nicht ebenfalls in die geänderte Pension einzurechnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren des Klägers abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Frage der Berücksichtigung der an aktive Angestellte ab 1.1.1992 neu gewährten Zulage von monatlich 200 S bei der Aufwertung bereits zuvor angefallener Pensionen war bereits Gegenstand der Entscheidung des erkennenden Senates vom 22.9.1993, 9 Ob A 230/93. Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, daß § 35 Abs 2 DO.A einen ganzen Katalog von ständigen Bezügen aufliste. Unter Z 1 werde dabei das monatliche Gehalt nach dem Gehaltsschema genannt; nicht jeder ständige Bezug sei daher Gehalt im Sinne des § 35 Abs 2 Z 1 DO.A. Die Neuberechnung der Pension habe jedoch gemäß § 87 Abs 3 DO.A nur bei einer allgemeinen Änderung des Gehaltes zu erfolgen, wobei ausdrücklich auf § 35 Abs 2 Z 1 DO.A Bezug genommen werde. Gemäß § 87 Abs 1 Z 1 DO.A bilde ua der sich aufgrund der letzten Einreihung gemäß § 36 Abs 1 ergebende volle monatliche Dienstbezug gemäß § 35 Abs 2 Z 1 und 4 bis 10 (mit gewissen Ausnahmen) die Bemessungsgrundlage der Pension. Diese Regelung habe bereits vor Inrafttreten des Art XXXI Punkt 4 der Übergangsbestimmungen die Grundlage für eine unterschiedliche Entwicklung der Bezüge von aktiven Angestellten und Pensionisten geboten. Sei etwa eine Erhöhung der ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 4 - 10 DO.A eingetreten, so hätte dies ausschließlich Auswirkungen auf die aktiven Dienstnehmer gehabt, weil die Neuberechnung der Pension nur auf den Fall der Änderung des Schemabezuges gemäß § 35 Abs 2 Z 1 DO.A beschränkt sei. Eine unterschiedliche Entwicklung von Aktivgehältern und Pensionen sei daher dem System der DO.A immanent. Art XXXI Punkt 4 der Übergangsbestimmungen bestimme im Detail, in welchen Fällen der Zuschlag in die Bemessungsgrundlage für Leistungen einzubeziehen sei. Im Zusammenhang mit Pensionen werde dabei nur § 87 Abs 1 DO.A genannt. Die Neuberechnung der Pension gemäß § 87 Abs 3 DO.A werde nicht angeordnet. Der strittige Zuschlag stehe daher diesbezüglich den in § 87 Abs 1 DO.A genannten ständigen Bezügen gemäß § 35 Abs 2 Z 4-10 DO.A gleich, die zwar bei der erstmaligen Bemessung der Pension zu berücksichtigen seien, deren Änderung jedoch eine Neubemessung der Pension gemäß § 87 Abs 3 DO.A nicht auslöse. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist daher die strittige Zulage bei der Bemessung von vor dem 1.1.1992 gewährten Pensionen nicht zu berücksichtigen.

Aber auch die vom Berufungsgericht ins Treffen geführten Verstöße gegen Grundrechte liegen nicht vor.

Aus § 87 Abs 3 DO.A ergibt sich, daß grundsätzlich die Höhe der Pensionsleistungen an die Veränderung der Aktivgehälter gekoppelt ist. Erhöhungen der Aktivgehälter sollen auch den Pensionisten zugute kommen. Durch das Zitat (§ 35 Abs 2 Z 1 DO.A) wird klargestellt, daß diese Änderung nur bei einer Änderung der Schemabezüge zum Tragen kommen soll. Veränderungen von Zulagen lösen eine Änderung von Pensionsleistungen nicht aus. Es wäre nun sicher unzulässig, allgemeine Erhöhungen des Einkommens von aktiven Bediensteten in der Form von Zulagen zu gewähren und auf diese Art Pensionisten von diesen Erhöhungen auszuschließen. Es ist daher in jedem Fall, in dem Aktiven eine neue Zulage gewährt wird, zu prüfen, ob es sich um eine Leistung handelt, die aus gerechtfertigten Gründen als Zulage deklariert ist, oder ob es sich allenfalls bei einer in dieser Form gewährte Leistung tatsächlich um eine Erhöhung des Schemabezuges handelt. Dieser Grundsatz ergibt sich bereits aus der Auslegung des Kollektivvertrages selbst, so daß ein Zurückgreifen auf Grundrechte entbehrlich ist.

Hier steht fest, daß Zweck der Zulage war, den aktiven Bediensteten die nur sie treffende Erhöhung der Sozialversicherungsabgaben abzugelten; es sollte dadurch das Ergebnis vermieden werden, daß bei gleicher Bruttoerhöhung von Gehältern und Pensionen eine unterschiedliche Entwicklung der Nettobezüge eintrete. Damit liegt aber ein sachlicher Grund vor, die Erhöhung der Bezüge in Form einer Zulage zu gewähren, von der die Ruheständler ausgeschlossen sind.

Aber auch die Regelung, daß für künftig in den Ruhestand tretende Bedienstete die Zulage in die Pensionsbemessungsgrundlage einbezogen wird, läßt eine (bei Prüfung eines Kollektivvertrages unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit zu behandelnde - Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 142 -) Gleichheitswidrigkeit nicht erkennen. Es entspricht der Rechtsprechung, daß es in der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers liegt, zeitliche Differenzierungen in der Form zu schaffen, daß bestimmte Rechte erst ab einem bestimmten Zeitpunkt eingeräumt werden (idS auch SSV-NF 6/54 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, daß in der zeitlichen Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern keine Verletzung des auch von den Kollektivvertragsparteien zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatzes (DRdA 1989, 104 mit zustimmender Anmerkung von Runggaldier) zu erblicken ist. Auch dagegen, daß die Zulage nur bei der Bemessung der Pension von Personen zu berücksichtigen ist, die nach dem 1.1.1992 in den Ruhestand treten, die Zulage jedoch auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bereits angefallene Pensionen ohne Auswirkung bleibt, und daher ab 1.1.1992 in den Ruhestand tretende Bedienstete gegenüber zu diesem Zeitpunkt bereits pensionierten ehemaligen Dienstnehmern günstiger gestellt werden, ist daher nicht bedenklich.

Der vom Kläger erhobene Anspruch besteht daher nicht zu Recht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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