OGH 1Ob572/94

OGH1Ob572/9422.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Ingeborg W*****, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Dr. Karl W*****, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, infolge der Revisionsrekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 29. September 1993, GZ 47 R 396/93-187, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 5. Februar 1993, GZ 8 F 1/90-178, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Antragstellerin wird mit ihrem Revisionsrekurs auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 22.9.1950 von den Parteien vor dem Standesamt M***** geschlossene Ehe wurde am 28.11.1984 aus dem alleinigen Verschulden des Antragsgegners vom Landesgericht für ZRS Wien geschieden. Diese Entscheidung ist seit 3.12.1984 rechtskräftig. Die eheliche Gemeinschaft der Parteien ist seit dem 25.8.1975 aufgelöst.

Am 13.11.1985 beantragte die Antragstellerin die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Im wesentlichen brachte sie vor, daß die Parteien im Laufe der Ehe Wertpapiervermögen, eine Wohnung in Wien *****, S*****gasse *****, eine weitere Wohnung am R*****weg ***** in Wien *****, und Einrichtungsgegenstände angeschafft hätten. Hinsichtlich der Wertpapiere sei zugunsten des Antragsgegners bereits eine faktische Aufteilung erfolgt, auch der Antragstellerin seien Vermögenswerte (Wertpapiere, Einrichtungsgegenstände) zugekommen.

Der Antragsgegner trat den Aufteilungsvorschlägen der Antragstellerin entgegen, wobei er sich insbesondere gegen die Einbeziehung der Wohnung in der S*****gasse in das Aufteilungsverfahren wandte.

Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens kam es zwischen den Parteien schrittweise zu verschiedenen Teileinigungen, die auch für den Fall gelten sollten, daß eine Teilbeschlußfassung nötig sei (ON 134, 141, AS 567). Als Stichtag für die Feststellung des aufzuteilenden Vermögens wurde einvernehmlich der 25.8.1975 zugrundegelegt.

Das Erstgericht wies die Einrichtung in der Wohnung Wien *****, R*****weg *****, sowie den diesbezüglichen Anteil an der G*****genossenschaft ***** dem Antragsgegner zu und sprach aus, daß weitere Aufteilungsanordnungen nicht getroffen werden; die Anträge auf Zuerkennung von Ausgleichszahlungen wurden abgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung wurde ausgeführt, daß verschiedene, konkret aufgezählte Vermögensgegenstände, „in die Aufteilung einzubeziehen seien“ (AS 770 f), weitere Vermögenswerte unterlägen nicht der Aufteilung (AS 771). Aus der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ergibt sich, daß das Erstgericht die von den Parteien tatsächlich benützten bzw. ihnen zugekommenen Werte jeweils dem belassen wollte, in dessen tatsächlicher Verfügungsgewalt sie sich befanden (siehe insbesondere S. 4 des erstinstanzlichen Beschlusses = AS 772, wo von einer Zuweisung dieser Vermögenswerte die Rede ist).

Den gegen diese Entscheidung erhobenen Rekursen beider Parteien gab das Rekursgericht nicht Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien. Der Antragsgegner rügt insbesonders die nicht vollständige Erledigung der gestellten Sachanträge.

Der Rekurs des Antragsgegners ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nichtigkeitsgründe gefährden die Rechtssicherheit und können im außerstreitigen ebenso wie im streitigen Verfahren geltend gemacht werden (EvBl. 1992/54). Die Nichtigkeitsgründe des § 477 ZPO gelten auch im außerstreitigen Verfahren, soweit sie sich anwenden lassen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind nichtig im Sinne des § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO.

Seitens der Parteien wurde eine Reihe von Sachanträgen gestellt und eine große Zahl von Vermögenswerten in die Aufteilung einbezogen. Daß die Vorinstanzen die Absicht hatten, die ins Aufteilungsverfahren einbezogenen Vermögenswerte jeweils dem Teil zuzuweisen, in dessen tatsächlicher Verfügungsgewalt sie sich befanden, ergibt sich lediglich aus der Begründung der angefochtenen Beschlüsse (siehe insbesondere AS 772). Spruchmäßig wurde nur die Einrichtung der Wohnung in Wien *****, R*****weg *****, sowie der diesbezügliche Genossenschaftsanteil dem Antragsgegner zugewiesen. Weiters wurde der Antrag auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung im Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen.

Gemäß § 81 Abs. 1 EheG sind für den Fall der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse unter die Ehegatten aufzuteilen. Gemäß § 85 EheG hat, soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nicht einigen, hierüber auf Antrag das Gericht zu entscheiden. Gegenstand der dem Regelungsverfahren des Außerstreitrichters zugewiesenen vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der vormaligen Ehegatten sind alle Vermögenswerte, die ins Aufteilungsverfahren einzubeziehen sind. Hiebei muß die sachenrechtliche und gebrauchsrechtliche Zuordnung der Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens verändernd oder bewahrend ausgesprochen werden. Ein solcher Ausspruch ist in den Spruch der Entscheidung aufzunehmen, die Zuweisung ist eindeutig zum Ausdruck zu bringen (vgl. JBl. 1983, 598). Dem entspricht die Entscheidung der Vorinstanzen nicht. Es ist im Spruch der Entscheidung ausdrücklich klarzustellen, welche Vermögenswerte welcher Partei zugewiesen werden. Wenn das Erstgericht in dem vom Rekursgericht bestätigten Beschluß nur ganz allgemein ausführte, die einzelnen Vermögenswerte würden jeweils dem Teil zugewiesen, in dessen tatsächlicher Verfügungsgewalt sie sich befinden, und andererseits im Spruch der Entscheidung „weitere Aufteilungsanordnungen nicht trifft“, dann erweist sich die Fassung dieses Beschlusses als so mangelhaft, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann. Das Erstgericht wird daher über alle Vermögenswerte, die der Aufteilung unterliegen, spruchmäßig zu entscheiden haben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind demnach in Stattgebung des Revisionsrekurses des Antragsgegners aufzuheben; die Antragstellerin ist auf diese aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 234 AußStrG, § 52 ZPO.

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