OGH 4Ob74/94

OGH4Ob74/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo Boss AG, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Leopold H*****, vertreten durch Dr.Eugen Wiederkehr, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 460.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 25.Februar 1994, GZ 3 R 224/93-15, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 8.Oktober 1993, GZ 37 Cg 196/93i-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung über den Sicherungsantrag wie folgt zu lauten hat:

Der beklagten Partei wird ab sofort bei sonstigem Zwang verboten, Bekleidungsstücke anzubieten, zu verkaufen oder zu vertreiben, die das Firmenschlagwort der klagenden Partei "Boss" aufweisen, sofern es sich nicht um Erzeugnisse der klagenden Partei handelt.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hingegen endgültig.

Text

Begründung

Die Klägerin verwendet ihr Firmenschlagwort "Boss" zur Kennzeichnung der von ihr erzeugten Bekleidungsstücke. Sie ist auch Inhaberin der internationalen Wortmarke "Boss" mit der Registernummer 456.092 für die Warenklasse 25 (Damen-, Herren- und Kinderbekleidung). Diese Marke genießt mit der Priorität vom 7.12.1979 auch in Österreich Schutz.

Der Beklagte ist handlungsbevollmächtigter Gesellschafter der Auto-Mil Kfz-Reparatur und Handel GmbH. In dieser Eigenschaft wickelte er eigenverantwortlich im Rahmen dieser Gesellschaft einen Textilhandel ab. Am 27.4.1993 wurden anläßlich einer Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft - neben Textilien mit der gefälschten Marke "Lacoste" - folgende Textilien mit dem gefälschten Kennzeichen "Boss" beschlagnahmt: 60 T-Shirts, 25 Jogginganzüge, 3 Hemden und 1 Sweatshirt. Der Beklagte gab dazu an, daß die Ware aus Thailand stamme. Daß der Beklagte die gefälschte Markenware in Österreich angeboten, verkauft oder vertrieben hat, konnte nicht als bescheinigt angenommen werden.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Bekleidungsstücke anzubieten, zu verkaufen und/oder zu vertreiben, die das Firmenschlagwort der Klägerin aufweisen, aber nicht Erzeugnisse der Klägerin sind. Der Beklagte verkaufe in Österreich Bekleidungsstücke mit ihrem Firmenschlagwort und ihrer Standardmarke "Boss", welche nicht von der Klägerin stammten. Am 13.4.1993 habe ihr ein Informant, dem Anonymität zugesichert worden sei, mitgeteilt, daß der Beklagte seit Jahren gefälschte Markentextilien, darunter auch solche mit dem gefälschten Kennzeichen der Klägerin, in größerem Stil vertreibe. Der Beklagte verkaufe die aus Thailand stammende Ware an Wiederverkäufer. Aufgrund dieser Information habe die Klägerin gegen den Beklagten ein Strafverfahren wegen Kennzeichenverletzungen nach den §§ 51, 52 MSchG eingeleitet, im Zuge dessen die (erwähnte) Hausdurchsuchung stattgefunden habe. Das Ergebnis dieser Hausdurchsuchung habe den gegen den Beklagten ausgesprochenen Verdacht, gefälschte Markentextilien in großem Ausmaß zu vertreiben, bestätigt. Der Beklagte habe den Textilhandel zwar namens der Auto-Mil Kraftfahrzeuge-Reparatur und Handel GmbH jedoch auf eigene Verantwortung ausgeübt. Für den Eingriff in die Kennzeichenrechte der Klägerin hafte er daher als eigentlicher Störer. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich schon daraus, daß der Beklagte strafrechtlich relevante Markenpiraterie vorsätzlich betrieben habe, den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aber dennoch bestreite.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Er habe niemals Kleidungsstücke mit dem Firmenschlagwort der Klägerin in Österreich verkauft, angeboten oder vertrieben. Die von dem nicht genannten Informanten erhobenen Vorwürfe bestreite er auf das entschiedenste.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Aufgrund der von der Klägerin beigebrachten Bescheinigungsmittel seien zwar die Angaben des Beklagten völlig unglaubwürdig, doch seien damit die Behauptungen der Klägerin, der Beklagte verkaufe, vertreibe oder biete Ware mit dem gefälschten Kennzeichen der Klägerin an, nicht bescheinigt. Das bloße Lagern solcher Textilien sei nicht als kennzeichenmäßiger Gebrauch einer Marke zu qualifizieren. Mangels Bescheinigung eines Eingriffs in Kennzeichenrechte der Klägerin sei daher der Sicherungsantrag abzuweisen.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Benützung der Kennzeichen der Klägerin durch den Beklagten im geschäftlichen Verkehr sei nicht bescheinigt worden. Aber auch die Voraussetzungen für einen vorbeugenden Rechtsschutz lägen nicht vor. Wohl könnten im Einzelfall schon Vorbereitungshandlungen einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch rechtfertigen. Ob aber die konkrete Besorgnis einer bevorstehenden Rechtsverletzung begründet sei, sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Wenn der Beklagte auch eine Reihe gefälschter Textilien mit dem Kennzeichen der Klägerin eingelagert habe, könne daraus noch nicht auf eine Maßnahme geschlossen werden, die einen künftigen Eingriff befürchten lasse. Sowohl die Zahl als auch die Art der beschlagnahmten Ware sprächen noch nicht für die Gefahr eines Kennzeichenmißbrauchs größeren Stils.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, weil das Rekursgericht die Begehungsgefahr unrichtig beurteilt hat; er ist auch berechtigt.

Wie jeder klagbare Unterlassungsanspruch ist auch der Unterlassungsanspruch nach dem UWG nicht Sanktion für begangene Rechtsverletzungen, sondern Vorsorge gegen künftig drohende (JBl 1988, 655). Dem Klageberechtigten steht der Anspruch auf Unterlassung solcher Verletzungshandlungen zu, die vom Beklagten oder einem Dritten in einer dem Beklagten zurechenbaren Weise begangen worden sind oder - wenngleich das nur in neueren Gesetzen ausdrücklich gesagt wird (§ 81 Abs 1 UrhG; § 147 Abs 1 PatG idF der Novelle 1977) - drohend bevorstehen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 85; SZ 53/147; ÖBl 1978, 102; ÖBl 1983, 129; ÖBl 1989, 56; ÖBl 1991, 105 und 108 ua). Auch bloße Vorbereitungshandlungen können daher einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die konkrete Besorgnis einer unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung begründet ist; ob diese Voraussetzung vorliegt, ist nach objektiven Gegebenheiten zu beurteilen; auf die subjektive Sicht des Betroffenen kommt es dabei nicht an (ÖBl 1989, 56).

Während gegen den, der bereits gegen das UWG verstoßen hat, die Vermutung spricht, daß er hiezu neuerdings geneingt sein werde (ÖBl 1981, 45; ÖBl 1992, 42 uva), so daß der Beklagte dafür, daß keine Wiederholungsgefahr besteht, beweis(bescheinigungs-)pflichtig ist (ÖBl 1981, 122; ÖBl 1992, 42 uva), ist die bei vorbeugenden Unterlassungsklagen erforderliche Begehungsgefahr, also eine ausreichende Wahrscheinlichkeit künftigen Eingriffsverhaltens, vom Anspruchswerber zu behaupten und gegebenenfalls auch zu beweisen (JBl 1988, 655; Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rz 505 f).

Im vorliegenden Fall ist der Klägerin zwar die ihr obliegende Bescheinigung nicht gelungen, daß der Beklagte bereits durch Anbieten, Verkaufen und Vertreiben von Textilien mit dem gefälschten Kennzeichen "Boss" gegen ihre Kennzeichenrechte verstoßen hat. Sie hat sich aber im wesentlichen auch darauf berufen, daß die Ergebnisse der Hausdurchsuchung im Strafverfahren den Schluß zuließen, daß der Beklagte solche Textilien in großen Mengen importiert habe. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, daß das Erstgericht der Aussage des Beklagten, daß ihm die mit dem gefälschten Warenzeichen versehenen Textilien aus Anlaß der Lieferung bestellter anderer Ware aufgrund eines Verpackungsfehlers mitgeliefert worden seien, keinen Glauben geschenkt hat. Der Klägerin ist damit aber die Bescheinigung gelungen, daß der Beklagte Textilien der beanstandeten Art nach Österreich importiert hat. Bescheinigt ist weiters, daß der Beklagte diese Textilien in den ihm zur Verfügung stehenden Geschäftsräumen eingelagert hat. Unter diesen Umständen muß aber bei objektiver Betrachtung die Gefahr, daß der Beklagte diese Ware alsbald auch zum Verkauf anbieten, verkaufen oder sonstwie vertreiben werde, bejaht werden. Während nämlich der Nachweis (die Bescheinigung) konkreter Vorbereitungshandlungen Tatfrage ist, gehört es zum Bereich der rechtlichen Beurteilung, ob daraus die Gefahr unmittelbar bevorstehender Rechtsverletzungen abgeleitet werden kann (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 212 Rz 260 EinlUWG).

In Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen war daher die einstweilige Verfügung zu erlassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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